Begründer der "maschinellen Rechentechnik" – Nikolaus Lehmann zum 100sten
Seite 2: Cellatron – Geburtsstunde des PC
Von diesem D4a abgeleitet wurden in Zella-Mehlis rund 3000 Stück Bürorechner der Serie Cellatron C8201 bis Cellatron C8005 in Büromöbel verbaut, was manche als eigentliche Geburtstunde des PC feierten. Für Lehmann selbst war der Erfolg freilich ein Abschied von der Arbeit als Konstrukteur: "Es begann hier das Zeitalter der Groß- (oder doch der größeren) Computer nach IBM-'Vorbild'. Obwohl das zunächst noch nicht absehbar war, wurde das auf geistigem Diebstahl begründete ESER-Programm (Einheitssystem der elektronischen Rechentechnik) vorbereitet, mit dem die Ostblockstaaten ihre Rückstände in der Computerindustrie aufholen wollten. Daran mochte ich mich grundsätzlich nicht beteiligen", schrieb er später in seinen Erinnerungen.
Lehre, Forschung, Reisetätigkeit
Lehmann selbst ging in die Lehre zurück und blieb ihr treu, auch wenn sein Institut für maschinelle Rechentechnik 1968 an der TH/TU Dresden aufgelöst wurde und zu einem Bereich namens "Mathematische Kybernetik und Rechentechnik" umgebaut wurde. Neben der Lehre verlegte sich Lehmann, obwohl nicht der SED zugehörig, als Reisekader bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1986 auf die Arbeit in nationalen wie internationalen wissenschaftlichen Organisationen. Im Rahmens des nationalen Forschungsprogrammes der DDR leitete er die Forschungsrichtung „Mathematische Grundlagen der Informationsverarbeitung“, als Vertreter der DDR war er Mitglied und zeitweise Vizepräsident der IFIP. Im Ostblock arbeitete er in der "Kommission für Mehrseitige Zusammenarbeit der Akademien der Wissenschaften sozialistischer Länder zu Problemen Wissenschaftlicher Fragen der Rechentechnik", die unter dem russischen Kürzel KNWWT bekannt wurde.
"Ich darf sie daran erinnern, dass ich mich mit meinen Arbeiten immer als Mitglied einer weltumspannenden Familie der Computerwissenschaft gefühlt habe, deren Ziele in der Befreiung von Menschen auch von den Mühseligkeiten im geistigen Bereich sowie neue Anwendungen der damit verfügbaren Steuerungstechnik in der industriellen Entwicklung sind", so Lehmann in seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung der Konrad-Zuse-Medaille 1989. Diese nahm er mit besonderem Vergnügen an, da ihn und Konrad Zuse eine enge Freundschaft verband. Bei seinen Besuchen in Dresden fertigte Zuse eine Reihe von Lehmann-Portraits an.
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Nachbau der Leibniz-Maschine
Als die DDR in den 80ern in Dresden eine Großausstellung zum Beginn der deutschen Rechenmaschinenfertigung in Glashütte 1878 plante, begann Nikolaus Lehmann damit, eine Sammlung dieser Rechengeräte anzulegen. Dabei stieß er auch auf die berühmte Rechenmaschine von Leibniz, die im Rechenmaschinenwerk von Arthur Burkhardt im Jahre 1894 restauriert wurde, aber dann nicht funktionierte. Lehmann erkannte nach dem Studium der Schriften von Leibniz einen Fehler der Restauratoren und erreichte, dass Nachbauten der Maschine angefertigt wurden, die einwandfrei funktionierten. Einen seiner Vorträge über die Rechenmaschine aus dem Jahre 1990 findet sich hier. Nikolaus Joachim Lehmann starb nach einem Herzinfarkt am 27. Juni 1998 in Dresden.
(tiw)