Aufzüge als Energiespeicher in Wolkenkratzern
Fahren tonnenschwere Sandcontainer mit Aufzügen auf und ab, können sie als effiziente, dezentrale Strompuffer dienen.
- Jan Oliver Löfken
Weltweit sind Gebäude für rund 40 Prozent des Strombedarfs verantwortlich. Mit Solarmodulen auf Dächern und Fassaden könnten sie zumindest einen Teil ihres Stroms für Klimaanlagen, Heizung oder Beleuchtung selbst erzeugen. Doch für eine zuverlässige, dezentrale Stromnutzung sind Speicher nötig, um Schwankungen zwischen Erzeugung und Bedarf auszugleichen.
Ein internationales Forscherteam um Julian Hunt vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) im österreichischen Laxenburg schlägt nun für Hochhäuser den Einsatz der ohnehin vorhandenen Aufzüge vor. Wird mehr Solarstrom erzeugt, sollen schwere Lasten in obere Stockwerke transportiert werden. Steigt der Strombedarf, fahren diese Lasten wieder hinab und treiben dabei einen Generator an.
Infrastruktur speichert Strom
"Mit diesen Aufzug-Speichern erfüllen die bereits eingebaute Infrastruktur und regenerative Bremssysteme einen zweiten Zweck – als Energiespeicher", sagt Hunt. Sein Konzept: In einem Hochhaus sollen einige tausend kleine Container mit feuchtem Sand gefüllt werden. Jeweils eine Tonne schwer werden diese mit autonom fahrenden Plattformen aus einem Lager – etwa in der Tiefgarage – in einen Aufzug gefahren und in obere Etagen transportiert. Dort könnten sie in Serviceräumen oder sogar in leer stehenden Wohnungen und Büros zwischengelagert werden. Steigt nach einigen Stunden oder wenigen Tagen der Strombedarf, wird bei der Rückkehr in die Tiefgarage die gespeicherte Lageenergie wieder in Strom umgewandelt.
Für ein 50 Meter hohes Haus schätzten die Forscher die Speicherkapazität beim Einsatz von 5000 Containern auf 545 Kilowattstunden ab. Für einen 300 Meter hohen Wolkenkratzer steigt dieser Wert sogar auf knapp 2200 Kilowattstunden an. Je mehr Container eingesetzt werden, desto höhere Speicherkapazitäten wären möglich. Sinnvoll halten die Forscher solche Aufzug-Speicher in Metropolen wie New York, Tokio oder Singapur mit einer großen Hochhausdichte. Weltweit schätzen sie die Speicherkapazität grob auf 30 bis 300 Millionen Kilowattstunden.
Praktische Probleme
Auch wenn Aufzug-Speicher technisch umsetzbar sind, müssen auch die Kosten betrachtet werden. Die Rechenmodelle von Hunt und Kollegen ergeben für ein Hochhaus mit einer mittleren Höhendifferenz von 50 Metern etwa 12 Cent pro Kilowattstunde. Steigt die Höhendifferenz in Wolkenkratzern auf bis zu 300 Metern an, sinken die Speicherkosten auf gut zwei Cent pro Kilowattstunde. Damit lägen sie heute deutlich unter den Speicherkosten von Lithium-Ionen-Batterien von 15 bis 20 Cent/kWh. Dieser Vorteil schrumpft allerdings im Vergleich zu günstigeren, ausgedienten Akkus aus Elektroautos. Lithium-Ionen-Batterien benötigten zudem deutlich weniger Platz in einem Hochhaus als die Sandcontainer.
So reizvoll die Idee des Aufzug-Speichers sein mag, bleiben nicht zuletzt offene Fragen: Wie intensiv muss ein solches System gewartet werden? Akzeptieren Bewohner oder Bürokräfte autonom fahrende Sandcontainer, selbst wenn eine Konkurrenz um Platz im Aufzug zu Stoßzeiten vermieden würde? Und steht immer genug Lagerraum gerade in den teuren, oberen Etagen zur Verfügung? All diese Themen müssen Hunt und sein Team noch bearbeiten.
(bsc)