30 Jahre GSM – (fast) ein Weltstandard​

Seite 2: Viele blieben anfangs beim C-Netz

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Trotz der prinzipiell effizienteren Netztechnik: Wirklich leistungsfähig wird auch GSM erst durch die engmaschig postierten Funkzellen. Der Stuttgarter Technikjournalist Hannes Rügheimer, damals wie heute fürs Fachblatt "connect" tätig, erinnert sich an den Netzstart: "Anfangs waren die D-Netze naturgemäß schlecht ausgebaut. Vor allem beim Autofahren klappte die Übergabe von einer Funkzelle zur nächsten oft nicht und die Gespräche brachen ab. Zudem zerhackte die digitale Sprachübermittlung bei Störungen die Gespräche. Viele C-Netz-Nutzer bleiben deshalb noch lange der alten Technik treu." Tatsächlich abgeschaltet wurde es in Deutschland erst zum Ende des Jahres 2000.

Trotz des zähen Starts füllten sich nach und nach die Regale, zahlreiche Firmen stiegen ins Geschäft mit den GSM-Handys ein. Alcatel, Bosch, Ericsson, Hagenuk, Motorola, Nokia, Philips, Siemens und Sony gehörten zu den Pionieren, später verkauften zeitweise Firmen wie Bang&Olufsen, Kyocera, LG, NEC, Panasonic, Sagem, Samsung und Sharp passende Telefone. Die taugten anfangs tatsächlich nur zum Telefonieren. Wie das ISDN-Festnetz hatte zwar auch GSM von Anfang an einen D(aten)-Kanal – bis man über den aber auch SMS verschicken konnte, vergingen noch einige Jahre.

Der D-Kanal eignete sich aber tatsächlich nur für Kurznachrichten. Daten ließen sich per GSM anfangs mit 9600 Bit/Sekunde übertragen, was nur für Telefaxe ausreichend war. Erst Jahre später kamen mit HSCSD, GPRS und EDGE halbwegs performante Datenverbindungen zustande. Wirklich schnell wurde die Datenübertragung in Mobilfunknetzen aber erst mit UMTS und LTE/5G. Nicht zuletzt deshalb entstand fürs Surfen im Netz der WAP-Standard (Wireless Application Protocol), der Webseiten auf die begrenzten GSM-Geschwindigkeiten und die bescheidene Auflösung der meist monochromen Mobilfernsprecherbildschirme anpasste. WAP ist längst Geschichte, aber auch das konkurrierende i-Mode bekam in Deutschland nie Boden unter die Füße.

Mit den schnelleren Netzen kamen Smartphones auf. Der Nokia Communicator war zwar nicht das erste schlaue Mobiltelefon überhaupt, aber das Erste, das Marktrelevanz erlangte. Mitte der 2000er Jahre waren RIMs Blackberrys das Werkzeug der Wahl für Leute, die unterwegs mehr als telefonieren wollten oder mussten. Das 2006 erschienene LG KE 850 ("Prada") war das erste Smartphone mit kapazitivem Berührungsbildschirm – allerdings ein Misserfolg und deshalb fast vergessen. Erst das ein Jahr später erschienene iPhone von Apple (das anfangs kein UMTS konnte) ebnete den Markt für Smartphones, wie wir sie heute kennen.

Die hohen Preise fürs mobile Telefonieren und die passenden Fernsprecher sind längst Geschichte. Der Einstieg von Aldi 2005 und später weiterer Discounter ins Geschäft mit den Mobilfunktarifen war nur eine Episode in der Jahre dauernden Tarifschlacht; der technische Fortschritt ließ die Telefonpreise purzeln – im Jahr 2021 sind selbst die luxuriösesten Smartphones nicht teurer als die Primitivhandys von einst. Und wie immer, wenn sich ein Markt festigt und die Preise sinken, bleiben Hersteller auf der Strecke. Ehemalige Platzhirsche wie Nokia und Siemens sind kaum oder gar nicht mehr existent, Motorola auf dem Mobilfunkmarkt ein Schatten seiner selbst.

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Zu seinen besten Zeiten war GSM ein fast auf der ganzen Welt funktionierender Standard – bei den analogen Mobilfunknetzen hatte praktisch jedes Land sein eigenes Süppchen gekocht. Wie lange es die GSM-Netze noch geben wird, steht aber in Sternen. Japan und Südkorea haben ihre abgeschaltet, so auch Australien und in den USA der größte Telefonieanbieter AT&T. Die Schweiz will folgen. Für Deutschland gibt es noch keine solchen Pläne. Die GSM-Befürworter argumentieren, dass die Abschaltung des technisch überholten UMTS wesentlich mehr Datenfrequenzen schafft als die von GSM. Zudem existieren Millionen Einfach- und Altgeräte, die zum Telefonieren nach wie vor reichen. Dennoch: Wer für die (Groß-)Eltern ein zukunftssicheres Handy kaufen will, das in den meisten Ländern dieser Welt funktioniert, sollte auf Geräte achten, die auch LTE-Telefonie unterstützen.

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(dahe)