50 Jahre später: Das ewige Hin und Her der NASA auf dem Weg zurück zum Mond

Seite 3: Noch schneller zum Mond

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Das änderte sich im Dezember 2017, als Trump die "Weltraumpolitik-Direktive 1" ausrief, welche die NASA anwies, unter Zuhilfenahme industrieller Partner Landegeräte entwickeln zu lassen, die mittelfristig die Rückkehr von Astronauten auf den Mond ermöglichen sollten. Der Zeitrahmen sah ca. 2028 für eine solche Landung vor, und dies entsprach der NASA-Planung. Bis Trump Ende März über seinen Vizepräsidenten Mike Pence auf der 5. Sitzung des Nationalen Weltraumrats verkünden ließ, dass die astronautische Mondlandung gefälligst schon im Jahre 2024 zu erfolgen habe – also ganz nebenbei noch innerhalb Trumps potenzieller zweiter Amtszeit. Man befinde sich in einem neuen Wettstreit mit Russland und China. Und man wolle auf dem Mond eine permanente Basis in der Nähe des Südpols des Mondes errichten – dort gibt es im ewigen Schatten einiger Krater größere Mengen gefrorenen Wassers –, um die Technologien für den Aufenthalt auf dem Mars zu entwickeln.

Fachleute kommentierten, die Aufgabe sei schwierig, aber machbar – es dürfe nur zu keinen weiteren Verzögerungen beim SLS kommen. Dessen auf Ende 2020 gerutschter Erstflug mit einem unbemannten Orion-Raumschiff um den Mond herum soll nun auf den kommenden Juni vorgezogen werden – unter anderem, indem man sich den Integrationstest der Triebwerke in Saint Louis nach ihrem Einbau in die Rakete spart, denn sind diese bereits einzeln getestet worden, und es handelt sich um Triebwerke, die schon in Space Shuttles geflogen sind. Um der Entwicklung des SLS mehr Druck zu machen, brachte Bridenstine im März gar die Option ins Gespräch, falls das SLS den Juni-Termin nicht halten könne (wonach es jüngsten Meldungen zu Folge überhaupt nicht aussieht), notfalls das Orion-Raumschiff und die ICPS-Oberstufe mit zwei kommerziellen Raketen getrennt in den Erdorbit bringen zu lassen und dort zu koppeln – wofür die diese gar nicht vorbereitet sind.

Trump will einen Mann und die erste Frau der Geschichte ihre Stiefel in den Mondstaub setzen sehen: "Boots on the Moon" ist sein Slogan. Das Programm trägt mittlerweile den Namen "Artemis", in der Tradition des Apollo-Programms. Die bisher geplanten Flüge Exploration Mission 1 und 2 (erst ohne Crew um den Mond, dann mit Crew) wurden in Artemis 1 und 2 umgetauft. Artemis 2 soll mit 4 Astronauten zuerst die Erde umkreisen, dann soll die ICPS den fernsten Punkt der Bahn auf 2500 km anheben und beim folgenden Umlauf das Orion-Raumschiff auf eine schleifenförmige freie Rückkehrbahn um den Mond befördern, ähnlich der Apollo-8-Mission, jedoch ohne wie diese in den Mondorbit einzuschwenken.

Artemis 2

(Bild: NASA)

Artemis 3 hätte nach ursprünglicher Planung das ESPRIT- und das US-Vielzweckmodul zum LOP-G geflogen, was nun auf Artemis 4 verschoben werden soll. Artemis 3 soll statt dessen zu einem rudimentären, nur aus Antriebsmodul und einer kleinen Wohneinheit mit Andockstellen bestehenden LOP-G fliegen, und die Crew soll dort in eine zuvor von einer kommerziellen Rakete deponierte kommerzielle Mondlandefähre umsteigen. Die Fähre soll aus drei Elementen bestehen, einem Transfer-Element für den Flug zum niedrigen Mondorbit, einem Abstiegselement für die Landung und einem Aufstiegselement für die Rückkehr zum Gateway. Nach dieser ersten Mission sollen die Elemente zukünftig wiederbetankbar (zum Beispiel mit aus Mondeis hergestelltem Wasserstoff und Sauerstoff) und somit wiederverwendbar sein.

Aufträge über Studien zu den Elementen der Fähre wurden im Mai an 11 Bieterfirmen ausgeschrieben, darunter Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos, der im Mai mit viel Tamtam einen geplanten robotischen Lander namens Blue Moon der Öffentlichkeit präsentierte, welcher 6,5 Tonnen Nutzlast auf dem Mond landen können soll. Das wären 40 Prozent mehr als die Masse der vollgetankten Aufstiegsstufe der Apollo-Mondfähre und somit potenziell geeignet, das Aufstiegselement für das Artemis-Projekt zu tragen. Blue Origin verfügt dank ihrer New-Shepard-Rakete, die bereits zehn Mal erfolgreich geflogen ist und noch in diesem Jahr Touristen auf über 100 Kilometer Höhe tragen soll, über hinreichende Erfahrung im Senkrechtlanden von Raumfahrzeugen. 3 robotische Lander wurden bereits in Auftrag gegeben.

Bei Apollo führte man vor der Mondlandung vier astronautische Missionen durch, um nacheinander das Raumschiff, den Flug zum Mondorbit, die Mondlandefähre im Erdorbit und ihren Landeanflug auf den Mond zu testen – bei Artemis sind nur zwei Testflüge vor der Landung geplant, davon einer ohne Crew. Das Risiko ist groß, wenn man bei vermeintlich verzichtbaren Tests Zeit zu sparen versucht. Flöge die Artemis-1-Mission im kommenden Juni mit Hilfe von privaten Raketen zum Mond, dann wären beim ersten gemeinsamen Flug von SLS und Orion bereits Menschen an Bord – es wäre der zweite Flug des SLS, das 2022 eine Sonde zum Jupitermond Europa starten soll.

Um 2022 bereits den Artemis-2-Flug durchzuführen, müsste nun statt der dann noch nicht bereit stehenden EUS- die ICPS-Oberstufe verwendet werden. Diese müsste zu diesem Zweck erst für den astronautischen Flug qualifiziert werden, zum Beispiel durch den Einbau zusätzlicher Sensoren und Sicherheitssysteme, die es den Astronauten erlauben, den Zustand der Stufe besser zu überwachen und gegebenenfalls rechtzeitig eingreifen zu können. Die Landemission würde dann mit der vorher nicht im Verbund mit den anderen Komponenten getesteten EUS erfolgen. Das klingt alles überhastet und nicht besonders vertrauenerweckend – und alles nur, damit Trump als Präsident in die Geschichte eingeht, der die Amerikaner auf den Mond zurückgebracht hat. "Wollen Sie Astronauten töten? Denn so tötet man Astronauten!" empörte sich Holly Griffith, eine Ingenieurin der Orion-Kapsel, gegenüber der Presse.

Mond und Mars, Asteroiden, Mars, Mondumlaufbahn und dann Mars, Mondoberfläche und irgendwann Mars – nichts ist mehr übrig von der zielstrebigen Effizienz der Apollo-Jahre. Seit fast 20 Jahren irrt die NASA von verschiedenen Präsidenten gestellten beweglichen Zielen mit vom Senat und Kongress dazu inkompatiblen gesetzten Vorgaben hinterher und ist nur noch darin effizient, große Mengen Geld zu verbrennen. Dass sie es ohne viel Einmischung der Politik auch anders kann, beweist sie mit ihren sehr erfolgreichen Raumsondenmissionen. Derweil rüsten sich private Firmen wie SpaceX oder Blue Origin befreit von politischen Zwängen die Raumfahrt zu revolutionieren. Blue Origin baut nicht nur einen Mondlander, sondern auch eine teilweise wiederverwendbare Schwerlastrakete, die 2021 zum ersten Male fliegen soll, und SpaceX arbeitet an der voll wiederverwendbaren Starship- und Superheavy-Kombination, die ebenfalls 2021 starten und 2023 den japanischen Milliardär Yusaku Maezawa mit einer Gruppe von Künstlern um den Mond fliegen soll.

Die größtenteils wiederverwendbare SpaceX Falcon Heavy hievt heute schon für 150 Millionen Dollar die Hälfte der Nutzlast ins All, welche die Wegwerfrakete SLS mit ICPS für geschätzte eine Milliarde pro Flug in den Orbit befördern soll, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der nächste US-Präsident die derzeitigen NASA-Pläne auf Eis legt. Es war noch nie so schwer zu sagen, wer wann und mit welchem Vehikel als nächstes seinen Fuß auf welchen Himmelskörper setzen wird. Aber die Chance besteht weiter, dass es keine zehn Jahre mehr dauern wird.

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(jk)