Alltagshilfe Automat

Forscher wollen Robotern beibringen, behinderten Menschen ein selbstständiges Leben zu ermöglichen.

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Von
  • Tom Simonite

Forscher wollen Robotern beibringen, behinderten Menschen ein selbstständiges Leben zu ermöglichen.

Seit zehn Jahren ist Henry Evans teilweise gelähmt und kann nicht mehr sprechen. Ein schwerer Schlaganfall war der Auslöser. Trotzdem hat er sich vor kurzem das erste Mal wieder selbstständig rasiert – mit Hilfe eines Roboters, den Forscher speziell für diesen Zweck programmiert haben.

Die Software dahinter stammt von Wissenschaftlern am Healthcare Robotics Lab (HRL) des Georgia Institute of Technology, die Hardware stellte das bekannte US-Robotik-Start-up Willow Garage.

Evans' Helfer ist ein zweiarmiger PR2. Um den Automaten zu bedienen, bewegt Evans einfach einen Cursor über einen Bildschirm – mit Hilfe eines Systems, das Kopfbewegungen erkennt. Einen Auslöseknopf bedient er mit einem seiner nicht gelähmten Finger. Die Forscher am HRL bauten dazu ein besonderes Nutzerinterface, das auf Evans' Computer läuft. Er erhält so auch Zugriff auf die Kameras im Kopf und in den Armen des Roboters.

Evans kann die direkte Kontrolle übernehmen und die Bewegungen des Roboters im Raum ebenso steuern wie seine Arme. Er kann außerdem auf einen Bereich der Kamerabilder klicken, um dem Roboter mitzuteilen, wo er seine Greifer positionieren soll und wo ein Objekt zu fassen wäre.

Ein einfaches Beispiel: Wenn Evans sich am Gesicht kratzen will, muss er nur auf seinen Kopf im Video klicken, damit der PR2 seinen Greifer nah genug heranfährt, dass er das Gesicht berührt. Ähnlich läuft die Morgentoilette, wenn zuvor ein elektrischer Rasierer an die Greifer montiert wird. Evans kann den Roboter außerdem nutzen, um Objekte aufzunehmen und sie in Schubladen im nächsten Raum einzusortieren.

"Immer dann, wenn Henry allein ist, kann er so gut wie nichts tun", sagt Willow-Garage-Chef Steve Cousins. "Wir zeigen, wie Roboter Menschen in einer solchen Situation ein Stück Unabhängigkeit zurückgeben können." Die Forscher wollen nun weitere Testpersonen einladen, um zu zeigen, dass es viele Situationen gibt, in denen ein Roboter behinderten Menschen helfen kann.

Allerdings kann Evans mit dem PR2 noch nicht alleine gelassen werden. "Das erste Mal, als er sich die Nase kratzen wollte, hatten wir etwas Angst", räumt Cousins ein. Noch müssen Ingenieure dabei stehen, weil der Roboter seine Umgebung nur rudimentär erkennt und Evans verletzen könnte. "Wir müssen noch jede Menge Arbeit investieren." Es werde dauern, bis der Roboter wirklich verlässlich helfen kann, ohne dass ihm wiederum jemand hilft.

Um PR2 und Software sicherer zu machen, müsste das System intelligenter auf Kommandos reagieren und mit unerwarteten Zuständen besser umgehen lernen – etwa, wenn eine Person im Weg steht.

Einige dieser Verfeinerungen sind bereits in Arbeit. Willow-Garage-Ingenieure und Forscher vom Rensselaer Polytechnic Institute entwickelten vor kurzem eine Software, die dem Roboter erlaubt, selbständig herauszufinden, wie er ein Objekt am Besten greift.

Rajiv Dubey, Professor in der Forschungsgruppe Rehabilitationsroboter an der University of South Florida, sieht in leistungsfähiger Hardware wie dem PR2 ein großes Potenzial. Seine Gruppe arbeitet derzeit an einem Roboterarm, der sich an einen Rollstuhl anbringen lässt und experimentiert mit neuen Hirn-Computer-Schnittstellen.

Eine so hohe Intelligenz wie der Mensch benötigen Roboter, die Behinderten helfen sollen, aber zum Glück nicht. "Es muss nicht alles autonom geschehen", sagt Dubey. Schließlich sei ja stets der Nutzer dabei. "Es geht darum, dessen kognitive Fähigkeiten mit der Computerleistung des Roboters zu verbinden."

In Zukunft könnte das dann so aussehen, dass ein Nutzer nur noch auf etwas deuten muss, damit der Automat seinen Job ohne Hilfe erledigt – auch das Kratzen am Kinn. (bsc)