Das Problem mit dem Rebound

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Zum Rebound tragen verschiedene Mechanismen bei. Das eingangs erwähnte Glühbirnenbeispiel ist ein Fall von sogenanntem direktem Rebound. Sparsamere Lampen erzeugen billigeres Licht; was weniger kostet, wird mehr nachgefragt. Wenn der Preis der Energie sehr tief ist, fällt der direkte Rebound gering aus: Es ist bei den heutigen Strompreisen kaum anzunehmen, dass jemand eine Energiesparlampe länger brennen lässt, als er eine herkömmliche Glühbirne brennen ließe, nur weil ihr Licht weniger kostet. Auch Benzin ist (noch) zu billig, als dass bei sparsameren Autos ein großer direkter Rebound zu erwarten wäre – jedenfalls hierzulande. In Ländern mit tiefen Einkommen könnte das anders aussehen, und das von vielen Umweltschützern erträumte Zweiliterauto könnte sich im globalen Maßstab als Alptraum herausstellen, wenn es Ähnliches bewirkt wie die Wolframlampen vor hundert Jahren.

Daneben gibt es indirekte Formen von Rebound. Wer Energie spart, spart auch Geld. Aber dieses Geld gibt man wieder für etwas anderes aus, das ebenfalls Energie verbraucht. Wer dank besserer Isolation seines Hauses ein paar Hundert Euro im Jahr für Heizöl spart, fliegt damit vielleicht einmal mehr in die Ferien. Verhindern lässt sich diese Form von Rebound nur, wenn man dafür sorgt, dass das Geld gar nicht in Umlauf gerät – zum Beispiel, indem man weniger arbeitet. Das wäre dann Suffizienz.

Selbst Suffizienz ist aber nicht vor einer weiteren Form des Rebound gefeit: Wenn ich weniger Energie brauche, sinkt die Nachfrage, was auf den Preis drückt, was wiederum die Nachfrage erhöht (general equilibrium effects). Salopper ausgedrückt: Was ich spare, verbraucht ein anderer. Schließlich verändern technische Effizienzsteigerungen das Konsumverhalten (transformational effects). Dazu gehört, dass ein Verkehrsmittel wie das Auto, wenn es effizienter wird, Verkehrs- und Siedlungstrukturen und soziale Normen schafft, die wiederum mehr Verkehr hervorbringen.

Unsichtbar und kaum zu messen

Reboundeffekte kommen auch in anderen Bereichen vor. So hat die Waschmaschine den Haushalten keine Zeitersparnis gebracht: Es wird heute einfach öfter gewaschen. Und weil mehr riskiert, wer sich sicherer fühlt, bringen Sicherheitstechniken im Verkehr nicht unbedingt einen Sicherheitsgewinn. In Australien haben die Kopfverletzungen pro gefahrene Kilometer zugenommen, seit dort die Helmpflicht für Fahrradfahrer eingeführt wurde: ein Fall von Backfire.

Das widerspricht unserer Alltagserfahrung: Man sieht leicht das Unfallopfer, das dank Helm glimpflich davongekommen ist. Ob der Helm zu einer riskanteren Fahrweise beigetragen und damit den Unfall mitverursacht hat, lässt sich im Einzelfall nicht feststellen und nur indirekt mit statistischen Mitteln abschätzen. Das selbe gilt für Energiesparmaßnahmen: Wenn ich dank besserer Isolation weniger heize, sehe ich das an der tieferen Heizölrechnung. Die indirekten Reboundeffekte sind nicht sichtbar. Was unsichtbar ist, lässt sich schwer messen. Das staatliche britische Energieforschungszentrum hat 2007 einen Bericht vorgelegt, der den Stand der Forschung zum Energie-Rebound überblickt. Fazit: Man weiß sehr wenig. Einigermaßen robuste Zahlen gibt es lediglich zum direkten Rebound und lediglich zu Bereichen wie Verkehr und Haushalt in Industriestaaten – hier wird der Effekt auf zehn bis dreißig Prozent geschätzt. Kaum brauchbare Schätzungen gibt es zum Gesamtrebound sowie zu ärmeren Ländern. Es sei jedoch, schreibt die Studie, davon auszugehen, dass der Gesamtrebound in vielen Fällen mehr als fünfzig Prozent betrage – das heißt, dass weniger als die Hälfte des technischen Sparpotenzials tatsächlich genutzt wird. In gewissen Fällen sei auch mit Backfire zu rechnen – vor allem dann, wenn eine Effizienzsteigerung zu Wirtschaftswachstum führe. Auf jeden Fall »wäre es falsch anzunehmen, Reboundeffekte seien so gering, dass man sie vernachlässigen könnte«. Genau das tut aber die Politik, das tun große Teile der Wissenschaft und auch das IPCC. Der IPCC-Bericht von 2007 erwähnt Rebound fünfmal und erklärt den Begriff im Glossar. Er geht aber nicht darauf ein: Die Formulierungen lauten »Einige argumentieren, es gebe einen Rebound-Effekt« oder »Es mangelt an Schätzungen über den Ausmaß des Rebound-Effekts«.