Bauen wie gedruckt

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In ihm entstehen 50 Zentimeter breite und rund 2,50 Meter hohe Wandsegmente mit einem Sprüharm, der zickzackförmig seine Bahn zieht. Wie Zahnpasta aus der Tube quillt dabei eine wurstförmige graue Masse aus einer Düse. Sieben dünne Streifen nebeneinander bilden eine Schicht der Wand. Noch sind die Bauteile recht klein und müssen wie mit Fertigteilen auf der Baustelle montiert werden, weil die Stabilität des Baustoffs noch nicht hoch genug ist.

"Diese Wände wurden auf der Baustelle senkrecht aufgerichtet, mit einem Kran auf herkömmliche Stahlträger gesteckt, mit Drahtgestellen verbunden und schließlich die Hohlräume mit Isolierstoffen gefüllt", erklärt Ma YiHe, Geschäftsführer von Shanghai WinSun Engineering. Die waagerechten Deckenplatten werden ebenfalls von Stahlträgern gehalten. Lediglich die Fenster wurden nach der gewohnten Bauweise separat geliefert und eingesetzt. Seinen Werkstoff nennt Ma YiHe "Crazy Magic Stone" und verrät nur so viel: "Es ist eine Mixtur aus Zement, gemahlenem Bauschutt, Glas und Industrieabfällen – vermischt mit einem Stoff, dessen Zusammensetzung geheim gehalten wird." Er sorgt dafür, dass der Beton schnell genug aushärtet, um nicht verschalt werden zu müssen.

"Es ist sogar möglich, mit Sand als Teil des Baustoffs zu drucken", tönt Ma YiHe, der 2000 Häuser in Ägyptens Wüste errichten will. Die Verträge seien bereits unterzeichnet. Ob das aber auch tatsächlich gelingt, ist mehr als fraglich. Denn Wüstensandkörner sind kugelrund und verzahnen sich nicht ausreichend mit dem Bindemittel Zement. Aus diesem Grund wird Bausand bisher an Meeresstränden abgebaut, wo er allmählich knapp wird.

Selbst wenn Ma YiHe in Ägypten Erfolg haben sollte – in Deutschland würde er schnell an den Vorgaben scheitern. Das fängt mit der Zertifizierung an, die er für sein Material bräuchte – aber nicht besitzt. "Viele technische Fragen und Normvorschriften sind noch ungelöst", sagt Olaf Behner, Baureferent beim Bund Deutscher Architekten. Thomas Bolte von der Deutschen Fertighaus Holding AG (DFH) in Simmern (Hunsrück) fügt hinzu: "Hierzulande gelten strenge Vorschriften für Neubauten. Wer etwa die hohen Standards zur Energieeinsparung nicht erfüllt, erhält keine Baugenehmigung."

Die 3D-Drucktechnik sei daher noch nicht konkurrenzfähig mit den heutigen Verfahren im Fertigteilbetonbau. "Technisch lassen sich viele Zielvorgaben nur durch den Einsatz von speziellen, der jeweiligen Aufgabe angepassten Druckersystemen und Werkstoffen erfüllen", erklärt Entwicklungsingenieur Daniel Günther vom Friedberger Industriedrucker-Anbieter Voxeljet. "Somit stehen den neuen gestalterischen Freiheiten hohe Produktionskosten gegenüber." Kein Wunder, dass es hierzulande noch kein einziges Haus aus dem Drucker gibt.

Immerhin haben sich Forscher in Amsterdam nun daran gemacht, mit einem gewagten Projekt viele der offenen Fragen zu klären. Sie drucken im Stadtteil Noord ein komplettes Grachtenhaus aus: schmal, vier Stockwerke hoch und mit reich verziertem Giebel wie seine mehr als 400 Jahre alten Vorbilder. Statt Backsteinen kommt weißer Bio-Kunststoff zum Einsatz, der zu 80 Prozent aus Pflanzenöl besteht. Die kleinen weißen Kügelchen werden im "3D-Kamer-Maker" (Zimmer-Macher) erhitzt, einem drei Meter hohen Gerät, das in einem baustellennahen Überseecontainer installiert ist.

Die Masse wird – wie die Tinte in einem herkömmlichen Drucker – auf eine Grundfläche von zwei mal zwei Metern gespritzt. "So werden Schicht für Schicht Bauteile bis fünf Meter Länge gedruckt: ein Stück Treppe, eine Wand, ein Fassadenteil", erklärt Tosja Backer, Sprecherin des "3D Print Canal House"-Projekts. "Nach dem Druck werden die Einzelteile einfach zusammengesteckt." Manche Segmente haben eine Struktur wie eine Honigwabe. Diese Hohlräume können mit Beton oder Isoliermasse gefüllt wer-den. Auch für Kabel und Rohre findet sich Platz im Innern der Wände.

Das Projekt zeigt jedoch auch, wo die derzeitigen Grenzen der Technologie liegen – selbst unabhängig von der Frage, ob man wirklich in einem Plastikhaus wohnen will. Denn zum einen ist die Methode nicht sonderlich schnell. Erst in drei Jahren soll das Grachtenhaus 2.0 fertig sein. Ob es jemals serienmäßig hergestellt wird, ist offen. Aber darum geht es den Macher auch gar nicht. Es dient als Forschungsprojekt, um die Perspektiven des 3D-Hausbaus auszuloten: Lassen sich auf diese Weise wirklich kostengünstig maßgeschneiderte Häuser bauen? Klappt die Verwendung von umweltfreundlichen Recyclingmaterialien, und können so Transportkosten für Baumaterial eingespart werden?

"Wir lernen immer besser, wie die verschiedenen Akteure für ein 3D-Hausprojekt optimal zusammenarbeiten: Ingenieure für die Planung, Software-Entwickler für den 3D-Drucker und Chemiker für das Druckermaterial", so Backer. Ihr Team experimentiert mit verschiedensten Druckermaterialien, etwa mit Mischungen aus dem Bio-Kunststoff Polymilchsäure und Zement. "Denn noch ist das Druckermaterial teuer, die Festigkeit ist ein Handicap." Die Forscher führen mit den Segmenten Bruchtests in Universitätslaboren durch, um die Qualität zu verbessern. Wie gut dies bereits gelungen ist, darüber schweigen die Innovatoren. Klar ist nur: Noch gibt es keine Genehmigung für den Bau eines 3D-gedruckten Hauses, in dem Menschen wohnen dürfen. (bsc)