Biowaffen II: Tödlicher Husten

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Durch welche Maßnahmen könnte man die biologische Bedrohung in der nahen und fernen Zukunft eindämmen? BioShield wird die USA in seiner jetzigen Form nicht vor gentechnisch hergestellten Krankheitserregern schützen. Es hat schon mehrere radikale Lösungsvorschläge gegeben (wie zum Beispiel, das menschliche Immunsystem durch allgemeine Immunmodulatoren zu verstärken), aber selbst wenn man sich dazu entschlösse, würde die Entwicklung Jahre oder Jahrzehnte dauern. Niemand hat dagegen eine gute Idee, was kurzfristig getan werden könnte. Einige Wissenschaftler hoffen, die Verbreitung des nötigen Wissens zur biologischen Kriegsführung stoppen zu können. George Church etwa fordert, dass alle DNA-Synthesemaschinen international registriert werden müssten. „Dabei würde es sich nicht um eine Kontrolle wie die von Waffen handeln, wo man den Menschen eine Lizenz erteilt und sie dann tun lässt, was sie wollen“, sagt er. „Mit der Lizenz wäre eine Verpflichtung zur Dokumentation verbunden.“ Außerdem ist er der Meinung, dass auch alle Molekularbiologen, die mit gefährlichen Krankheitserregern arbeiten oder die entsprechenden Immunreaktionen erforschen, registriert werden sollten. „Niemand wird gezwungen, auf diesem Gebiet zu forschen. Wenn es aber jemand tut, dann sollte er auch damit einverstanden sein, dass seine wissenschaftliche Laufbahn sehr transparent sein muss“, meint Church.

PROBLEMBEWUSSTSEIN FEHLT

Churchs Vorschläge würden eine noch nie da gewesene Reglementierung der Wissenschaft bedeuten. Schlimmer, nicht alle Länder würden sich daran halten. So sollen zum Beispiel russische Biologen, die bei Biopreparat gearbeitet haben, Studenten der Molekularbiologie am Pasteur Institute in Teheran ausgebildet haben.

Schwerer noch wiegt die Vermutung, dass es wahrscheinlich auch für die Zukunft niemals möglich sein wird, den Fortschritt in der Biowaffen-Forschung aufzuhalten. Biologische Erkenntnisse lassen sich nicht unbedingt nach möglicher Anwendung klassifizieren, Therapien kann man nicht ohne weiteres von Waffen unterscheiden. Robert Carlson vom Microscale Life Sciences Center an der University of Washington glaubt, dass wir zwei Möglichkeiten haben. Wir könnten entweder die Biodefense-Forschung herunterfahren und damit unsere Fähigkeit einschränken, auf biologische Angriffe zu reagieren. Oder aber wir könnten die Forschung und das Wissen darüber, wie sich Krankheitserreger manipulieren lassen, immer weiter vorantreiben. Zum Guten oder zum Schlechten. Durch Experimente wie Bullers Konstruktion der Mäusepocken-IL-4-Rekombinanten würden wir damit die Expertise, Erreger zu synthetisieren, immer weiter verbreiten – in der Hoffnung, dabei nicht in einen tödlichen Rückstand zu geraten.

Serguei Popov hat mit diesen Fragen länger gelebt als die meisten. Als ich ihn fragte, was man tun könne, antwortete der Wissenschaftler: „Ich weiß nicht, welches Verhalten, welche wissenschaftlichen oder politischen Maßnahmen garantieren würden, dass die neue Biologie uns nicht schaden wird.“ Doch der lebenswichtige erste Schritt, so Popov, bestünde darin, dass Wissenschaftler überhaupt anfingen, über biologische Waffen zu diskutieren. „Das öffentliche Bewusstsein ist sehr wichtig. Ich behaupte nicht, dass es eine Lösung des Problems ist. Offen gesagt, ich weiß im Moment gar keine Lösung. Aber zunächst muss uns überhaupt bewusst werden, dass es ein Problem gibt.“ (wst)