Bundeswettbewerb KI: Zwar nur ein Teilbereich der Informatik, aber ein wichtiger

Der BWKI zeigt sich spezialisierter als "Jugend forscht", erklärt seine Koordinatorin. Mit KI könne sich durch einen kostenlosen Kurs aber jeder beschäftigen.

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(Bild: AlesiaKan/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.

Der Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz (BWKI) findet in diesem Jahr zum sechsten Mal statt. Gerade ist die Anmeldephase gestartet. Was den Wettbewerb von "Jugend forscht" unterscheidet, welche Angebote zum Thema KI Schulen und Interessierte auch ohne Teilnahme nutzen können, und wer über Projektideen entscheidet, hat Dr. Caroline Schmidt, Koordinatorin des Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz, heise online erklärt:

Dr. Caroline Schmidt - Koordinatorin des BWKI

Dr. Caroline Schmidt ist seit der ersten Runde Projektkoordinatorin des Bundeswettbewerb KI. Gemeinsam mit ihrem Team betreut sie die Teilnehmenden des Wettbewerbs, vernetzt Alumni und entwickelt Lernmedien zum Thema KI. Mit Leidenschaft arbeitet sie in der auĂźerschulischen MINT-Bildung, fĂĽr den BWKI und im TĂĽbinger Makerspace.

Der Wettbewerb "Jugend forscht" sagt in Deutschland vermutlich dem GroĂźteil der Menschen etwas. Der Bundeswettbewerb KI ist noch vergleichsweise jung. Was unterscheidet den BWKI von "Jugend forscht"?

Das ausschlaggebende Kriterium und der große Unterschied zu "Jugend forscht" ist, dass die Teilnehmenden beim BWKI die Methoden des maschinellen Lernens anwenden, das heißt ein künstliches neuronales Netz entwickeln müssen. Wir bedienen mit dem BWKI ein Fachgebiet – quasi eine Nische – der Informatik.

Haben die SchĂĽlerinnen und SchĂĽler eine besonders gute Idee fĂĽr die Erstellung eines Programms oder eine programmierte Anwendung, sind sie bestens bei "Jugend forscht" aufgehoben. Bedarf die Umsetzung der Projektidee allerdings ein selbstlernendes System, wie etwa eine Bild- oder Spracherkennung, ist der BWKI die richtige Adresse. Entsprechend unterscheidet sich auch die Jury bei den Wettbewerben. Beim BWKI kommen die Mitglieder immer aus der Forschung und dem Anwendungsbereich des maschinellen Lernens.

Welche Projekte haben euch in den vergangenen Jahren besonders beeindruckt?

Besonders beeindruckend war eines der ersten Gewinnerprojekte. Ein Team hat einen Algorithmus entwickelt, der Bahnverspätungen vorhersagt. Auf der Webseite Bahnvorhersage kann man seine geplante Bahnverbindung eingeben und erhält eine Abschätzung über mögliche Verspätungen.

Ein weiteres Projekt, welches das Wettbewerbsteam, sowie Publikum und die Jury schwer beeindruckt hat, ist das Gewinnerprojekt des Vorjahres: inspiriert von Elon Musks Plänen, einen Chip im Hirn einzupflanzen. Um Bewegungen gedankengesteuert auszuführen, hat sich ein Jugendlicher zum Ziel gesetzt, eine vergleichbare nicht-invasive Methode zu entwerfen. Mithilfe einer selbst entwickelten EEG-Kappe kann er Gehirnsignale auslesen, die dann durch einen Algorithmus bestimmten Bewegungsausführungen zugeordnet werden können. So könnte sich eine schwerbehinderte Person allein mit Kraft der Gedanken den Weg durch den Alltag bahnen – vergleichbar mit Elon Musks Neuralink-Anwendung, nur ohne Operation.

Hat sich der Wettbewerb seit Veröffentlichung von ChatGPT und anderer leicht zugänglicher KI-Tools verändert?

Bislang spürt man diesbezüglich noch keine großen Veränderungen. Aber natürlich wächst aktuell der Anteil an Projekten, die generative KIs nutzen oder im Fokus haben. Es gab bislang einige Projekte in den letzten zwei Jahren, die sich mit der Entlarvung von KI-generierten Inhalt beschäftigt haben. In den ersten Wettbewerbsjahren gab es vor allem viele Einreichungen, die mit Bilderkennung gearbeitet haben oder einen Fokus auf medizinische Fragestellungen legten. Hier sehen wir ganz klar einen Wandel. Mehr und mehr reichen die Teilnehmenden Projekte ein, die Fake-Inhalte im Netz oder Hetze in sozialen Medien unter die Lupe nehmen.

Was ist, wenn ein Projekt ins Stocken gerät und Teilnehmende Hilfe brauchen?

Die Teilnehmenden sind eingeladen, sich auf unserem Discord-Server auszutauschen. Hier treffen sich viele Personen, die an den Angeboten des BWKI teilnehmen. Probleme bei der Programmierung werden gemeinsam bewältigt oder Teampartner werden gesucht. Kommt keine Antwort aus der Community oder gibt es eine spezifische Frage zum Wettbewerbsablauf, antwortet das BWKI-Team und sucht nach Lösungen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Rechenkapazität benötigt wird oder Unklarheit herrscht, ob das Projektthema relevant sein könnte.

Wie haben sich die Teilnehmerzahlen über die Jahre verändert?

Die Teilnehmendenzahlen sind gewachsen, beginnend bei 120 bis 150 pro Jahr. Besonders gewachsen sind die Teilnehmendenzahlen bei unserem kostenfreien Onlinekurs, den man zur Vorbereitung des Wettbewerbes nutzen kann, oder nur zum Erlernen der Grundlagen der KI. Hier haben wir bereits mehr als 10.300 User:innen, mit einer monatlichen Zunahme von zuletzt 600 Personen pro Monat.

Wie viele Stunden umfasst der Kurs mit seinen verschiedenen Modulen ungefähr?

Der kostenfreie Online KI-Kurs wurde Ende 2020 als kleines Lernmodul veröffentlicht und hat sich seitdem zu einem umfangreichen Online-Kurs mit einem Arbeitsumfang von mehr als 160 Stunden entwickelt. Das Ziel des Kurses ist es, die Breite zu fördern und allen Interessierten die Grundlagen der KI zu vermitteln. Hierfür findet man drei zentrale Kapitel im Kurs. Das Herz des Kurses beschäftigt sich mit der Programmierung – man kann Python von null auf lernen, bis hin zur Anwendung im ersten KI-Projekt. Zusätzlich vermitteln wir in zwei weiteren Kapiteln wissenschaftsgeschichtliche Hintergründe rund um das Thema KI und den ethisch korrekten Umgang und Einsatz von KI-Anwendungen in der Gesellschaft. Der Kurs ist so angelegt, dass er direkt im Unterricht eingesetzt werden kann, etwa auch, indem man einen virtuellen Klassenraum anlegt. Will man die Lerninhalte allein nutzen, geht das natürlich auch.

Gibt es Schulen, die sich mit ihren Projektideen als Dauergäste bei euch etablieren?

Die meisten Projekte im Wettbewerb werden von einzelnen Schüler:innen, unabhängig von der Schule, eingereicht. Eine Einbindung der Wettbewerbsvorbereitung im Schulunterricht gibt es bislang nicht. Das liegt oftmals am fehlenden Unterrichtsfach Informatik, beziehungsweise am zu geringen Umfang. Dennoch gibt es einzelne Lehrkräfte, die gezielt Heranwachsende ansprechen und unterstützen. Wir würden uns für die Zukunft wünschen, dass die Wettbewerbsteilnahme ein fester Bestandteil in der Schulbildung wird.

Was wir allerdings sehen, ist, dass es Schulen gibt, die im Unterricht oder in AGs unseren Online-Kurs nutzen. Die Schule, die am aktivsten während eines Schuljahres daran teilnimmt, erhält den Titel "KI Schule des Jahres". In den letzten drei Jahren waren das das Coppernicus-Gymnasium Norderstedt (SH), das Gymnasium Neuenbürg (BW) und das St. Augustin Gymnasium zu Grimma (SN).

Welches Feedback bekommt ihr von Lehrkräften bezüglich des Wettbewerbs?

Der Wettbewerb fördert die Schüler in einem besonderen Maße, vor allem in der eigenständigen und interdisziplinären Arbeit. Hierfür bekommen wir ein sehr positives Feedback der Lehrkräfte. Wie vorher schon gesagt, sind die Schulen leider noch nicht flächendeckend in die Betreuung der Wettbewerbsprojekte eingebunden. Allerdings nutzen bereits viele Lehrkräfte unser Lehrmaterial aus dem Online-KI-Kurs. Hier erhalten wir ein sehr positives Feedback. Es gibt aktuell nur sehr wenig Lehrmaterial für dieses Gebiet. Es wird besonders der Umfang, Inhalt und die Benutzerfreundlichkeit gelobt. Viele Schulen haben den Kurs bereits in ihren regulären Unterrichtsablauf eingebunden.

Welche Themen möchtet ihr über den BWKI hinaus ansprechen?

Für uns ist das ganzheitliche Konzept einer KI-Entwicklung wichtig. Eine KI ist viel mehr als ein Code. Das Projekt muss einen nachhaltigen Nutzen in der Gesellschaft bringen und auch ausschließlich mit einem KI-Ansatz lösbar sein. Das Projekt darf außerdem ethische und demokratische Werte nicht verletzen. Der Daten- und Personenschutz muss gewährleistet bleiben und eine Diskriminierung bestimmter Menschengruppen darf nicht vorkommen.

Im Super-Wahljahr 2024 stehen beim BWKI natürlich die Themen Demokratie und Freiheit im Vordergrund. Wir werden uns diesen Themen vor allem in unseren sozialen Netzwerken während des Wettbewerbsjahres widmen und entsprechende Info-Kampagnen erstellen, zum Beispiel welchen Einfluss KI in Wahlvorgängen haben kann. Das kann auch Ideenanstöße für mögliche Projekteinreichungen geben.

Wer steht hinter dem Wettbewerb?

Der Bundeswettbewerb KI wird vom Tübingen AI Center organisiert, einem BMBF geförderten Kompetenzzentrum der Universität Tübingen und des Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme. Der Wettbewerb ist dort im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt und agiert gemeinnützig. Der Hauptförderer der Initiative ist die Carl-Zeiss-Stiftung. Zudem wird der Wettbewerb noch von anderen Sponsoren und Kooperationspartnern unterstützt.

Ein erstes relevantes Qualitätssiegel hat der Wettbewerb 2022 erhalten, als er in die "Arbeitsgemeinschaft bundesweiter Schülerwettbewerbe" aufgenommen wurde. Aktuell läuft die Bewerbung um die Aufnahme in die Empfehlungsliste der Kultusministerkonferenz. Ein wichtiger Schritt für uns, denn ab dann kann die Wettbewerbsteilnahme den Schülerinnen und Schülern als erbrachte Schulleistung flächendeckend anerkannt werden.

Wie wird die Jury benannt und wie viele Jurymitglieder gibt es?

Die 15-köpfige Jury setzt sich aus einem transdisziplinären Team zusammen – eine Mischung aus ehemaligen und neuen Mitgliedern. Dies gewährt eine gute Balance zwischen dem Vergleich bisheriger Projekte und unabhängiger Beurteilung. Sie vertreten die Kategorien Wissenschaft, Kreativität, Anwendung, Nachhaltigkeit, Gesellschaft und Alumni. Neben den Initiatoren des Wettbewerbes – Prof. Matthias Bethge, Dr. Wieland Brendel und Prof. Bernhard Schölkopf – , zählten zur Jury der letzten Jahre beispielsweise Ranga Yogeshwar, Suzanna Randall, Kenza Ait Si Abbou, die Leibniz-Preisträgerin Veronika Eyring, sowie Menschen aus Unternehmen, wie Bosch, Festo oder diversen Start-ups.

Anmerkung der Redaktion: heise Medien ist Partner des Bundeswettbewerb KI. c't-Redakteurin Pina Merkert ist auch in diesem Jahr Mitglied der Jury.

Bundeswettbewerb KI (BWKI)

Seit dem Jahr 2019 gibt es den Bundeswettbewerb KI (BWKI). Die Initiatoren sind Forschende des Tübingen AI Centers. Das Tübingen AI Center ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Kompetenzzentrum der Universität Tübingen und des Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme. Der Hauptförderer der Initiative ist die Carl-Zeiss-Stiftung. Der BWKI bietet neben seinem Wettbewerb auch einen kostenlosen KI-Kurs für alle Interessierten an. Schulen, die diesen Kurs besonders viel nutzen, habe die Chance "KI-Schule des Jahres" zu werden.

(kbe)