Deep Learning zur Erforschung der Entstehung von Eiskristallen

Ein neuer Algorithmus könnte bei der Klimaforschung helfen und bestehende Modelle in ihrer Genauigkeit verbessern.

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Rohes Eis

Eisblume

(Bild: Annick Monnier, Fleur de givre, Lizenz CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tammy Xu
Inhaltsverzeichnis

Klimamodelle sind wichtig, um vorherzusagen, wie sich die Erderwärmung vollzieht. Doch immer noch gibt es Bereiche, die nicht sonderlich genau sind. Hier kann die KI-Technik des Deep Learning helfen. Eine Forschergruppe hat nun gezeigt, wie sich damit erstaunlich genau simulieren lässt, wie sich Eiskristalle in der Atmosphäre bilden.

Damit könnte sich die Genauigkeit von Wetter- und Klimavorhersagen erheblich verbessern, so die in PNAS erschienene Studie. Sie zeigt auch das Potenzial auf, was mit Verfahren aus der Künstlichen Intelligenz möglich ist.

Die Forscher nutzten Deep Learning unter anderem, um vorherzusagen, wie sich Atome und Moleküle in der Atmosphäre verhalten. Zunächst wurden die Modelle dazu an kleinen Simulationen von nur 64 Wassermolekülen trainiert, um zu ergründen, wie die Elektronen in den Atomen miteiander interagieren. Anschließend replizierten die Modelle diese Interaktionen in einem größeren Maßstab mit immer mehr Atomen und einzelnen Molekülen. Dank dieser Fähigkeit, die die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen präzise simuliert, konnte das Team dann das gesamte physikalische und chemische Verhalten sehr genau vorhersagen.

"Die Eigenschaften einer Materie ergeben sich aus dem Verhalten ihrer Elektronen", sagt Pablo Piaggi, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Princeton University und Hauptautor der Studie. "Wenn wir explizit simulieren, was auf dieser Ebene passiert, können wir sehr viel umfangreichere physikalische Phänomene erfassen." Vom Kleinen ins Große also.

Es ist das erste Mal, dass diese Methode verwendet wurde, um etwas so Komplexes wie die Bildung von Eiskristallen, auch bekannt als Eiskeimbildung, zu modellieren. Dieser Prozess ist enorm wichtig bei der Wolkenbildung, aus denen aller Niederschlag entsteht, auf den insbesondere in trockenen Sommern so sehr gehofft wird.

Xiaohong Liu, Professor für Atmosphärenwissenschaften an der Texas A&M University, der nicht an der Studie beteiligt war, kommentierte, dass gut die Hälfte aller Niederschläge – ob Schnee, Regen oder Graupel – als Eiskristalle beginnen, die dann größer werden und schließlich abregnen. Wenn die Forscher die Eiskristallbildung genauer modellieren könnten, würde dies der Wettervorhersage insgesamt einen großen Schub geben.

Die Eisbildung wird derzeit noch auf der Grundlage von Laborexperimenten vorhergesagt. Forscher sammeln Daten über die Eisbildung unter solchen Bedingungen – und diese Daten werden in Wettervorhersagemodelle eingespeist, die die Realität abbilden sollen. Diese Methode funktioniert manchmal gut genug, ist aber wegen der Vielzahl der Variablen, die bei den tatsächlichen Wetterbedingungen eine Rolle spielen, oft ungenau. Wenn auch nur einige wenige Faktoren zwischen Labor und realer Welt variieren, können die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. "Die Daten gelten nur für eine bestimmte Region, Temperatur oder Art einer Laborumgebung", sagt Liu.

Die Vorhersage der Eisbildung anhand der Wechselwirkung zwischen Elektronen ist viel präziser, war bislang aber stets sehr rechenintensiv. Dazu müssen die Forscher mindestens 4.000 bis 100.000 Wassermoleküle modellieren – und selbst auf Supercomputern könnte eine solche Simulation Jahre benötigen. Selbst dann könnten die Wechselwirkungen nur für 100 Pikosekunden modelliert werden. Das ist nicht lange genug, um den Prozess der Eisbildung tatsächlich zu beobachten.

Mit Hilfe von Deep Learning konnten die Forscher die Berechnungen jedoch in nur zehn Tagen durchführen. Die Zeitdauer war auch 1.000 Mal länger als bislang – zwar immer noch nur ein Bruchteil einer Sekunde, aber gerade lang genug, um die Keimbildung zu sehen. Natürlich werden genauere Modelle der Eisbildung allein die Vorhersage nicht perfekt machen, sagt Liu, da sie nur ein kleiner, wenn auch entscheidender Bestandteil der Wettermodellierung ist. Andere Aspekte sind ebenfalls wichtig – zum Beispiel das Verständnis, wie Wassertröpfchen und Eiskristalle wachsen und wie sie sich unter verschiedenen Bedingungen bewegen und interagieren.

Dennoch dürfte die Fähigkeit, genauer zu modellieren, wie sich Eiskristalle in der Atmosphäre bilden, die Wettervorhersagen wohl erheblich verbessern – insbesondere wenn es darum geht, ob und wie viel es wahrscheinlich regnen oder schneien wird. Auch die Klimavorhersage könnte dadurch genauer werden, dass man Wolken besser modellieren kann – denn diese beeinflussen die Temperatur des Planeten auf komplexe Weise.

Laut Hauptautor Piaggi könnten künftige Untersuchungen die Eisbildung modellieren, wenn sich Stoffe wie Rauch in der Luft befinden, was die Genauigkeit der Modelle noch weiter verbessern könnte. Dank der Deep-Learning-Techniken ist es sogar möglich, die Wechselwirkungen zwischen Elektronen zu nutzen, um größere Systeme über längere Zeiträume zu modellieren. "Das hat im Grunde ein ganz neues Feld eröffnet", sagt Piaggi. Neuartige Simulationssysteme, die die reale Materialchemie einbeziehen, werden denkbar.

(jle)