Auge kontrolliert Computer

Die schwedische Firma Tobii hat eine alternative Steuerungstechnik fĂĽr Windows-Computer entwickelt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die schwedische Firma Tobii hat eine alternative Steuerungstechnik fĂĽr Windows-Computer entwickelt.

Die Art, wie man Rechner bedient, ändert sich nur langsam: Um Laptops zu kontrollieren, verwenden die meisten Nutzer normalerweise Tastatur und Trackpad, bei Tablets und Smartphones kommen noch Wischgesten direkt auf dem Bildschirm hinzu. Die schwedische Firma Tobii will nun eine weitere und noch deutlich bequemere Nutzungsform etablieren: Der Mauszeiger auf dem Bildschirm soll künftig freihändig über Augenbewegungen kontrolliert werden.

Tobii hat Erfahrungen auf dem Gebiet: Das Hauptgeschäft der Firma aus Danderyd bei Stockholm liegt bei sogenannten Eyetrackern, die in der Marktforschung eingesetzt werden. Mit diesen Geräten ist es möglich, genau zu beobachten, welche Teile eines Bildschirms der Nutzer gerade betrachtet. Werbetreibende können so beispielsweise in Testreihen erkennen, ob Kunden ihrer Reklamebotschaft wirklich folgen. Die Technik hilft aber auch Website-Betreibern und Software-Entwicklern, die User genauer durch ihre Angebote zu lenken und die Nutzerfreundlichkeit insgesamt zu verbessern: Elemente wie Eingabefelder lassen sich mit den Erkenntnissen aus Eyetracking-Studien passender platzieren und Texte so ausrichten, dass sie auch gelesen werden.

Der Standard-Eye-Tracker, den Tobii fĂĽr Studien einsetzt.

(Bild: Tobii)

Das neue Tobii-Steuerungssystem namens "Gaze" baut auf der bereits vorhandenen Eyetracker-Technik der Firma auf, die fĂĽr Desktop-Rechner und Laptops angeboten wird. Die Augenerkennung arbeitet mit einer Kombination aus Infrarot-Leuchtdioden und Kameras. Die IR-LEDs senden Infrarotlicht in Richtung Auge, das von Netzhaut beziehungsweise Augapfel reflektiert wird. Die Kameras erfassen dies; aus den Daten errechnet eine spezielle Software dann den Bereich auf dem Schirm, der gerade betrachtet wird.

Zielgruppe von Gaze sind Besitzer der im Herbst erscheinende neuen Windows-Version 8. Deren "Metro"-Nutzerinterface ist für Tablets optimiert, auf Laptops dagegen mit seinen großen Schaltflächen eher unbequem. Gaze erlaubt deshalb eine kombinierte Nutzung von Trackpad und Auge: Mit dem Trackpad scrollt man die Bildschirmkacheln mit den Programmen, wie man es auf einem Tablet machen würde, mit dem Auge schaut man auf die App, die man starten möchte.

Die Augenerkennung ist kompakt genug fĂĽr Laptops.

(Bild: Tobii)

Auch Links in eine Webbrowser lassen sich ähnlich einfach selektieren: Das Auge wählt aus, das Trackpad bestätigt. Die Kombination hat den Vorteil, dass sie Ungenauigkeiten ausgleicht, die das Eyetracking derzeit noch aufweist: Die Auflösung liegt derzeit je nach Bildschirmgröße bei rund 0,5 Zentimeter.

Tobii will Gaze nicht nur für Windows 8 anbieten, sondern auch in verschiedene Softwarepakete integrieren – etwa im Bereich des Computer Aided Design (CAD) oder in der Telemedizin. Hier kann das Eyetracking beim Begutachten von detailreichen Darstellungen wie technischen Zeichnungen oder Röntgenbildern genutzt werden: Das Auge schaut auf den Bereich, der näher betrachtet werden soll, ein Knopfdruck vergrößert. Henrik Eskilsson, Chef der schwedischen Firma, betont, wie natürlich diese Art der Steuerung sei: "Man schaut auf etwas und zeigt gleichzeitig darauf. Das geht intuitiv und schnell."

Ein Prototyp steuert bereits die Vorabversion von Windows 8.

(Bild: Tobii)

Zunächst wird Gaze allerdings von Tobii nicht an Endkunden verkauft. Stattdessen hofft man, die Technik an Hardwarehersteller zu lizenzieren, die sie dann wiederum in ihre Geräte integrieren. Das hat auch den Grund, dass es noch einen Miniaturisierungsbedarf gibt: Momentan ist der Eyetracker ein Zusatzteil, das aus Desktop-Bildschirm oder Laptop hervorragt. Er müsste integriert sein, um wirklich mobil zu werden.

Geschäftsentwicklungsleiter Anders Olsson sieht in seinem Verfahren einen potenziellen Meilenstein bei der PC-Bedienung: "Im Vergleich zu Tablets wirken Laptops derzeit uralt, wenn man das von der Nutzererfahrung her betrachtet." Mit anderen Worten: Die Augensteuerung könnte den guten alten Personalcomputer wieder trendy machen. Wann Laptops mit eingebautem Gaze auf den Markt kommen, ist derzeit noch unklar. (bsc)