COP26: Japan bewirbt CO2-Speicherung – und vor allem Recycling

Japan lehnt eine "einseitige Förderung" erneuerbarer Energien ab. Stattdessen hofft das Land, dass die Klimakonferenz auch fossile Energieträger leben lässt.

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(Bild: nicostock/Shutterstock.com)

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Von
  • Martin Kölling
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Leaks sind schon lange Teil der internationalen Politik. Kurz vor der globalen Klimakonferenz COP26 in Glasgow wollen offenbar einige in den Vereinten Nationen (UN) Druck auf Länder erhöhen, die beim Übergang zu einer klimaneutralen Welt weiterhin fossilen Brennstoffen eine Chance geben wollen.

Der britische Sender BBC berichtete vorige Woche über das Daten-Leck von 32.000 Eingaben von Regierungen und Organisationen an den Klimaschutzrat. Die Eingaben würden zeigen, "dass Saudi-Arabien, Japan und Australien zu den Ländern gehören, die die UN auffordern, die Notwendigkeit eines raschen Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen herunterzuspielen," behauptet BBC.

Bei den Ölstaaten am Golf und dem Kohle-Lieferanten Australien dürfte diese Lobbyarbeit niemanden überraschen. Aber Japan importiert nur fossile Brennstoffe und exportiert sie nicht. Ein schneller Ausbau von erneuerbaren Energien würde daher theoretisch nicht nur zur Senkung von Treibhausgasemissionen beitragen, sondern auch die Abhängigkeit von Öl-, Gas- und Kohle-Lieferanten senken. Nur macht die japanische Regierung kein Geheimnis daraus, dass sie anders denkt.

Taro Aso, bis September Vize-Ministerpräsident des Landes und jetzt Vizepräsident der regierenden liberal-demokratischen Partei, versuchte am Montag das Thema Erderwärmung im Wahlkampf auf der früher kühlen nördlichen Insel Hokkaido positiv zu besetzen. Bisher ist sie Japans wichtigste Kartoffelregion. Aber Aso freute sich, dass dort "dank der globalen Erwärmung" auf einmal Spitzenreis wachse. Früher sei der Reis aus der Region als "miserabler Straßenreis" bezeichnet worden: "Jetzt gewinnt er Goldmedaillen und wird exportiert."

Japans Regierungschef Fumio Kishida bat zwar später für Aso Äußerung um Entschuldigung. Aber gerade vor der COP26-Tagung betonen die Unterhändler der Regierung, dass der Klimagipfel nicht nur einen Pfad zur Null-Emissionswelt fördern solle, sondern mehrere Optionen, sprich fossile Brennstoffe mit Kohlendioxidabscheidung, -speicherung und Nutzung (CCUS). Denn in den Augen der Japaner sind die Bedingungen in jedem Land unterschiedlich, die Antworten sollten es daher auch sein.

Japans Wirtschaftsplaner denken dabei nicht nur an Entwicklungsländer, denen oft die Mittel für eine schnelle Energiewende fehlen. Zumal die Industrieländer selbst den zugesagten Hilfsfonds noch nicht gefüllt haben. Sie denken auch an die Energiesicherheit daheim.

Die japanische Strategie beispielsweise richtet die Regierung nicht nur am Ziel der Emissionssenkung aus, sondern auch an sicherer Energieversorgung und niedrigen Strompreisen. Dies spiegelt sich auch im derzeitigen Energieplan wider.

Um bis 2050 netto nicht mehr Kohlendioxid zu emittieren als gebunden werden kann, peilt Japans Regierung für das Zieljahr derzeit einen Beitrag erneuerbarer Energien am Strommix von bis zu 60 Prozent an. Für die restlichen 40 Prozent setzen die Planer derzeit neben Atomkraft auch auf fossile Brennstoffe sowie möglichst kohlendioxidemissionarm produzierten Wasserstoff und Ammonium.

Um dennoch das Emissionsziel zu erreichen, will Japan massiv CCUS-Technologien fördern. Auf dem COP26-Gipfel wird die Regierung die bisherigen Projekte und Pläne auf dem Japan-Pavillon prominent herausstellen. Immerhin elf Organisationen und 32 Firmen werden an dem Stand repräsentiert.

Kritiker wenden zwar ein, dass viele dieser Technologien noch nicht in Massen einsetzbar seien, aber die Menschheit die Emissionen schon kurzfristig drastisch senken müsse, um die negativen Folgen des Klimawandels noch irgendwie handhaben zu können. Aber Japans Regierung setzt darauf, dass technische Durchbrüche möglich sind, wenn nur genug Geld zur Verfügung gestellt wird.

Wie der Fortschritt ablaufen soll, stellt Hiroshi Tsuchiya, der für Kohlenstoff-Recycling zuständige Beamte im Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie, am Thema Kohlendioxidnutzung dar. Allein in diesem Jahr beträgt Japans Förderetat für diesen Bereich rund 400 Millionen Euro, und dies laut Tsuchiya nicht ohne Grund: "Kohlenstoff-Recycling ist eine Schlüsseltechnologie für die Verwirklichung einer kohlenstoffneutralen Gesellschaft, die Kohlendioxid auch als Rohstoff nutzt, und Japan hat auf diesem Gebiet einen Wettbewerbsvorteil."

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Derzeit befinde sich die Entwicklung in der ersten Phase, erklärt der Beamte in einem Pressegespräch im Foreign Press Center. Dazu gehört die Anwendung von Technologien, die CO2 in der Chemie- und Zementindustrie sowie für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe nutzen. Ab 2030, wenn erstmal genug Wasserstoff zur Verfügung steht, erwarten die Planer einen massiven Ausbau der Wiederverwertung des Treibhausgases in hochwertigeren Produkten wie Polycarbonat.

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Ab 2040 sieht der Zeitplan dann vor, dass die Kosten dieser Technologien so sehr gesunken sind, dass Kohlenstoff-Recycling auch bei der Produktion von Massenprodukten zum Standard wird. Um die Entwicklung anzutreiben, hat Japans Regierung vor zwei Jahren einen Kohlenstoff-Recycling-Fonds gegründet. Nun versucht sie, das Thema mit internationalen Konferenzen und Allianzen bei Klimakonferenzen weiter oben auf der Tagesordnung zu platzieren.

Denn der Schlüssel zum Erfolg sei offene Innovation, meint Tsuchiya. Japan habe Stärken in der Chemieindustrie und Katalysatoren, der Herstellung von Materialien sowie bei Produktionstechnologien. "Aber wir schließen uns nicht ab, sondern suchen die Zusammenarbeit." Japan kooperiere bereits stark mit Deutschland, so der Beamte. "Wir hoffen, dass wir wirklich Hand in Hand zusammenarbeiten können."

(bsc)