Bitte kein Bit

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Und das, obwohl der Spaß nicht billig ist: Acht Polaroid-Fotos kosten 21 Euro. Aber genau das scheint der besondere Kick zu sein, wie auch bei den Negativfilmen, die längst nicht mehr für schmales Geld bei Aldi vertrieben werden: "Wer den Preis im Kopf hat, fotografiert überlegter, bewusster, wählt aus", sagt Michael Prügel. Dieser Effekt scheint den speziellen Reiz der traditionellen Fotografie auszumachen, wofür auch spricht, dass nach Prügels Erfahrung weder die Programme noch der Autofokus analoger Spiegelreflexkameras benutzt werden, sondern wirklich alles von Hand eingestellt wird: "Wenn analog, dann richtig."

Dieses Motto machte sich auch Elvis Halilović zu eigen. Der slowenische Industriedesigner und Schreiner hat mit der Ondu Pinhole Camera eine Lochkamera aus Ahorn- und Nussbaumholz auf den Markt gebracht. Noch manueller fotografieren geht nicht, als wenn von Hand nach groben Richtwerten und Gefühl Filme über einen hölzernen Balken, der weggeschwenkt wird, belichtet werden. Über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter sammelte Halilović mehr als 120000 Dollar ein, um seine Idee zu verwirklichen. Ursprünglich peilte er nur 10000 Dollar Startkapital an. Seine Erklärung für die unglaubliche Resonanz: "Die Leute suchen eine Qualität beim Fotografieren, die digitale Technik und aufwendige Filter nicht bieten. Hinzu kommt ein gewisser Sinn für Nostalgie."

Er weiß von Kunden, die dank seiner Kameras erst wiederentdeckt haben, was Fotografie für sie eigentlich bedeutet. "Mit Filmen zu fotografieren ist kunstvoller, manchmal auch frustrierender, wenn sich das erhoffte Ergebnis nicht einstellt. Aber das macht nichts, weil das zum Prozess gehört", sagt Halilović. Seine Ondu Pinhole Camera wird mittlerweile auch über Amazon vertrieben. Demnächst sollen wöchentlich zwischen 400 und 500 Modelle der verschiedenen Varianten produziert werden. "Damit ist noch lange nicht Schluss, ich bin selbst gespannt, was noch kommt", sagt Halilović. Erwarte das Unerwartete – das könnte auch als Motto für die Fans des analogen Schnappschusses gelten.

Revival durch die Hintertür

Trotzdem lässt sich die Entwicklung natürlich nicht zurückdrehen. "Analog wird kein Massenmarkt werden", sagt Fuji-Mann Rau. "Es wird eine Nische bleiben, die aber unverändert viele Liebhaber hat." Gleiches gilt für Vinylalben und Plattenspieler, Röhrenverstärker und Analogsynthesizer, die dennoch die Zukunft beeinflussen werden, weil sich ihre Ideen durch die Hintertür in die digitale Welt einschleichen: Manchmal geht es nur um den Schein wie bei jenen Apps, mit denen sich digitale Fotos auf alt trimmen lassen. Sogar viele Phillytyper, die Freunde der guten alten Schreibmaschine, können mittlerweile ihre mechanisch erzeugten Texte direkt in ein Tablet einspeisen.

Möglich macht dies das amerikanische Unternehmen USB Typewriter, mit dessen Bausätzen sich jeder manuelle Apparat in eine Computertastatur umwandeln lässt. Wem das zu kompliziert ist: Schauspieler Tom Hanks machte aus dem Bastelkit eine App, den Hanx Writer.

Meist aber geht es darum, das Handliche des analogen Zeitalters mit der Exaktheit und Bequemlichkeit der digitalen Ära zu vereinen. Fahrzeugtachos und Drehregler in Autos sind dafür gute Beispiele: Sie erhalten ihre Werte längst digital oder geben ihre Signale digital weiter. Dennoch sehen sie größtenteils immer noch so aus wie vor 20 Jahren, weil sich das klassische Design schneller ablesen und leichter bedienen lässt als digitale Ziffern oder Touchscreens. Nun greift die Entwicklung auf andere Bereiche über. Designer Florian Born von der Universität der Künste in Berlin etwa hat Dreh- und Schieberegler für iPads entworfen, die nach Bedarf auf dem Touchscreen platziert werden. Anwendungen wie das Schneiden von Videos fallen damit viel leichter.

Auch die Sofortbildkamera Snap von Polaroid schlägt eine Brücke von analog nach digital: Sie wirft mit ihrem tintenfreien Drucksystem Zink die Fotos zwar sogleich aus, erlaubt aber darüber hinaus die Bearbeitung der Aufnahmen sowie das Speichern und Posten der Fotos. Und auf dem Musikmarkt gibt es inzwischen die ersten digital gesteuerten Transistorverstärker, die die individuellen Eigenschaften nahezu aller klassischen Röhrenkisten imitieren können. Mit der Software dieser sogenannten Profiler Amps lassen sich Klangprofile der analogen Verstärker originalgetreu programmieren und auf der Bühne abrufen.

Das hat seinen Preis: Die Verstärker des bekanntesten Profilerbauers Kemper in Recklinghausen kosten um die 2000 Euro und sind damit drei- bis viermal teurer als gute Röhrenverstärker. Aber warum sollte es auch sie nicht irgendwann als App geben? Hier tut sich eine Spielwiese für Start-ups auf, die mit neuen Ideen das Alte in die Zukunft führen. (bsc)