Industrie und Landwirtschaft verstärken Wolkenbildung und Starkregen

Partikel und Ammoniak aus Industrie und Landwirtschaft verstärken die Bildung von Wolkenkeimen und damit die klimabedingten Wetterextreme.

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Auf zahlreichen Messflügen zur Wolkenerforschung steuerte der Klimaforscher Wolfgang Junkermann das Ultraleichtflugzeug D-MIFU des KIT, das kleinste bemannte Forschungsflugzeug der Welt.

(Bild: Bodenbender/KIT)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Wie und warum sich Wolken bilden, ist noch immer nicht so richtig erforscht. Dabei spielen sie ja eine ganz entscheidende Rolle für das Wettergeschehen auf der Erde. Der Wasserdampf, den sie in sich konzentrieren, ist immerhin auch das bedeutendste Treibhausgas, noch vor CO₂.

Einerseits mindern Wassertröpfchen in der Luft die von der Sonne einfallende Strahlung, während Wolken sie an ihrer Oberseite zurück ins All reflektieren. Andererseits verstärken Wolken den natürlichen Treibhauseffekt, indem sie die von der Erdoberfläche zurückgestrahlte Wärme nicht mehr durchlassen und dadurch die Erdtemperatur erhöhen.

Sie sind es auch, aus denen plötzlich Sintfluten herabstürzen und weite Landstriche unter Wasser setzen. Fehlen Wolken dagegen wochen- oder gar monatelang, verdorren Ernten und Wälder, und Flüsse und Seen trocknen aus.

Um sogenannte Kondensationskeime formiert sich Luftfeuchtigkeit zu Tröpfchen, die sich zu Wolkengebilden zusammenballen. Das können Aerosolpartikel, aber auch winzige Staubkörner sein. Natürlich muss dazu auch genug Feuchtigkeit in der Luft sein, woran es in einer wärmeren Zukunft nicht mangeln wird. Denn je höher das Fieber der Erde steigt, desto mehr Wasserdampf nimmt die Atmosphäre auf.

Doch mit diesen Grundvorgängen lässt sich noch nicht erklären, warum sich Wolken über relativ kleinräumigen Gebieten schnell zu gewaltigen Gewitter- und Regenwolken zusammenballen können, während nicht weit entfernt die Sonne vom blauen Himmel brennt.

Nach aktuellen Forschungen sieht es aus, als hätten Emissionen aus Industrie und Landwirtschaft einen ganz entscheidenden Anteil an der Bildung der Kondensationskeime, während die Klimaerwärmung für die nötige Wassermenge in der Luft sorgt, die für gewaltige Regen- und Gewitterwolken nötig ist.

Zum einen sind ultrafeine Partikel von bis zu 100 Nanometern Größe, 0,0001 Millimeter, für die Zusammenballung regenreicher Wolken in der mittleren Troposphäre, der Wetterschicht, verantwortlich. Zum anderen spielt ein neu entdeckter molekularer Mechanismus bei atmosphärischen Gasen in der oberen Troposphäre eine entscheidende Rolle – dort, wo die Zirrus genannten Eiswolken entstehen.

Die beiden Klimaforscher Wolfgang Junkermann und Jorg Hacker hatten in den vergangenen 20 Jahren mit Kleinflugzeugen weltweit Daten zur Menge und Verteilung von Ultrafeinstaub und zu Veränderungen im Wasserkreislauf der Troposphäre gesammelt. Ihre Datensätze umfassen Gebiete in Asien, Mittelamerika, Europa und Australien. Die verknüpften die beiden mit gut dokumentierten Informationen zu regionalen Klimaänderungen.

Junkermanns Arbeitsstelle liegt auf dem Campus Alpin des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Garmisch-Partenkirchen. Hacker ist Gründer und Direktor von Airborne Research Australia (ARA) der Flinders Universität in Adelaide, spezialisiert auf Flugzeug-Umweltmessungen. Zusammen konnten sie nachweisen, dass ein Anstieg der Anzahl von Nanopartikeln in der Luft mit stärkeren extremen Wetterschwankungen einhergeht. Durch die ungleiche Verteilung dieser Teilchen ließen sich auch die großen regionalen Unterschiede bei der Verteilung von extremen Niederschlägen erklären.

"Über dem Mittelmeer ist die Partikelkonzentration beispielsweise seit den 1970er Jahren um den Faktor 25 angestiegen", sagt Junkermann. "Im selben Zeitraum gibt es starke Veränderungen bei den Niederschlägen, weg von regelmäßigen Regenfällen und hin zu Dürren und stärkeren Extremereignissen." Ähnliche Muster erkannte er auch in Australien und in der Mongolei.

Die Zunahme der Teilchen führt dazu, dass sich mehr und kleinere Wassertropfen bilden. "Dadurch verweilt Wasser viel länger in der Atmosphäre, der Regen wird zunächst unterdrückt und es entsteht ein zusätzliches Energiereservoir in der mittleren Troposphäre, das extreme Niederschläge begünstigt", erklärt Junkermann. "Das kann dann hunderte Kilometer entfernt passieren."

"Die extremen Konzentrationen konnten wir auf Kraftwerke, Raffinerien oder den Schifffahrtsverkehr zurückführen, oft und besonders auch auf Großfeuerungsanlagen mit neuester Abgas-Technologie", sagt Junkermann. Der Grund ist die Einspritzung von Ammoniak in Abgasanlagen, mit dem lungenschädigende Stickoxide zu ungiftigem Stickstoff reduziert werden. Dabei entstehen besonders viele Nanoteilchen über Industriegebieten.

Einem weiteren Phänomen sind 75 Wissenschaftler aus Europa, Russland und den USA auf die Spur gekommen. Im Rahmen des Großexperiments CLOUD erforschten sie in der Wolkenkammer am europäischen Forschungszentrum CERN die physikalischen und chemischen Bedingungen in der oberen Troposphäre – also über der Schicht, die die Nanopartikelforscher mit ihren Kleinflugzeugen abflogen.

Nicht hoch in der Luft: Forscher des Großprojekts CLOUD am CERN untersuchen in der 20 m3 großen Wolkenkammer mikrophysikalische Aerosol- und Wolkenprozesse wie Aerosolpartikelneubildung, Aerosolpartikelwachstum, Wolkentropfenaktivierung, und Wolkentropfengefrieren.

(Bild: Brice, Maximilien/ CERN)

Dabei stießen sie auf das unerwartete Zusammenwirken der drei Gase Salpetersäure, Schwefelsäure und Ammoniak. Kommen die nämlich gleichzeitig vor, entstehen Aerosolpartikel – und zwar mit einer Geschwindigkeit, die um Größenordnungen schneller ist, als wenn nur zwei der drei Komponenten miteinander reagieren. Dieser Vorgang hängt vor allem von der Menge an Ammoniak in dieser Atmosphärenschicht ab, den Emissionen aus Viehzucht und Düngemitteln.

Augenscheinlich ist diese Art der Partikelbildung die wichtigste Quelle für Wolkenkeime in der oberen Troposphäre, zumal Gewitterwolken Ammoniak besonders effektiv in diese Höhen verfrachten.

"Dies ist zum Beispiel über der asiatischen Monsunregion der Fall", erklärt Jos Lelieveld, Professor am Atmosphere Research Center in Nikosia, Zypern, und Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Bisher dachte man nämlich, dass Ammoniak durch den Monsunregen ausgewaschen wird und gar nicht so hoch steigt.

Mit beiden Erkenntnissen, denen der Partikelwissenschaftler und denen der Atmosphärenforscher, lassen sich jetzt Klimaszenarien und auch Extremwetter-Vorhersagen genauer berechnen.

(jle)