Delhi, Indien: Probleme mit der Luftqualität werden nicht besser

Fabriken, Kraftwerke und von Bauern gelegte Agrarbrände generieren in der drittgrößten Metropolregion der Erde toxische Luft. Es gibt immer seltener Erholung.

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Smog in Neu-Delhi

Smog in Neu-Delhi im Oktober: Mit WassersprĂĽhern wird versucht, Staubpartikel zu binden.

(Bild: Exposure Visuals / Shutterstock)

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Wenn in Berlin die Luftqualität nach dem Air-Quality-Index-Rating (AQI) einmal eher schlecht ist, dann bewegte sich dieser von November bis Dezember, den Heizungsmonaten, um 53 bis maximal 71. Das entspricht dann in der Außenluft einem PM2.5-Partikelanteil von 10,3 bis 20,1 µg/m³. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, dass der PM2.5-Zielwert im Jahresmittel zwischen 0 und 10 µg/m³ liegt. Entsprechend unschön ist ein Überschreiten. Doch das, mit dem es die Bürger in der bevölkerungsreichsten deutschen Stadt in Sachen Luftqualität zu tun bekommen, ist ein Klacks gegen die Verschmutzung, die Menschen in Delhi, Indien, ertragen müssen. Und es wird nicht besser – Experten befürchten gar, dass sich die Situation eher noch verschlimmert.

So hatte man es aktuell am Sonntag in der Metropolregion mit einem AQI von über 160 zu tun. Das sind Partikelmengen nach PM2.5 von 69 µg/m³ und mehr – bei PM10 sogar 100. Die Regierung versucht – neben einer Maskenempfehlung an die Bevölkerung – eine Form von Voodoo gegen den massiven Smog: Tankwagen fahren herum und sprühen Wasserwolken in die Luft und auf die Straßen, um Partikel zu binden, während sogenannte Smog-Tower, deren wissenschaftlicher Wert stark umstritten ist, Verschmutzungen aus der Luft filtern sollen. Aktuell sieht es nicht danach aus, dass es etwas hilft.

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Die hohe Partikelbelastung, die in die Atemwege eindringt und Menschen dauerhaft krank machen kann, hat mehrere Gründe. So ist die geografische Lage der Region mit ihren rund 21 Millionen Bewohnern je nach Wetterlage der Smogbildung und vor allem der Smogbelassung dienlich. Die Luft steht dann förmlich. Die Quellen sind vielfältig: Von Kohlekraftwerken für die nach Energie hungernde Bevölkerung, über den Verkehrssektor mit immer mehr privaten Autos und Lkw bis hin zu Bränden in Landwirtschaft und auf Müllkippen ergibt sich eine trostlose Situation. Schlimmer noch: Gab es früher eine Art Smogsaison, die vor allem den Winter über vorherrschte, tritt das Problem mittlerweile auch schon über das Jahr verteilt auf.

Der aktuelle AQI-Wert von besagten 160 ist da noch harmlos. Er kann bis zu 1700 in einzelnen Stadtteilen erreichen, berichtete kürzlich das Bulletin of the Atomic Scientists. Das ist nochmals deutlich schlechter als Pekings miesester Wert von 1300, generiert durch Emissionen und die umgebende Wüste Gobi. Einer der Gründe für die miserablen Partikelwerte liegt in der Delhi umgebenden Landwirtschaft. Seit gut 15 Jahren wird hier schneller gewirtschaft und zwischen Reispflanzen und Weizen ist die Umstellung mittels Stoppelfeldverbrennung am wirtschaftlich lukrativsten – und besonders leicht umzusetzen. Steht dann noch der Wind ungünstig, weht der Rauch voll in die Metropolregion. Zwar wurde die Brandbewirtschaftung bereits vor zehn Jahren verboten. Doch daran halten sich längst nicht alle Bauern. Und so schrumpfte der Anteil am Smog zu Anfang der Winterperiode nur um gut 20 Prozent auf nunmehr 30 Prozent. Vor allem hilft es wenig, den Smog damit einer bestimmten Saison zuzuordnen, denn das ist er einfach nicht.

Zudem ist auch nicht nur Delhi das Problem auf dem Subkontinent. Andere Regionen haben ebenfalls schlechte Werte (laut Greenpeace bis zu 80 Prozent aller indischen Städte), auch wenn in der Hauptstadt eine enorme Bevölkerungsmenge auf massive Luftverschmutzung trifft. All das führt zu Krankheitszunahmen, Lungenstörungen und Asthma, beginnend bereits bei Kindern, und setzen sich bis ins Alter fort. Die Situation erhöht die Sterblichkeit und bremst die Wirtschaftskraft. "Die Luft bringt uns alle um", sagte etwa ein Händler im großen Bhogal-Markt im letzten Jahr dem Guardian. "Die Regierung lässt uns sterben, damit Indien groß werden kann. Jedes Jahr mehr Autos, mehr Gebäude, mehr Müll, mehr Fabriken, die die Luft mit Dreck füllen – ist das mehr wert als unser Leben?" Die möglichen Maßnahmen beginnen schon einmal damit, die Nahverkehrsinfrastruktur zu verbessern. Busse und Bahnen sind schlecht getaktet oder einfach nicht vorhanden, die Menschen stellen sich unnütz mit ihren Autos in den Stau. Versuche, den Energiesektor zu reformieren, sind bislang gescheitert. Es hängt noch viel zu viel an der Kohle.

(bsc)