75 Jahre UKW in Deutschland: Die "Welle der Freude" wogt weiter

1949 beginnt in Deutschland das Zeitalter des Ultrakurzwellenradios. Der kriegsbedingte Verlust von Mittelwellenfrequenzen verschafft dabei einen Vorsprung.

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HiFi-Anlage

(Bild: Hadrian/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Karl-Gerhard Haas

Am 28. Februar 1949 geht in München-Freimann der erste UKW-Sender Deutschlands auf Sendung – fast drei Monate vor Gründung der damals nur die westlichen Besatzungszonen umfassenden – Bundesrepublik. Einen Tag später funkt der damalige Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR, später in NDR und WDR geteilt) aus Hannover auf dem bis dahin fürs Radio ungenutzten Frequenzband – zunächst im Bereich von 87,5 bis 100 Megahertz (MHz, Millionen Schwingungen pro Sekunde). Nicht nur die deutlich über den Bändern für Lang-, Mittel- und Kurzwelle liegenden Frequenzen sind neu: Das Revolutionäre ist die Nutzung der bereits in den späten 1920ern in den USA konzipierten Frequenzmodulation (FM). Lang-, Mittel- und Kurzwelle nutzen die technisch einfacher realisierbare, aber störanfällige Amplitudenmodulation (AM).

Gerüchten zufolge soll der in München federführende Bayerische Rundfunk den eigentlich gemeinsam mit NWDR geplanten UKW-Start einen Tag vorgezogen haben, um den Nordlichtern eins auszuwischen. Andere Quellen nennen eine an dem Tag in München stattgefundene Konferenz der Radioindustrie als Grund. Was immer stimmt: Kaum jemand bekommt diesen kleinen Triumph mit, denn auf dem freien Markt gibt es noch keine UKW-tauglichen Empfänger – einigen Entscheidern stellt der Münchner Messtechnikspezialist Rohde & Schwarz Radios zur Verfügung. Dem gemeinen Radiohörer werden fürs Erste Vorschalttuner angeboten, mit denen alte Empfänger den neuen Frequenzbereich und die neue Modulationsart einfangen können.

Trotz des zögerlichen Starts: In der Folge bauen die in BRD und DDR aktiven Sender ein Netz von UKW-Masten auf, etwa drei Jahre nach dem Münchner UKW-Start funken alle in Deutschland tätigen Stationen auch auf UKW. Die Radiohersteller haben reagiert und bieten neue Empfänger mit integriertem UKW-Teil an – und die klangliche Überlegenheit der Technik ist so groß, dass sie schnell "Welle der Freude" tituliert wird. Der Gründungs-Chefredakteur der Programmzeitschrift "Hör zu", Eduard Rhein, frohlockt am 6. März 1949: "Auf (UKW) kann ein völlig störungsfreier Rundfunk von einer bisher noch nie erreichten Klangtreue durchgeführt werden und auf diesen Wellen können wir eines Tages sogar den plastischen Rundfunk verwirklichen." Er meint die stereophone Übertragung – nur kommt die erst 1963.

Aber auch in Mono ist die Überlegenheit von FM ohrenfällig. Der größte Nachteil der ultrakurzen Wellen, ihre im Vergleich zu Mittelwellen geringere Reichweite, stört im durch den Zweiten Weltkrieg ohnehin geschrumpften Deutschland wenig. Der zügige Aufbau eines dichten Sendernetzes durch die Sender der ARD und des DDR-Staatsfunks tut ein Übriges.

75 Jahre UKW-Radio (26 Bilder)

(Bild: SWR)

Die Sender werben ihrerseits für die neue Technik, denn der bessere Ton verdichtet den Kontakt zu den Hörern. 1954 erscheinen die ersten Transistorradios – frühe Modelle empfangen zwar nur Mittelwelle, aber bald taugen auch sie für UKW-Signale. Vor Walkman, MP3-Spielern und Smartphone sind Taschen- und Kofferradios beliebte musikalische Unterhalter außerhalb der eigenen vier Wände.

Der Erfolg überzeugt den Rest der Welt: In vielen Ländern baut man Sender für die neue Technik ebenfalls zügig auf. Gegen Ende 1950 funken in Italien bereits acht Masten per FM, die skandinavischen Länder ziehen schnell nach. Auch im Erfinderland USA baut man das UKW-Netz aus. Wegen seiner viel größeren Fläche – allein der Bundestaat Texas ist doppelt so groß wie ganz Deutschland – ist dort aber klassische Mittelwelle im ländlichen Raum immer noch ein Thema.

Die Idee der Frequenzmodulation wird dem kanadischstämmigen Erfinder Reginald Fessenden zugeschrieben, zur Praxisreife bringt sie ab 1928 der US-Amerikaner Edwin H. Armstrong. 1934 schlägt er sein System der damals mächtigen Radio Corporation of America (RCA) vor, doch die arbeitet lieber an Fernsehen – und mit dem von Nazi-Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg befassen sich Funktechniker in aller Welt bis auf Weiteres mit Radar und Funkverbindungen für die Truppen. Erst nach Kriegsende greift man die Idee wieder auf.

UKW ist zwar mit einem Alter von über 100 Jahren ein Methusalem, seit dem erwähnten Umstieg auf Stereo und der späteren Einführung von RDS technisch aber immer noch auf der Höhe. Dennoch ist es fraglich, ob es noch einen hundertsten Geburtstag geben wird: Die Sender fressen vergleichsweise viel Strom – bei ähnlicher Reichweite deutlich mehr als das DAB+Netz. Nicht nur der Strom kostet: Viele Funktürme gehörten der aus der Bundespost hervorgegangenen Telekom – die verschacherte ihre Masten und deren Antennen an Investoren, welche die Preise in die Höhe schrauben. Schließlich ist gerade für jüngere Nutzer alles, was nicht übers Internet kommt, mindestens exotisch und die alte Schule – ganz davon abgesehen, dass ein Teil des Publikums ohnehin lieber personalisierte Streamingdienste nutzt.

(mho)