Bundesdatenschutz: Specht-Riemenschneider im Exklusiv-Interview
Die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider spricht mit c't über Datenschutz und Problematik des Sicherheitspaketes der Ampel-Koalition.
c’t: Frau Specht-Riemenschneider, Sie sind nun seit wenigen Monaten im Amt. Unabhängig, aber gewählt von einer Ampelregierung. Wie läuft die Zusammenarbeit bisher?
Louisa Specht-Riemenschneider: Wir sind in verschiedene Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Und unabhängig von der Parteifarbe habe ich den Eindruck, dass man die Einladung zum Dialog annehmen will, uns einbinden und viel fragen möchte. Sowohl in den Gesetzgebungsverfahren als auch davor.
Der Datenschutz scheint trotzdem an Einfluss verloren zu haben. Zuletzt war Ende Oktober auf dem Digitalgipfel wieder zu hören, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine wirtschaftliche Nutzung verhindern würde. Ist das jetzt ein unaufhaltsamer Trend, eine temporäre Entwicklung oder einfach nur ein großes Missverständnis?
Ich nehme wahr, dass der Datenschutz in Teilen der Gesellschaft ein Akzeptanzproblem hat. Und dass er pauschal dafür steht, dass es Regulierung in verschiedenen Bereichen gibt, die eine Datennutzung unter Voraussetzungen stellt. Was dabei nicht zur Sprache kommt: Sowohl in der DSGVO als auch im Bundesdatenschutzgesetz und den Landesdatenschutzgesetzen sind nur wenige konkrete Verbote vorgesehen. Die DSGVO sagt: Ich muss da, wo verschiedene Grundrechte betroffen sind, einen Grundrechtsausgleich vornehmen.
Bei der Forschungsdatennutzbarkeit etwa kollidiert die Forschungsfreiheit mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht. Beide müssen so gut es geht in Einklang gebracht werden, beispielsweise durch hohe technische Schutzvorkehrungen, die Zusammenführung von Daten nur innerhalb bestimmter Zeiträume und in bestimmten technischen Umgebungen und die Nutzung der Daten nur durch ausgewiesene Personen. Wenn die Voraussetzungen der DSGVO aber vorliegen, dürfen Daten zu Forschungszwecken verwendet werden. Was eine Datennutzbarkeit in Wirklichkeit hemmt, ist die Rechtsunsicherheit, die wir an vielen Stellen des Daten- und Datenschutzrechts haben.
Ehemals als datenschutzfreundlich geltende Parteien wie Grüne und FDP lassen sich jetzt auf Vorhaben ein, bei denen man vor wenigen Jahren hätte meinen können: Mit denen undenkbar. Ihnen wurde wenig Zeit gelassen, anzukommen. Das Sicherheitspaket mit seinen weitreichenden Befugnissen zur KI-Anwendung und Datenanalyse durch Bundespolizei und Bundeskriminalamt erregt zurzeit die Gemüter. Wurden Sie da angemessen beteiligt?
Das ist ein Bereich, in dem wir uns gewünscht hätten, dass wir sehr viel intensiver im Vorfeld beteiligt worden wären. Wir haben uns natürlich vorbereitet, im Vorfeld Gedanken gemacht, überlegt, wo wir zu verfassungskonformen Lösungen beitragen können. Aber wir wurden bis zur Anhörung im Innenausschuss nicht offiziell im Verfahren beteiligt. Danach kamen verschiedene Abgeordnete auf uns zu und haben um Erklärungen und Hilfe gebeten.
Ist das bisherige Ergebnis, der nun vom Parlament beschlossene Ampel-Gesetzesvorschlag, denn nun datenschutzrechtlich unbedenklich?
Nein. Einige wichtige Punkte, die wir vorgeschlagen haben, wurden umgesetzt, aber es gibt noch immer große Baustellen. Zum Beispiel ist die Erstellung einer "Superdatenbank" weiterhin möglich. Drittbetroffene wie Zeugen und Opfer sind bei bestimmten Paragrafen zwar ausgenommen, in anderen können sie weiter zum Ziel der Ermittlungsmaßnahmen werden. Die Überarbeitung des Gesetzesvorschlags ist daher zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber große datenschutzrechtliche Probleme sind mehr überschminkt worden, statt sie wirklich anzugehen.