Biotech: Wettlauf mit dem Tod

Seite 3: Ben Duprees einzigartige Genveränderung

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Gelingt Olson dieser Schritt, ist der folgende vielleicht sogar vergleichsweise leicht. Jede Genschere müsste an genau jenen Erbgutabschnitt angepasst werden, der repariert werden soll. Leiden viele Tausend Menschen unter einer krank machenden Mutation, wäre der Prozess nicht viel anders als bei herkömmlichen biologischen Therapien. Ben Duprees Genveränderung aber scheint den Medizinern zufolge einzigartig zu sein. Bei vielen anderen genetischen Krankheiten ist es nicht viel anders: Sie betreffen nur kleine Patientengruppen oder sogar nur einzelne Menschen. Ronald Cohn ist sich dennoch sicher, dass solche Einmalbehandlungen mit CRISPR möglich und sogar wahrscheinlich sind.

Der Chefkinderarzt am Hospital for Sick Children in Toronto und Spezialist für Muskeldystrophien veröffentlichte im Dezember 2015 einen Fachartikel, in dem er die Korrektur mehrerer seltener Mutationen bei verschiedenen Krankheiten beschrieb. Die Zellen für Muskeldystrophie Duchenne hatte er von einem 14-jährigen Jungen namens Gavriel Rosenfeld. Nachdem Cohn Gavriels Zellen in der Petrischale repariert hatte, schuf sein Labor zudem ein Mausmodell mit der Mutation des Jungen. Sie ist genau wie Ben Duprees bisher einzigartig. In wenigen Wochen wird Cohns Labor damit beginnen, die Mäuse zu behandeln.

Ben Duprees Krankheit schreitet nur langsam voran. "Vielleicht ist er in zehn Jahren immer noch am Leben", hofft seine Mutter, "damit sie die Therapie auch bei ihm versuchen können."

(Bild: Debbie Dupree)

Was aber passiert danach? Wie testet man ein Medikament oder eine Behandlung für eine einzelne Person? Wer würde das bezahlen? "Das wird noch eine Menge Umdenken erfordern", sagt Cohn. "Aber die Tatsache, dass wir uns darüber unterhalten, ist bereits der Beginn des Paradigmenwechsels." Immerhin gibt es zumindest für das Bezahlmodell Vorbilder: In Europa sind bisher zwei Gentherapien zugelassen. Glybera, das eine seltene Stoffwechselerkrankung behandelt, bei der Betroffene aufgrund eines Gendefekts das Enzym Lipoproteinlipase nicht bilden können, kostet eine Million Euro. Die angeborene lebensgefährliche Immunschwäche ADA-SCID behandelt Strimvelis für die Summe von 594000 Euro. Selbst wenn die Behandlung doppelt so teuer wäre, käme eine einmalige Genkorrektur billiger, als dem Patienten ein Leben lang Medikamente, Rollstühle und die Pflege zu bezahlen. Und da ist der Gewinn an Lebensqualität noch gar nicht einberechnet.

Beim Anblick seiner nun gesunden Zellen in Eric Olsons Labor versuchte Ben Dupree rational zu reagieren. Er ahnt, dass die Therapie für ihn selbst wohl noch nicht zur Verfügung stehen wird. Aber vielleicht für die Generation nach ihm. Seine Mutter Debbie dagegen erlaubt sich zu hoffen. "Eltern können gar nicht anders, als ständig zu kalkulieren: So lange dauern die Tierversuche, so viele Jahre die erste Humanstudie, so viel länger, bis sie wissen, ob es funktioniert. Zum Glück schreitet Bens Krankheit langsam voran. Vielleicht ist er in zehn Jahren immer noch am Leben, damit sie die Therapie auch bei ihm versuchen können."

(bsc)