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Bundestagswahl 2021: Was bei Überwachung und Sicherheit passieren soll

Stefan Krempl
Spähs

Vorratsdatenspeicherung und Staatstrojaner für alle Sicherheitsbehörden – die GroKo hat bei der inneren Sicherheit deutlich aufgerüstet. Was folgt als Nächstes?

Es ist nicht mehr lange hin: Am Sonntag, den 26. September, wird der neue Bundestag gewählt - und damit auch eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler, denn Angela Merkel tritt nicht mehr für die CDU/CSU an. In den nächsten Monaten und Jahren stehen entscheidende Weichenstellungen nicht nur für die Zukunft Deutschlands, sondern auch Europas und der Welt insgesamt an. Digitalisierung der Berufswelt und des kompletten Alltags beschäftigen die Menschen; und der Klimawandel – der nicht kommt, sondern längst da ist - erfordert einschneidende Maßnahmen, um nur zwei wichtige Themen zu nennen. heise online untersucht in einer neunteiligen Serie die Wahlprogramme der Parteien anhand der wichtigsten Themenfelder; im Anschluss wird eine Interviewserie mit den für Netzpolitik zuständigen Parteivertretern dies noch vertiefen. Bisher erschienen:

Die Spirale der "Sicherheitsgesetze" ständig weiterzudrehen, wird mittlerweile selbst der SPD zu viel. Immer mehr Parteien erwärmen sich so für eine Überwachungsgesamtrechnung. Die Kluft zwischen CDU und CSU sowie großen Teilen der derzeitigen Opposition ist in diesem Bereich sehr groß. Bei der IT-Sicherheit ist die Palette der Vorschläge bunt, Streit gibt es etwa über die Einführung eines Schwachstellen-Managements.

Die beiden Parteien wollen die von ihnen mit geschaffenen, heftig umstrittenen Voraussetzungen für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) etwa von Messengern und für heimliche Online-Durchsuchungen [4] "bundesweit anpassen". Dies soll sowohl für die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung gelten. Ziel dieser Reformen ist es laut dem gemeinsamen CDU/CSU-Programm [5], dass "diese Instrumente rechtssicher und effektiv eingesetzt werden können". Bund und Länder sollen hier "enger zusammenarbeiten und gemeinsame Software bereitstellen, die schnell einsatzbereit ist".

Auf EU-Ebene werden CDU und CSU dem Plan nach auf eine "grundrechtskonforme" Vorgabe zum Protokollieren und Abruf "von Telefonnummern und IP-Adressen" hinwirken. Sie soll "den Einsatz der sogenannten Vorratsdatenspeicherung [6] als schärfster Waffe im Kampf gegen den Kindesmissbrauch" ermöglichen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat solchen Maßnahmen wiederholt enge Grenzen gesetzt [7].

Bei der E-Evidence-Initiative [8] wollen die Schwesterparteien Druck machen, "damit Ermittlungsbehörden europaweit leichter auf elektronische Beweismittel zugreifen können, wie etwa auf in einer Cloud gespeicherte E-Mails oder Dokumente". Sie sind dafür, "die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zu nutzen", um frühzeitig Bedrohungsstrukturen zu erkennen und ihnen entgegenwirken zu können.

Um die Fahndung nach schweren Straftätern, Gefährdern und Terroristen zu verbessern, wollen sie, dass "automatisierte Gesichtserkennung [9] an Gefahrenorten in Deutschland eingesetzt werden kann". Kameras mit "intelligenter" Technik sollen Polizisten etwa vor und in Fußballstadien, an Bahnhöfen und weiteren Verkehrsknotenpunkten sowie in Bussen und Bahnen helfen, "Täter abzuschrecken und Straftaten aufzuklären".

Der Ausbau von Predictive Policing [10] ist ein weiterer Schwerpunkt: "Wir wollen, dass künftig softwaregestützte Werkzeuge verstärkt zum Einsatz kommen, mit deren Hilfe sich die Tatmuster von Einbrechern vorhersagen lassen. So können besonders gefährdete Wohngebiete erkannt und gezielt mit Polizeistreifen überwacht werden."

In der EU schwebt den Konservativen vor, die für die Grenzpolizei zugänglichen Datenbanken wie das Schengen-Informationssystem [11] und Eurodac [12] so zu gestalten, "dass alle Informationen abrufbar zur Verfügung stehen". Die Einreise an den Außengrenzen soll "umfassend elektronisch überwacht" werden. Die bereits beschlossene Einrichtung des Ein- und Ausreiseregisters für Drittstaatsangehörige will das Duo daher "ebenso vorantreiben wie das Reiseinformations- und Genehmigungssystem Etias [13]".

"Angesichts der weiterhin akuten terroristischen Bedrohungen wollen wir die enge Zusammenarbeit der Polizeien und Nachrichtendienste weiter intensivieren", lautet ein weiterer Punkt. In unterschiedlichen Informationssystemen vorhandene Daten sollen noch stärker verknüpft werden, um einen schnellen Zugriff und Austausch im Anti-Terror-Kampf zuzulassen. Nötig sei ein europaweites Tracking, eine Bewertung und Listung von Gefährden, "ohne dass eine konkrete Abfrage des jeweiligen Täters erfolgen muss".

Europol soll "zu einer Art europäischem FBI" ausgebaut werden. Dies gelte insbesondere im Bereich der Cyberkriminalität und im Kampf gegen Terrorismus. Die operativen polizeilichen Befugnisse sollen aber bei den Mitgliedstaaten verbleiben.

CDU und CSU sind zudem für eine staatliche Lizenz für Hackbacks [14]: "Wir müssen bei schweren Cyber-Angriffen in der Lage sein, aktiv auf die Ursache einzuwirken, um sie zu beenden", heißt es. Man werde die dafür erforderlichen rechtlichen Klauseln und "eigene technischen Fähigkeiten für angemessene aktive Maßnahmen schaffen". Bei IT-Beschaffungsvorhaben soll über eine "Cyber-Quote" mehr Geld in den Schutz vor IT-Angriffe fließen.

"Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die Rechtsgüter vor realen Beeinträchtigungen schützt, konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung gewährleistet", erklären die Grünen. Die Bevölkerung soll nicht "mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht" gestellt werden. "Sicherheitsgesetze müssen auf den Prüfstand, zukünftig auf valider Empirie beruhen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit regelmäßig unabhängig evaluiert werden." Die Partei will dazu eine Überwachungsgesamtrechnung aufstellen [15] und laufend aktualisieren.

Überschneidungen mit CDU und CSU gibt es in diesem Teil des Programms der Grünen [16] bei konkreten Instrumenten so gut wie keine: Den Einsatz biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, wie etwa Gesichtserkennung, lehnen die Grünen ebenso wie "die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung" und "generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen".

Auch das "Infiltrieren von technischen Geräten" etwa für Online-Durchsuchungen oder die Quellen-TKÜ soll es nicht geben. Der Parteivorstand hatte sich zunächst für eine Lizenz für Staatstrojaner im Bereich Strafverfolgung ausgesprochen [17], die Basis war aber dagegen [18]. Es soll vielmehr eine Pflicht eingeführt werden, "Sicherheitslücken zu melden und aktiv auf ihre Behebung hinzuwirken". Unternehmen dürften nicht dazu verpflichtet werden, die IT-Sicherheit und Netzintegrität auf Kosten der Allgemeinheit zu gefährden.

Für ihre Aufgaben wie Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung und den Schutz der Grundrechte wollen die Grünen aber generell die Polizei stärken und zwar "in der Stadt und auf dem Land, analog und digital". Sichere und leistungsfähige Datenverarbeitung, kombiniert mit mobiler IT und klar geregelten Kompetenzen, sei dafür eine Grundvoraussetzung. Freiheits- und Bürgerrechte will die Partei "nicht als Streichposten der Innenpolitik" behandeln, "sondern als ihre zentralen Schutzgüter".

"Wir werden die Kontrollbefugnisse der Bundespolizei so ausgestalten, dass sie nicht mehr zu Racial Profiling führen, und die Einführung sogenannter Ticketsysteme erproben, um Gründe für polizeiliche Kontrollen für die Betroffenen transparent zu machen", kündigen die Grünen an. Um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz zu verbessern, soll etwa Europol zu einem "Europäischen Kriminalamt" ausgebaut werden. Wegen der zunehmenden Vernetzung europäischer Informationssysteme "sind hohe Datenschutzstandards und eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unabdingbar".

Den Verfassungsschutz werden die Grünen dem Plan nach "strukturell neu aufstellen": Der Inlandsgeheimdienst soll umgewandelt werden in ein "unabhängiges, wissenschaftlich aus öffentlichen Quellen arbeitendes Institut zum Schutz der Verfassung". Dazu kommen soll ein verkleinerte "Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr", das "mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeitet". Hier brauche es auch eine engere und effektivere parlamentarische Kontrolle.

Terror will die Partei entschieden bekämpfen – "durch effektive intersektional ausgerichtete Präventionsarbeit, bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden und eine konsequente Überwachung" sogenannter Gefährder. Dieser Begriff müsse aber erst europäisch abgestimmt definiert und mit rechtlich überprüfbaren Ein- und Ausstufungskriterien ergänzt werden.

Gute IT-Sicherheit ist für die Grünen ein wichtiger Standortfaktor. Durchgehende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt ihnen zufolge Grundrechte, schafft Vertrauen in digitale Anwendungen und muss so zum Standard bei allen staatlichen IT-Vorhaben werden: "Wir fördern die Entkriminalisierung verschlüsselter Kommunikation, stellen uns der Schwächung von Verschlüsselungstechnologien und -standards entgegen."

Gerade kritische Infrastruktur wie Stromnetze "muss besonders geschützt werden", unterstreichen die Grünen. Beim Ausbau von Netzen wie 5G will sie deren Integrität, die digitale Souveränität Europas und die Einhaltung der Menschenrechte sicherstellen. Nicht vertrauenswürdige Unternehmen, insbesondere aus autoritären Staaten, dürften nicht beteiligt werden. Nötig sei ein Verbot für die Ausfuhr, den Verkauf und die Weitergabe von Überwachungsinstrumenten an repressive Regime.

Zudem wollen die Grünen die Entwicklung sicherer Hardware fördern: "Im Sinne der Nachhaltigkeit digitaler Produkte führen wir eine Verpflichtung zu einer angemessenen, risikoorientierten und benutzerfreundlichen Bereitstellung von Sicherheitsupdates ein."

Auf die vielen, mit CDU und CSU beschlossenen Überwachungsgesetze will die SPD nicht einfach draufsatteln. Sie zitiert das Bundesverfassungsgericht mit der Ansage, dass "die Freiheitswahrnehmung der Bürger" durch die Summe der staatlichen Überwachungsmaßnahmen "nicht total erfasst und registriert werden" darf. Die Sozialdemokraten wollen daher "ein dauerhaftes, regelmäßiges und unabhängiges Monitoring der Gesetze im Sicherheitsbereich schaffen".

Die anonyme und pseudonyme Nutzung des Netzes schütze viele Journalisten und Freiheitskämpfer in aller Welt vor Verfolgung und Bedrohung, ist dem Programm der SPD zu entnehmen [19]. Man sei daher "gegen eine Klarnamenpflicht im Netz". Das sei eine wichtige Voraussetzung für eine freie Meinungsäußerung und der beste Schutz vor Diskriminierungen. In einem früheren Entwurf hatte sich das noch ganz anders angehört [20]. Selbst SPD-Hardliner bei der inneren Sicherheit setzen inzwischen aber statt einer Identifizierungspflicht gegenüber Netzwerkbetreibern auf eine stärker zielgerichtete "Login-Falle" [21].

"Eine technisch sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist für uns selbstverständlich", hält die Partei fest. "Digitale Hintertüren sollen nicht offen gehalten werden." Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) will sie als "zentrale, unabhängige und ausschließlich präventiv ausgerichtete Cybersicherheitsbehörde" stärken und die Verschlüsselungsforschung ausbauen. Hersteller sollen verpflichtet werden, ihre Produkte und Dienste so zu konzipieren, dass sie sicher sind bei den Voreinstellungen die sicherste Variante wählen (Security by Design and by Default).

Im Kampf gegen Cyberattacken, Desinformation und Terrorismus wollen die Sozialdemokraten dafür sorgen, "dass Bund, Länder und Kommunen besser und schneller Hand in Hand arbeiten können". Zudem sei auch im Netz ein konsequentes Vorgehen gegen Hasskriminalität, Betrug und andere Straftaten entscheidend. Dafür brauche es "personell hinreichend ausgestattete Strafverfolgungsbehörden". Die nationalen Schutzvorschriften im Strafgesetzbuch und Netzwerkdurchsetzungsgesetz sollen weiterentwickelt werden, verbindliche Regeln auf europäischer Ebene mit dem Digital Service Act kommen.

"Statt immer weitergehender Überwachungsbefugnisse wollen wir Polizei und Justiz von unnötiger Bürokratie befreien sowie besser und moderner ausstatten", geben die Liberalen als Parole aus. Sicherheit müsse nicht zulasten der Grundrechte unbescholtener Bürger gehen.

Eine potenziell "lückenlose digitale Überwachung" durch Staatstrojanern lehnt die FDP ab, insbesondere bei Geheimdiensten. Solange nicht sichergestellt sei, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung der Menschen geschützt werde, habe ihr Einsatz zu unterbleiben. Die Partei macht sich für eine "Priorität für die IT-Sicherheit" und ein klar geregeltes Schwachstellen-Management [22] stark. Der Staat dürfe keine Sicherheitslücken für Ermittlungszwecke aufkaufen. Wenn einer staatlichen Stelle Schwachstellen bekannt würden, müsse sie diese umgehend dem BSI melden, um sie abzudichten oder die Gefahr öffentlich zu machen.

Die Liberalen sind ferner gegen die anlasslose Speicherung personenbezogener Daten, was insbesondere für das Protokollieren von Nutzerspuren auf Vorrat gelte. Ein verdachtsbezogenes Quick-Freeze-Verfahren [23] sei eine grundrechtsschonende Alternative.

Verankern will die Partei ein Recht auf Anonymität im öffentlichen und digitalen Raum. Der Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung soll daher verhindert werden, da sonst eine Totalüberwachung drohe. Die Ausweitung privater Videoüberwachung, die dann für staatliche Zwecken nutzbar gemacht wird, sieht die FDP kritisch. Eine "intelligente Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten" könne aber eine "sinnvolle Ergänzung zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sein", wenn Polizeipräsenz nicht ersetzt werde.

Wie die SPD verlangen die Liberalen eine Überwachungsgesamtrechnung. Bis diese stehe, brauche es ein Sicherheitsgesetz-Moratorium". Polizisten sollen aber "mit dem neuesten Stand der Technik und mit kompatiblen IT-Infrastrukturen ausgerüstet" werden. Europol zu einem echten Europäischen Kriminalamt mit "eigenen operativen Möglichkeiten" ausgebaut werden. Beim EU-weiten Kampf gegen Terror und organisiertes Verbrechen ist die FDP auf einer Linie mit den Grünen.

Die Kontrolle der Geheimdienste wollen die Freien Demokraten umfassend verbessern. Da die nachrichtendienstliche Überwachung für die Betroffenen einen massiven Eingriff in ihre Grundrechte darstelle, sei ihnen sowie den Telekommunikationsfirmen "effektiver Rechtsschutz zu gewähren und eine praktisch wirksame Klagebefugnis".

"Jede Einschränkung des Einsatzes von Kryptographie und jede Verpflichtung zum Offenhalten von IT-Sicherheitslücken lehnen wir ab", steht in dem Plan der FDP [24]. Dies gelte auch für Hackbacks. Unternehmen, die umfangreichen Einflussmöglichkeiten autoritärer Regime unterliegen, dürften beim Ausbau kritischer Infrastruktur wie dem 5G-Netz nicht beteiligt werden. Das BSI soll weiter aufgerüstet werden.

Wahlkampf digital:

(Bild: Juergen Priewe/Shutterstock.com)

Ganz ohne politisches Getöse, rhetorisches Säbelrasseln und tollkühne Zukunftsversprechen wird der Bundestagswahlkampf 2021 nicht vorübergehen, auch wenn Bratwurst, Freibier und Stimmungsreden als Stilmittel der Mobilisierung zu großen Teilen ausfallen. Als Alternative bleiben das Netz und die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten. Ein Blick auf einen Wahlkampf in Digitalien:

"Zur Verbesserung der Fahndungsmöglichkeiten sollen die Polizeibehörden an kriminalitätsneuralgischen Plätzen und Gebäuden eine Videoüberwachung mit biometrischer Gesichtserkennung einsetzen können", verlangt die AfD. Bei der Fahndung nach unbekannten Tätern soll es erlaubt werden, "vorhandenes DNS-Spurenmaterial auch auf biogeografische Merkmale der gesuchten Person untersuchen zu lassen". Man wende sich aber "gegen jeglichen Missbrauch digitaler Techniken, die zur Überwachung oder Bevormundung von Bürgern und Unternehmen führen".

Den behördlich organisierten "Verfassungsschutz", der die AfD beobachtet, muss dem Programm der AfD zufolge [28] "schnellstmöglich auf den Prüfstand gestellt und so reformiert werden, dass er in Zukunft nicht mehr als parteipolitisches Instrument gegen politische Gegner missbraucht werden kann".

Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowie Datenschutz durch Technik und Voreinstellungen wollen die Rechtskonservativen gesetzlich als Standard verankert wissen. Öffentliche Ausgaben für die Erforschung und Anwendung von Quanten-Kryptographie müssten aus Gründen der nationalen Sicherheit, der Vermeidung von Wirtschaftsspionage und für die IT-Sicherheit der Bürger umgehend und deutlich aufgestockt werden.

Kommunale kritische Infrastrukturen und Einrichtungen müssten besser vor Hackerangriffen geschützt werden, lautet ein weiterer Appell. Das BSI soll zu einer Behörde des digitalen Verbraucherschutzes ausgebaut werden. Die zahlreichen IT-Sicherheitsgesetze und -strategien hierzulande müssten umgehend aktualisiert und konsolidiert werden, da die Komplexität sonst zu hoch sei. Behörden dürften keine Software-Hintertüren nutzen: "Sicherheitslücken sind sofort zu melden und konsequent zu schließen."

"Videoüberwachung im öffentlichen Raum muss beendet werden", schreibt die Linke [29], die automatisierte Gesichtserkennung verbieten will. Sie lehnt die anlasslose Vorhaltung biometrischer Daten wie Passfotos und Fingerabdrücken ab: "Entsprechende Speicherungen in Registern und in Ausweisdokumenten wollen wir rückgängig machen."

Den Einsatz von Staatstrojanern etwa für die Quellen-TKÜ will die Linke ebenso untersagen wie Spyware aller Art sowie den Aufkauf von Sicherheitslücken. Das Recht auf Privatsphäre, sichere Kommunikation und Verschlüsselung soll dagegen gesetzlich verankert werden. Forschung zur IT-Sicherheit müsse stärker gefördert und dürfe nicht kriminalisiert werden.

Die Verfassungsschutzbehörden will die Partei in der aktuellen Form auflösen und stattdessen antifaschistische Arbeit in der Zivilgesellschaft fördern und eine unabhängige Beobachtungsstelle einsetzen.

Die Vorratsdatenspeicherung von IP-, Mobilfunkverbindungen und -standorten soll ebenfalls verboten werden. Eine Ausweispflicht für E-Mail-, Messenger-Dienste und Ähnliches dürfe es nicht geben. Die behördliche Speicherung personenbezogener Daten müsse auch für Geflüchtete der Verhältnismäßigkeit und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechen.

Im Bereich der Abwehr von Angriffen auf die IT-Sicherheit haben Bundeswehr und Geheimdienste nichts zu suchen, betont die Linke. Sie will die Unabhängigkeit BSI stärken und dessen Beratungs- und Hilfsangebote ausbauen. Die Sicherheit von Daten soll "by Design" gewährleistet werden: "Wir müssen darauf vertrauen können, dass unser Online-Banking, unsere elektronische Krankenakte, unsere Daten bei jeglichen Ämtern sicher sind und nicht in falsche Hände geraten."

Die Partei will die Entwicklung und den Betrieb von Open-Source-Betriebssystemen und Anwendungen staatlich fördern, um die Nachvollziehbarkeit, Kontrolle und Verbesserung der Systeme zu ermöglichen. Öffentliche Stellen müssten zur Anwendung freier Soft- und Hardware verpflichtet werden, "um die vollständige Kontrolle der Behörden und der Gesellschaft über die eingesetzte Technologie zu gewährleisten". Die Haftung der Hersteller für IT-Sicherheit müsse ausgeweitet werden. An gesetzlichen Vorgaben zur Produktlebensdauer, die verpflichtenden Support und Sicherheitsupdates für diese Zeit vorsehen, führe kein Weg vorbei.

(olb [30])


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[2] https://www.heise.de/news/Bundestagswahl-2021-Wie-es-im-Gesundheitssystem-weitergehen-soll-6160497.html
[3] https://www.heise.de/news/Bundestagswahl-2021-Was-die-Parteien-von-Datenschutz-und-Datenkraken-halten-6160834.html
[4] https://www.heise.de/news/Analyse-Schnueffelwerkzeuge-fuer-Geheimdienste-6135918.html
[5] https://www.ein-guter-plan-fuer-deutschland.de/programm/CDU_Beschluss%20Regierungsprogramm.pdf
[6] https://www.heise.de/news/EU-Kommission-lotet-Optionen-fuer-neue-Vorratsdatenspeicherung-aus-6135749.html
[7] https://www.heise.de/news/EuGH-Urteile-Der-alte-Zombie-Vorratsdatenspeicherung-lebt-4922543.html
[8] https://www.heise.de/news/E-Evidence-EU-Parlament-unterstuetzt-internationalen-Zugriff-auf-Cloud-Daten-4985093.html
[9] https://www.heise.de/news/Gesichtserkennung-Globaler-Appell-zum-Verbot-biometrischer-Ueberwachung-6064806.html
[10] https://www.heise.de/news/Predictive-Policing-Die-deutsche-Polizei-zwischen-Cyber-CSI-und-Minority-Report-3685873.html
[11] https://www.heise.de/tp/features/Europas-groesste-Polizeidatenbank-wird-ausgeweitet-4260750.html
[12] https://www.heise.de/news/EU-soll-Gesichtsbilder-von-Fluechtlingen-und-Biometriedaten-von-Kindern-speichern-3198084.html
[13] https://www.heise.de/news/ESTA-fuer-Europa-EU-Vorkontrolle-visafreier-Reisender-soll-2021-starten-4156695.html
[14] https://www.heise.de/news/Geheimgutachten-zu-Hackbacks-Eindringliche-Warnung-vor-digitalem-Gegenschlag-4512930.html
[15] https://www.heise.de/news/Bundesregierung-Ueberwachungsgesamtrechnung-ist-ueberfluessig-6004760.html
[16] https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wahlprogramm_DIE_GRUENEN_Bundestagswahl_2021.pdf
[17] https://www.heise.de/news/Wahlprogramm-Gruene-sind-fuer-Staatstrojaner-zur-Strafverfolgung-5993700.html
[18] https://www.heise.de/tp/features/Gruenen-Wahlprogramm-Im-Zweifel-fuer-das-Kanzleramt-6069976.html
[19] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD-Zukunftsprogramm.pdf
[20] https://www.heise.de/news/SPD-Wahlprogramm-Gigabit-Gesellschaft-Identifizierungspflicht-und-Tempolimit-5070104.html
[21] https://www.heise.de/news/Identifizierungspflicht-Innenministerkonferenz-will-Login-Falle-6111541.html
[22] https://www.heise.de/news/Staatstrojaner-Verfassungsgericht-auf-Holzweg-oder-in-dubio-pro-IT-Sicherheit-6152157.html
[23] https://www.heise.de/news/Justizministerin-fuer-Vorratsdatenspeicherung-light-1170207.html
[24] https://www.fdp.de/sites/default/files/2021-06/FDP_Programm_Bundestagswahl2021_1.pdf
[25] https://www.heise.de/hintergrund/Ein-Wahljahr-in-Pandemie-Zeiten-Droht-ein-digitaler-Wildwest-Wahlkampf-6055832.html
[26] https://www.heise.de/hintergrund/Online-Wahlkampf-in-Pandemie-Zeiten-Politiker-klatschen-digital-zur-Landung-6050664.html
[27] https://www.heise.de/hintergrund/Wahlkampf-in-Digitalien-Steile-Inszenierung-und-flache-Debatte-6060906.html
[28] https://cdn.afd.tools/wp-content/uploads/sites/111/2021/06/20210611_AfD_Programm_2021.pdf
[29] https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm-2021/
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