Antibiotika-Verbrauch steigt wieder an – Statistik der Woche
Der passgenaue Einsatz von Antibiotika, ohne Resistenzen zu befördern, bleibt ein Balanceakt.​ Wie der Verbrauch aussieht, zeigt unsere Infografik.
- René Bocksch
Antibiotika – diese Wunderwaffe ist seit ihrer Entdeckung unersetzlich bei der Behandlung von bakteriellen Infektionen. Doch der schmale Grat zwischen Nutzen und Risiko wird sichtbarer, da Missbrauch und Übergebrauch den Boden für eine noch größere Bedrohung bereiten: multiresistente Keime. In Deutschland, wie auch global, ist die Antibiotikaresistenz längst zum ernst zu nehmenden Problem geworden.
Laut Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK steigt die Anzahl der Antibiotikaverordnungen in Deutschland – nach der pandemiebedingten Atempause wieder ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Gleichzeitig ist der Anteil der genutzten Reserveantibiotika, also solcher, die nur in schweren Bedarfsfällen zum Einsatz kommen, innerhalb der letzten fünf Jahre deutlich gesunken. Doch die Balance zwischen maßgeschneidertem Einsatz und Übergebrauch bleibt fragil.
Todesfälle in Zusammenhang mit multiresistenten Bakterien
Die Resistenzentstehung ist kein neues Phänomen, aber ihre Geschwindigkeit und ihr Ausmaß sind besorgniserregend. Der fahrlässige Umgang mit Antibiotika fördert die Bildung sogenannter "Superbugs". Das sind Bakterienstämme, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind und somit herkömmlichen Behandlungen trotzen. Die Konsequenzen sind gravierend: verlängerte Krankheitsverläufe, steigende Behandlungskosten und erhöhte Sterblichkeit.
Gemäß einer aktuellen Studie zur Antibiotikaresistenzsterblichkeit des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten kommt es in Europa jährlich zu etwa 31.000 bis 39.000 Todesfällen im Zusammenhang mit multiresistenten Bakterien. Den Daten zufolge gehören Griechenland, Italien, Rumänien und Zypern zu den europäischen Ländern, die am stärksten von diesem Problem betroffen sind, mit jährlichen Sterberaten von zwischen 10 und 20 Todesfällen pro 100.000 Einwohner (2016 bis 2020). Die niedrigsten Sterberaten auf dem Kontinent wurden in den Niederlanden und Norwegen verzeichnet (2 pro 100.000 Einwohner), in Deutschland sind es jedes Jahr etwa 6.000 Todesfälle.
Dass Medikamente bei bakteriellen Infektionen keine Wirkung mehr zeigen, ist eine weltweit verbreitete Sorge, wie Daten der Statista Consumer Insights bestätigen. Demnach sind vor allem die Befragten in Brasilien wegen Antibiotikaresistenz in Sorge – der Anteil der Umfrageteilnehmer, die nach eigenen Angaben eher oder sehr besorgt sind, beträgt hier rund 61 Prozent. In Deutschland haben etwa 45 Prozent angegeben, dass resistente Keime und die Wirkungslosigkeit von Medikamenten sie beunruhigt.
(jle)