25 Jahre "System Shock 2": Look at you, hacker!​

Seite 2: Das Spiel zur Sonnenfinsternis

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Das Resultat stand nach etwa 18 Monaten Entwicklungszeit, die ein Budget von 1,7 Mio. US-Dollar verschlangen, am 11. August 1999 in den Läden. Ein ganz exzellentes Datum, weil es zur "System Shock 2"-Veröffentlichung auch noch eine totale Sonnenfinsternis gratis dazugab.

Die deutsche Fassung, die etwa einen Monat später erhältlich war, erschien nur in einer geschnittenen Fassung: Bei uns wurde rotes Blut durch grünes ersetzt, 3D-Modelle von Personen, die sich erhängt hatten, fehlten komplett, genauso wie abgetrennte Körperteile bei menschlichen Figuren. Dafür war die bei uns erhältliche Fassung aber sehr kompetent eingedeutscht, inklusive durchgehender Sprachausgabe, bei der Marion von Stengel die Rolle von Shodan übernahm – man kennt sie sonst unter anderem als die Synchronstimme von Angelina Jolie und Pamela Anderson.

"System Shock 2" spielt im Jahr 2114, also 42 Jahre nach den Geschehnissen des Vorgängers. Zu diesem Zeitpunkt ist das Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit Realität, die beiden Raumschiffe "Von Braun" (Wissenschaftsschiff) und "UNN Rickenbacker" (Militärkreuzer) sind auf dem Weg nach Tau Ceti, knapp zwölf Lichtjahre von der Erde entfernt. Es kommt zu Spannungen zwischen beiden Gruppen, die kurz davor sind, sich explosiv zu entladen, als von der Oberfläche des Planeten Tau Ceti 5 ein Signal empfangen wird. Ein gemeinsames Team aus Soldaten und Wissenschaftlern beschließt, den Planeten zu untersuchen, in der Hoffnung, einen ersten Kontakt mit einer außerirdischen Rasse herzustellen. Sowas geht bekanntermaßen ja immer gut.

Der Spieler, ein Soldat der UNN, wacht einige Tage nach diesen Ereignissen aus dem Kryoschlaf auf, und muss feststellen, dass die Von Braun mittlerweile von außerirdischen Parasiten, die sich "The Many" nennen (dt. "Die Masse"), überrannt wurde, was dramatische Auswirkungen auf die menschliche Besatzung hatte: Überall liegen Leichen herum, Wände und Böden sind übersät mit Blut und zerstückelten Leichen. Xerxes, der Hauptcomputer der Von Braun, wurde von der außerirdischen Macht korrumpiert, und von den Parasiten befallene Menschen haben sich in ebenso bizarre wie aggressive Hybriden verwandelt. Aber nun, kein Problem, schließlich hat man eine schwere Rohrzange dabei, und mit Dr. Janice Polito auch eine ebenso mysteriöse wie erstaunlich hilfreiche Stimme im Ohr.

"System Shock 2" beschreibt sich selbst als ein "Action-RPG-Survival-Horror-Videospiel", was nach einem Alleskönner der Spielewelt klingt. Und tatsächlich ist es das bis zu einem gewissen Grad auch, denn genau wie beim Vorgänger hat der Spieler enorme Freiheit bei der Wahl der Vorgehensweise. Ganz grundsätzlich steuert sich das Ganze wie ein typischer Ego-Shooter der damaligen Zeit. Aber wer der Meinung ist, die Von Braun mit dem dauerfeuernden Raketenwerfer in der Hand befrieden zu können, wird sehr schnell vom traurigen Klicken der leeren Waffe auf den Boden der Realität zurückgezerrt.

Zu Beginn muss man sich für eine von drei Spezialisierungen entscheiden: Der Marine ist der Waffenspezialist und geht als solcher noch am ehesten in die Richtung des klassischen Shooter-Helden. Der Navy-Offizier ist ein Technik- und Reparaturexperte mit einer Spezialisierung aufs Hacken. Und der Geheimdienstagent nutzt vor allem seine mysteriösen Psi-Kräfte, um Probleme aus der Welt zu schaffen.

Diese erste Wahl legt die ganz grundsätzliche Ausrichtung der Spielweise fest – aber das ist noch lange nicht alles. Denn das Erfüllen von Missionen und gewissenhafte Durchsuchen der Von Braun gibt dem Spieler auch eine Anzahl an "Cyber-Modulen" als Belohnung, mit denen man seine Fähigkeiten noch ausbauen und spezialisieren darf. So kann man zum Beispiel zum Profi-Hacker werden, der Computer, Sicherheitssysteme und verschlossene Türen im Handumdrehen knackt. Ein hoher Wartungsskill sorgt dafür, dass die eigenen Waffen jederzeit in bestem Zustand sind. Mit nach oben gekurbelt Kinetic-Werten kann man aus der Distanz Gegenstände greifen, an die man sonst nicht rankommen würde. Und Upgrades im Bereich von Standard-, Energie oder schweren Waffen verleihen speziell dem Marine die Möglichkeit, Gegner ebenso schnell wie effizient auszuschalten.

Das sind nur ein paar Beispiele, "System Shock 2" bietet etliche Möglichkeiten, die eigene Figur gezielt aufzurüsten. Das Stichwort hier lautet "gezielt", denn man kann die Cyber-Module nicht mit der Gießkanne verteilen: Je fortgeschrittener die Upgrades, desto mehr Module kosten sie – und es gibt im ganzen Spiel echt nicht besonders viele davon. Es ist schlicht unmöglich, sich selbst in vielen Disziplinen zum absoluten Spezialisten zu machen, man muss sich schon sehr früh auf eine oder zwei Richtungen festlegen und diese dann konsequent durchziehen. Denn das Spiel wird im Verlauf der locker 20 Stunden langen Kampagne sehr herausfordernd. Und wenn man in der zweiten Hälfte von allem ein bisschen, aber nichts richtig gut kann, dann hat man gegen die Feinde und Herausforderungen der Von Braun schlicht keine Chance.

Die gute Nachricht ist, dass das den Wiederspielwert von "System Shock 2" eklatant nach oben kurbelt. Die eigentliche Handlung bleibt zwar immer gleich, aber es macht einen großen Unterschied, ob man sich schwerbewaffnet auf Effizienz getrimmt durch die Levels schnetzelt, als Hackerman Sicherheitssysteme und Türen umgeht, oder als Psi-Profi Probleme aus der sicheren Distanz löst.

Wichtig ist, dass das Spiel wieder zwischen der normalen Bewegung "Shoot Mode" und der Interaktion mit der Umgebung ("Use Mode") unterscheidet. In Ersterem bewegt man sich ganz klassisch per WASD und Mouselook durch die Umgebung, kann sich umsehen, Schalter bedienen und Objekte oder Körper durchsuchen. Einen Druck auf die Tabulator-Taste später bewegt man den Mauszeiger dagegen frei im Bild herum und kann direkt mit Objekten interagieren oder sich am Hacking-Minispiel versuchen.