Ausgezwitschert: Mastodon als dezentrale Alternative zu Twitter

Seite 2: Toots, Profile und Hashtags

Inhaltsverzeichnis

Nachdem man ein wenig geschmökert hat, will man vielleicht seinen ersten Tröt absetzen. Die maximal 500 Zeichen dafür sind kein so enges Korsett wie bei Twitter. Bilder und Videos sollten einen beschreibenden Text bekommen, der auch Sehgeschädigten per Screenreader hilft, das Material einzuordnen.

Während zentralisierte Plattformen wie Twitter Inhalte auf Geheiß von staatlichen Autoritäten oder aufgrund eigener Hausregeln filtern, gibt es bei Mastodon keine übergreifenden Regeln. Jede Instanz bestimmt selbst, welche Inhalte sie zulassen will und welche nicht. Aufgrund der geringen Mitgliederzahlen der Instanzen sind Mastodon-Instanzen häufig auch nicht vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz betroffen.

Ein nützliches Extra im Vergleich zu Plattformen wie Twitter: Wenn man beim Abschicken eines Toots Bedenken hat, der Inhalt könnte andere aufwühlen, lässt sich der hinter einem verschleiernden Banner namens "Content Warning – kurz CW – verstecken. Lesende müssen dann zum Betrachten auf das Banner klicken oder tippen.

Anders als im Vogelkäfig Twitter kann man beim Senden jedes Toots und einzeln – also nicht wie bei Twitter nur pauschal für den gesamten Acount – flexibel bestimmen, ob dieser öffentlich oder nur für Follower sichtbar sein soll. Auch wer einem folgen darf, hat man bei Mastodon selbst in der Hand: Man kann man sein Profil sperren, sodass andere zum Folgen erst mal eine Freischaltung abwarten müssen.

Hashtags gibt es auch bei Mastodon, erkennbar am vorangestellten Lattenkreuz. Damit lassen sich schnell Toots zu Themen über das Suchfeld oder durch Klick auf den Hashtag auffinden.

In zentralisierten Diensten wie Twitter hat man bei der Wahl der richtigen Anlaufstelle keine Probleme: Es gibt nur eine, nämlich Twitter. Kommt man dort nicht rein, etwa weil der Staat – wie unlängst Myanmar – einfach die Plattform sperrt oder weil die Plattform selbst den Zugang für bestimmte Personen sperrt, dann wars das. Das dezentral organisierte Mastodon hat hingegen zig Instanzen, über die ein Einstieg möglich ist. Nur: Welche Instanzen sind interessant, welche sollte man sich anschauen und welche davon sollte die Heimat werden?

Etliche Instanzen zeigen auch ohne Anmeldung schon, was dort lokal passiert. Dazu hängt man einfach "/public" an die URL an. Einige Instanzen zeigen dort leider nur die föderierte Zeitleiste an, was immerhin aber einen Gesamtüberblick über den Betrieb dort erlaubt. Mit angehängtem "/explore" erhält man einen Überblick, wer dort so aktiv ist. Diese Seite enthält auch einen Link auf Infos zum Betreiber der Instanz und wie man sie gegebenenfalls finanziell fördern kann.


Kleine Instanzen-Auswahl:


Außer Instanzen für größere Regionen wie dem genannten norden.social gibt es auch welche für Städte, etwa machteburch.social, muenchen.social, fulda.social oder toot.koeln.

Themen und Sprachen bezeichnen in der Regel Schwerpunkte – ein Post darin kann auch mal off topic sein. Wer IT-technisch zwei linke Hände hat, wird sich auf einer Informatiker-Instanz weniger wohlfühlen.

Auf Mastodon-Instanzen finden sich einige interessante Accounts zum Folgen: Unter @bfdi@social.bund.de postet der Bundesbeauftragte Ulrich Kelber für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, er hat sogar eine eigene Instanz (https://social.bund.de), ebenso der Datenschutzbeauftragte für Baden Württemberg, Stefan Brink, der unter https://bawü.social/@lfdi zu finden ist. Tatsächlich muss man aber genau hinsehen, wer die jeweiligen Accounts betreibt. Der Account @heise_security@social.tchncs.de ist beispielsweise ein inoffizieller Bot für aktuelle Meldungen, den offenbar ein Fan aufgesetzt hat.

Beim Finden der Heimatinstanz geht man anders vor als vielfach gewohnt: Bei gleichgelagerten zentralisierten Netzwerken macht meist das dickste Schiff das Rennen. Gegen Facebook hat beispielsweise StudiVZ keine Chance mehr. Und wer in einem "Nischennetzwerk" ist, bleibt unter sich. Bei Mastodon ist es egal, wo man seine Heimatinstanz setzt. Hier sucht man sich eine, die am besten zu einem passt, etwa wo schon Freunde tröten oder bei der die lokale Timeline interessant ist.

Der Umzug von einer Instanz zu einer anderen ist nicht ungewöhnlich, zum Beispiel, wenn ein Betreiber seine Plattform schließt oder wenn man das Klima dort nicht mehr mag. Der Weg führt über das Menü "Einstellungen", das einen Workflow dafür vorsieht. Dabei kann man all seine Daten, Toots und Follower mitnehmen. Auch Zweit- und Dritt-Accounts auf anderen Instanzen sind verbreitet, etwa um Beruf und Privatleben zu trennen.

Einige Websites helfen bei der Auswahl: Über https://instances.social findet man rund 3900 Mastodon-Instanzen. Ein Wizard fragt nach der bevorzugten Sprache, der gewünschten Größe der Instanz, nach Ausschlussgründen im Regelwerk, etwa für Spam oder nicht jugendfreie Inhalte. Eine Trefferliste zeigt Kurzbeschreibungen der passenden Instanzen, die man nach Suchwörtern weiter filtern kann. Im Expertenmodus gibt es weitere Sortier- und Analysehilfen. Leider sind die Treffer nicht sehr genau. So finden sich auch mit dem Sprachfilter "Deutsch" noch etliche der Beschreibung nach anderssprachige Instanzen.

Deutlich weniger Server, nämlich nur ausgewählte, listet die Homepage von Mastodon, www.joinmastodon.org. Sie sind nach Kategorien sortiert und darin weiter nach der Sprache. Wer nach einer deutschsprachigen Heimat in seiner Nähe sucht, wird dort am ehesten in der Rubrik "Regional" fündig – in den anderen Rubriken finden sich kaum deutschsprachige Instanzen. Viele deutschsprachige Instanzen führt auch www.thefederation.info mit insgesamt rund 3000 Einträgen.

Clients für Mastodon
Name Plattform Bemerkung
Desktop
Hyperspace Linux, macOS, Windows designorientiert, etwas verspielt
Sengi Linux, macOS, Windows starker Fokus auf Multi-Account-Nutzer
Tootle Linux, macOS einfach designt
Telephant Linux, macOS, Windows ressourcenschonender Client, Multi-Accounts
Whalebird Linux, macOS, Windows Client für Mastodon, Pleroma, Misskey
Mobil
Amaroq iOS kostenlos, recht weit verbreitet
Mast: iOS kostenpflichtig, In-App-Käufe, designorientiert
Mercury for Mastodon iOS kostenlos, In-App-Käufe
Tusky Android verbreitet, kostenlos, einfach designt
Fedilab Android kostenlos, für Mastodon, Pleroma und andere
SubwayTooter Android Multi-Account, Pseudo-Account-fähig
Tooter Sailfish OS Open Source
Kommandozeile
mastotool Linux, macOS, Windows Statistiken / Suche in eigenen Toots
toot plattformübergreifend, benötigt Python Text-UI, direktes Tooten
tootstream plattformübergreifend, benötigt Python Text-UI
mastodon-backup plattformübergreifend, benötigt Python lesbares Archiv eigener Toots, Favoriten und Medien

Mastodon als dezentral organisiertes soziales Netzwerk bietet die Chance, einen Austausch unter transparenten Regeln mit anderen zu pflegen, ohne gleich in einer Bubble von Gleichgesinnten zu verschwinden – denn die föderierte Zeitleiste ist immer das Fenster nach draußen. Ähnlich wie bei Twitter kann man bei Mastodon mit Filter- und Suchfunktionen den Nachrichtenstrom in handhabbare Dimensionen drücken. Somit kann Mastodon schnell auch sehr nützlich werden, und da muss man auch nicht befürchten, auf Twitter verzichten zu müssen. Auch auf Mastodon werden Links auf Twitter-Nachrichten gepostet.

(mil)