Apple M1: Der Anfang von Intels Ende – oder nicht?

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Der Qualcomm-ARM-Chip im Microsoft Surface Pro X (2020) kommt nicht an x86-Prozessoren heran.

Selbst wenn jedoch ein anderer schneller ARM-Konkurrent zu Intel Core i und AMD Ryzen auf den Markt kommt, hätte ein damit bestücktes Windows-10-Notebook Nachteile: Obwohl Microsoft seit Jahren am ARM-Windows tüftelt, läuft noch immer keine 64-Bit-x86-Software darauf. Microsoft hat noch nicht einmal alle eigenen Anwendungen vernünftig portiert, ARM-kompatible Windows-Programme sind Mangelware. Microsoft kann zudem nicht damit werben, dass eine Fülle von Mobil-Apps auf ARM-Notebooks läuft.

Während also Apple komplett auf ARM umsteigt und klare Vorteile verspricht, baut Microsoft eine ARM-Schiene parallel zur etablierten x86-Welt auf und kommt dabei obendrein nur zäh voran. Das kann sich künftig ändern, aber der bisherige Fortschritt deutet darauf hin, dass das noch eine ganze Weile dauert.

Wenn Apple von Intels Stange geht, verliert Intel Umsatz. Apple ist derzeit zwar der weltweit viertgrößte PC-Verkäufer (hinter Lenovo, HP und Dell), hat aber nach Stückzahlen weniger als 7 Prozent Marktanteil. Intel macht derzeit weniger als 60 Prozent Umsatz mit PC- und Mobilprozessoren, sodass durch einen kompletten Apple-Abgang nicht viel mehr als 5 Prozent Schwund von gesamten Intel-Umsatz drohen. Intel arbeitet ohnehin darauf hin, den Umsatzanteil der„Client Computing Group“ (CCG) zu mindern, indem andere Sparten wachsen.

Auch in vielen Chromebooks wie dem Lenovo C630 stecken x86-Prozessoren.

Zunächst ist also der Image-Schaden für Intel deutlich größer als der finanzielle Verlust, schließlich gehört Apple zu den bekanntesten Marken der Welt. Das x86-Geschäftsmodell insgesamt gerät erst dann ins Wanken, wenn deutlich mehr schnelle oder billige ARM-Notebooks mit Windows 10 den Markt fluten. Danach sieht es bisher aber nicht aus.

Es gibt allerdings mehrere Unbekannte in dieser Gleichung. So könnte es Apple etwa einfallen, billigere MacBooks etwa für Schülerinnen und Schüler zu verkaufen, um Marktanteile gegen Windows und Chromebooks zu holen – letztere sind in US-Schulen beliebt. Auch bei Smartphones und Fitnessuhren fischt Apple schließlich mit billigeren SE-Modellen in preisempfindlicheren Käuferschichten. Könnte Apple mit einem „MacBook SE“ seinen Notebook-Marktanteil enorm steigern, würde der Schaden für das x86-Lager größer.

Denkbar ist auch, dass ein weiterer finanzstarker IT-Gigant wie Google oder Microsoft ein schlagkräftiges ARM-SoC-Team zusammenstellt. Wahrscheinlichster Kandidat ist Microsoft, weil man sich hier – siehe Surface – deutlich erkennbar am Apple-Vorbild orientiert. Microsoft verkauft allerdings keine 200 Millionen Smartphones jährlich, was Apple die Amortisierung der ARM-SoC-Entwicklungskosten sehr erleichtert. Microsoft könnte aber sowohl an eigenen ARM-Server-SoCs Interesse haben als auch an einem kommenden Spielkonsolenchip mit ARM-Technik. Doch die Stückzahlen liegen hier weitaus niedriger als bei Smartphones.

Schließlich könnte im bisherigen Wachstumsmarkt China Unvorhergesehenes passieren: Dort strebt man nach mehr Unabhängigkeit von westlicher Technik, beispielsweise von Microsoft Windows und x86-Prozessoren. 2019 erzielte Intel laut Geschäftsbericht 28 Prozent des gesamten Umsatzes in China inklusive Hongkong. Eine Abkehr von x86 in China würde Intel deshalb hart treffen.

Das größte Risiko für Intels Geschäftsmodell liegt derzeit freilich bei Intel selbst: Wegen der mittlerweile jahrelang währenden Schwierigkeiten mit der 10-Nanometer-Fertigungstechnik und schon jetzt absehbaren Verzögerungen von 7-Nanometer-Chips liegt Intel weit hinter dem CPU-Zeitplan. Das wiederum trägt dazu bei, dass nicht nur Apples M1 dermaßen gut aussieht, sondern auch AMDs Ryzens und Epycs (letztere für Server).

Ob mit oder ohne „Apple Silicon“: Intel muss wieder in die Puschen kommen, denn die Welt dreht sich ungerührt weiter. Intels wichtigste Probleme sind weder Apple M1 noch AMD Ryzen, sondern hausgemachte Pleiten und Pannen. Apple verlässt das x86-Schiff, das aber deshalb nicht gleich sinkt – sofern Intel und AMD einen guten Kurs finden.

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(ciw)