Braucht Googles KI-Forschung mehr Ethik?

Seite 3: "Vor allem die Tech-Branche ist nicht dafür bekannt, dass sie integrativ ist."

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Inwiefern sollte Ethik grundsätzlich eine größere Rolle bei Unternehmen wie Google spielen, die an großen Systemen wie der Suche arbeiten, die unseren Alltag und unsere Wahrnehmung der Welt beeinflussen?

Sie könnte in jedem Unternehmen einen höheren Stellenwert haben. Alle großen Technologieunternehmen täten gut daran, dem ernsthaft Aufmerksamkeit zu schenken. Und wie wir eingangs sagten, wachen die Menschen erst jetzt wirklich auf. Ich sehe das nicht als Google-spezifisch an. Mir ist klar, dass ich gerade dort gearbeitet habe. Das ist also das Erste, woran man denkt. Aber ich habe auch in der Microsoft-Forschung gearbeitet und war an der Johns Hopkins University tätig. Alle Stellen können mehr tun, um eine integrativere Kultur zu schaffen.

Mal etwas konkreter: Wie schwierig ist es in einem Tech-Unternehmen, als Ethikerin mit den Produktverantwortlichen zu kooperieren?

Nun, es kommt wirklich auf das Unternehmen an und darauf, welche Werte es vertritt. Die meisten Unternehmen neigen dazu, sehr hierarchisch zu sein. Wenn also die Ethik-Forschung in der Hierarchie der Machthaber sehr weit unten angesiedelt ist, wird es sehr viel schwieriger, mit Produktverantwortlichen zu kommunizieren, die in der Hierarchie höher stehen. Der größte Hemmschuh ist dabei die Organisationsstruktur.

Was können denn Unternehmen tun, um eine andere Kultur zu fördern?

Es muss von den Führungskräften praktiziert werden, denn die Kultur sickert nach unten. Wenn Sie also Leute in der Führungsetage haben, die sich nicht für Ethik und Integration interessieren, dann wird sich das auch auf den Rest der Organisation übertragen. Vor allem die Tech-Branche ist nicht dafür bekannt, dass sie integrativ ist. Es gibt eine Menge sehr offensichtlicher und gut dokumentierter Dinge, die eingeführt werden können, die aber von keinem Technologieunternehmen eingeführt wurden.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Alle mir bekannten Tech-Unternehmen messen bei der Leistungsbeurteilung und bei Beförderungen immer den Erfolgsanteil der betroffenen Person fürs Unternehmen. Das Problem mit dieser Art der Erfolgsmessung in Unternehmen mit kaum ausgeprägter integrativer Kultur: Auch wenn man die beste Idee im Unternehmen hat, ist man nicht in der Lage, damit etwas zu bewirken, weil man schlicht nicht zu den wichtigen Meetings eingeladen wird.

Zu was führt eine solche Unternehmenskultur?

Das ist offensichtlich: Wenn man nur auf die Leistungsbeurteilung schaut und die Barrieren und Hindernisse nicht versteht, mit denen Menschen mit marginalisierten Merkmalen konfrontiert sind, um etwas zu bewirken, dann wird man Leute belohnen, die diese marginalisierten Merkmale nicht haben. Und das gilt für alle Technologieunternehmen. Es liegt also auf der Hand und dennoch beschäftigt sich niemand, den ich kenne, ernsthaft damit.

(bsc)