50 Dollar pro Tonne: Wie ein Start-up CO2-Speicherung günstig machen will

Heirloom Carbon Technologies will Kohlendioxid wirtschaftlich tragbar aus der Atmosphäre entfernen und peilt bis 2035 eine Milliarde Tonnen an.​

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Kalksteinformation, hier in der Türkei.

(Bild: Arns Civray / Unsplash)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • James Temple

Das Start-up Heirloom Carbon Technologies will Kohlendioxid mithilfe von Mineralien der Luft entziehen. Es gehört zu den ersten kommerziellen Bemühungen, den Klimawandel per beschleunigter Verwitterung (enhanced weathering) zu verlangsamen. Sobald der Industriemaßstab erreicht sei, könne es eine Tonne Kohlendioxid für 50 Dollar entfernen, wirbt das Unternehmen. Das liegt weit unter den Schätzungen bisheriger industrieller Ansätze. Bis 2035 will Heirloom rund eine Milliarde Tonne des Haupttreibhausgases aus der Atmosphäre entfernen.

Das in San Francisco ansässige Unternehmen hat Ende Mai von Großinvestoren wie Breakthrough Energy Ventures, Lowercarbon Capital und Prelude Ventures Startkapital in ungenannter Höhe eingeworben. Industriequellen zufolge handelt es sich um einen Betrag in Millionenhöhe. Darüber hinaus hat das Zahlungsverarbeitungsunternehmen Stripe, das bereits Demonstrationsprojekte in diesem Bereich finanziert hat, fast 250 Tonnen Kohlenstoffentfernung für derzeit noch 2054 Dollar pro Tonne von dem Unternehmen erworben.

Das Unternehmen könnte dazu beitragen, eine zentrale Herausforderung bei der Kohlenstoffentfernung anzugehen, sagt Noah Deich, Präsident des auf Entfernung und Wiederverwendung von Kohlenstoff spezialisierten Forschungsunternehmens Carbon180. Bisherige technische Ansätze, wie sie Unternehmen mit direkter Luftabscheidung wie Climeworks und Carbon Engineering anbieten, versprechen dauerhafte Ergebnisse, sind allerdings teuer. Natürliche Lösungen wie Kompensation per Boden- und Wald sind dagegen zwarbillig, werfen aber häufig Bedenken über die Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der Kohlenstoffentfernung auf. Wenn Heirloom seine Kostenziele erreicht, könnte es eine dauerhafte Entfernung zu relativ erschwinglichen Preisen anbieten, sagt Deich. (Heirloom-Geschäftsführer Shashank Samala nahm am Entrepreneur-in-Residence-Fellowship-Programm von Carbon180 teil.)

Die Technologie befindet sich jedoch noch in einem frühen Entwicklungsstadium und das Unternehmen muss noch zahlreiche technische und marktbezogene Herausforderungen meistern, einschließlich der Suche nach mehr Käufern wie Stripe, die bereit sind, in den kommenden Jahren hohe Preise für die Kohlenstoffentfernung zu zahlen.

Einen Teil der Aufmerksamkeit verdankt Heirloom der Tatsache, dass der Prozess, der in einem in 2020 im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichten Artikel beschrieben wurde, von prominenten Forschern entwickelt wurde, die die Verwendung von Mineralien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff untersuchen. Dazu gehören Peter Kelemen von der Columbia University, Greg Dipple von der University of British Columbia, Phil Renforth von der Heriot-Watt University und Jennifer Wilcox von der University of Pennsylvania, die inzwischen stellvertretende Staatssekretärin für fossile Energie in der Biden-Administration ist. Hauptautor Noah McQueen, ein Doktorand von Wilcox ist Forschungsleiter bei Heirloom.

Um zu verhindern, dass sich das Klima um zwei Grad erwärmt, müssten laut einer 2018 veröffentlichten Studie bis 2050 jährlich zehn Milliarden Tonnen Kohlendioxid und bis 2100 jährlich 20 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt werden. Aber nur eine Handvoll junger Start-ups entwickeln Methoden und Maschinen, die Kohlendioxidmoleküle direkt aus der Luft holen, Bioabfälle in Öl umwandeln und unterirdisch injizieren oder arbeiten an Systemen, die Anreize oder Validierung für natürliche Ansätze wie Wiederaufforstung oder landwirtschaftliche Praktiken schaffen, die Böden möglicherweise mehr Kohlenstoff aufnehmen lassen.

Einige Wissenschaftlern und gemeinnützigen Organisationen haben auch die Möglichkeit untersucht, Prozesse zu beschleunigen, durch die verschiedene Mineralien – insbesondere solche, die reich an Silikat, Kalzium und Magnesium sind – Kohlendioxid aus der Luft oder dem Regenwasser ziehen. Einige zermahlen und verteilen Materialien wie Olivin, während andere die bereits pulverisierten Nebenprodukte des Bergbaus nutzen, darunter auch Asbest.

Heirlooms Ansatz funktioniert ganz anders. Das Unternehmen wird Materialien wie gemahlenen Kalkstein, bei dem es sich hauptsächlich um mit Kohlendioxid gebundenes Kalzium handelt, bei Temperaturen von 400 bis 900 Grad erhitzen. Das ist genug, um den Kalk zu zerlegen und das Treibhausgas freizusetzen. Das ähnelt dem ersten Schritt bei der Zementherstellung. Darüber hinaus könnten auch andere Rohstoffe verwendet werden, wie Magnesit, das im Mittelpunkt des Nature Communications-Artikels stand.

Heirloom will langfristig auf elektrische Öfen setzen, damit der Prozess mit sauberen erneuerbaren Energiequellen betrieben werden kann und einen Kohlendioxidstrom erzeugt, der frei von Verunreinigungen aus fossilen Brennstoffen ist. Dieses Kohlendioxid kann dann relativ leicht unterirdisch aufgefangen, komprimiert und injiziert werden, wodurch es im Grunde für immer gespeichert wird.

Die übrig gebliebenen Oxidminerale – etwa Kalziumoxid, wenn der Prozess mit Kalkstein beginnt –, können in dünnen Schichten auf Folien verteilt, vertikal gestapelt und der Luft ausgesetzt werden. Die Mineralien sind hochreaktiv und bereit, sich mit dem Kohlendioxid in der Luft zu verbinden. Nach Ansicht der Heirloom-Forscher werden sich die meisten Materialien mit einigen zusätzlichen Verbesserungen in nur zwei Wochen mit dem Treibhausgas verbinden. Normalerweise würde es ungefähr ein Jahr dauern.

Das Start-up will die Optimierungsschritte noch nicht verraten, aber sie könnten automatisierte Methoden zum Mischen der Materialien enthalten, um sie kontinuierlich Luft auszusetzen. Dieser Prozess würde Kalziumoxid wieder in Kalziumkarbonat umwandeln, den Hauptbestandteil von Kalkstein. An diesem Punkt kann der Prozess einfach von vorne beginnen. Das Unternehmen glaubt, dass es die Materialien mindestens zehnmal, möglicherweise Dutzende, wiederverwenden kann, bevor sie zu stark abgebaut sind, um genügend Kohlendioxid einzufangen.

(vsz)