Aufforstung: Wie es um die grünen Mauern in Afrika und China steht

Breite Grüngürtel sollen die Ausbreitung der Sahara und der Wüste Gobi verhindern. Doch die Projekte laufen anders als gedacht.

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(Bild: GGW (Great Green Wall))

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Auf seiner ersten großen Forschungsreise rund um die Sahara fiel dem britischen Forstwissenschaftler Richard St. Barbe Baker bereits 1952 auf, dass sich die Sahara gen Süden ausdehnt. Seine Idee: Eine 50 Kilometer breite "Grüne Front" aus Wald von Ost nach West könnte den Vormarsch aufhalten.

31 Jahre später nahm Thomas Sankara diese Idee auf und startete an der Nordgrenze des damaligen Obervolta ein Baumpflanzprojekt. Er war der heute noch verehrte erste Präsident von Burkina Faso. Mit seiner Ermordung 1987 starb auch sein Vorhaben.

Noch einmal 30 Jahre später rief dann die Afrikanische Union (AU) 2007 die "Initiative Große Grüne Mauer der Sahara und des Sahel" (GGWSSI) ins Leben. Das ursprüngliche Ziel war, einen 15 Kilometer breiten Waldgürtel von 7.775 Kilometern Länge von Dschibuti am Horn von Afrika, nach Westen bis nach Dakar im Senegal anzupflanzen.

Ein rund 8.000 Kilometer langer und 15 Kilometer breiter Baumkorridor von der West- bis zur Ostküste soll der Wüstenbildung Einhalt gebieten. 21 Länder beteiligen sich auch jenseits der Sahelzone an dem Projekt der Afrikanischen Union.

(Bild: Grafik: Technology Review, Quelle: Wikipedia)

Die Sahel-Mauer sollte 100 Millionen Hektar Land begrünen und 250 Millionen Tonnen Kohlenstoff speichern. Doch viele der lokalen Projekte verliefen wortwörtlich im Sande. Bis heute sind gerade einmal 18 Prozent des Grüngürtels realisiert. Es fehlte das Geld.

Doch jetzt zeichnet sich die Kehrtwende ab. Im Januar 2021 verpflichteten sich die Staaten der so genannten High-Ambition-Coalition beim One Planet Summit in Paris 16 Milliarden Dollar bis 2025 für den Weiterbau aufzubringen. Die Koalition ist ein informeller Verbund von Ländern, die sich besonders ehrgeizigen Klimaschutzzielen verbunden fühlen. Denn neben den landwirtschaftlichen und sozialen Ziele sind jetzt auch Klimaaspekte in den Fokus gerückt.

Ganz vergeblich waren die bisherigen Bemühungen nämlich nicht. Die Koordinationsorganisation "Great Green Wall Accelerator" listet auf, dass in den beteiligten Ländern seit 2005 immerhin 350.000 neue Jobs entstanden sind, dass die Bauern insgesamt zusätzliche 90 Millionen Dollar erwirtschafteten, dass 20 Millionen neue Bäume wachsen, und dass 10 Millionen Menschen in nachhaltigem Wasser- und Landmanagement fortgebildet wurden.

Wissenschaftler des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn (ZEF) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der UN in Rom konnten darüber hinaus zeigen, dass sich der Weiterbau der Grünen Mauer auch ökonomisch lohnt. Jeder aufgewendete US-Dollar für den Weiterbau der Mauer dürfte im Schnitt eine Rendite von mindestens 20 US-Cent abwerfen.

Es reiche aus, so die Forscher, wenn weitere 27,9 Millionen Hektar restauriert werden, damit sich in höchstens zehn Jahren die Maßnahmen auch sozial in besseren Lebensbedingungen auswirken. Doch wegen der zahlreichen gewaltsamen Konflikte vor allem in Mali und in Nord-Nigeria dürften davon derzeit nur 14,1 Millionen Hektar zugänglich sein.

Trotz der nach wie vor weiter wandernden Sahara konnten die Forscher für den Zeitraum bis 2018 in Niger, Nigeria, Sudan und Äthiopien Gegenden ausmachen, in denen die Wiederherstellung des Bodens sowohl wirtschaftlich lohnend, als auch ökologisch nachhaltiger geworden ist. Die neuen Pläne gehen deshalb jetzt von einem langen Mosaik aus Wäldern und wieder ergrünten Feldern aus, die in Zukunft die ländliche Entwicklung, die Milderung und Anpassung an den Klimawandel, die Ernährungssicherheit und die Beteiligung der Menschen stärker unterstützen.

Auf der Nordseite der Sahara gibt es ebenfalls einen Aufschwung. Algerien plant seit 2021 wieder, sich der Ausbreitung der Wüste erneut in den Weg zu stellen. Als Grüner Damm, Barrage Vert, sollen jetzt zunächst 43 Millionen neue Büsche und Pinien in einem Streifen am Fuß des Atlas-Gebirges die Biodiversität schützen und die Ernährung auch für zukünftige Generationen sichern. Das Vorhaben war 1968 das wichtigste Projekt des damaligen Revolutionsrates, nachdem der grausame Kolonialkrieg Frankreichs weite Teile des Landes verödet und damit der Wüste ausgesetzt hatte. Nach anfänglichen Fortschritten versandeten die Ambitionen für viele Jahre und leben jetzt wieder auf.

Das größte Aufforstungsprojekt der Welt entsteht aber in China: die Grüne Große Mauer. Eigentlich heißt sie übersetzt "Drei-Norden-Schutzwald-Projekt", wobei mit den drei Norden die Regionen Nordwest-, Nord- und Nordost-China an der Südgrenze der Wüste Gobi gemeint sind. Zwar ist sie mit 4.500 Kilometern nicht so lang, wie das afrikanische Pendant, dafür aber stellenweise bis zu 1.500 Kilometer breit.

Mit ihr will China die Fehler der Vergangenheit rückgängig machen. Denn dass sich die Gobi zur am schnellsten wachsenden Wüste der Erde entfalten konnte, lag an einer Kombination aus massiver Abholzung und Überweidung an ihrem Rand, verschärft durch starke Winde, die die Bodenerosion zusätzlich intensivierten. Die berüchtigten "Gelber Drache" genannten Stürme tragen den Sand bis nach Peking, manchmal sogar bis nach Japan und Korea.

Die Bewaldungskampagne begann 1978 und wird nicht vor 2050 beendet sein. Dann soll es 350.000 Quadratkilometer neuen Wald geben, eine Fläche, so groß wie Deutschland, die den Bewohnern später auch Holz als Wirtschaftsgut liefern soll.

Eine Analyse chinesischer Wissenschaftler aus dem Jahr 2011 ergab jedoch, dass in einigen Gegenden bis zu 85 Prozent der Pflanzungen fehlgeschlagen sind, weil die ausgewählten nichtheimischen Arten abstarben. Die, die es schafften, saugten einen großen Teil des Grundwassers auf, was die Bodenqualität wieder verschlechterte. Zunehmend droht jetzt auch noch der Klimawandel die Lage zu verschärfen.

Doch immerhin wurden Tausende Hektar Wanderdünen stabilisiert und die Häufigkeit von Sandstürmen ging zwischen 2009 und 2014 landesweit um ein Fünftel zurück.

Aber Jennifer L. Turner, Direktorin des China-Umwelt-Forums am Woodrow Wilson Forschungszentrum in Washington, an dem auch chinesische Wissenschaftler tätig sind, ist skeptisch: "Das Ausmaß, in dem die Programme die ökologischen und sozioökonomischen Bedingungen vor Ort verändert haben, ist immer noch unzureichend bekannt, da lokale Statistiken oft nicht verfügbar oder unzuverlässig sind." Hinter dem Erfolg grüner Mauern steht also immer noch ein Fragezeichen.

(jle)