Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte: IT-Fachkräftemangel in Deutschland

Seite 2: IT-Fachkräftemangel in Deutschland

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Im vergangenen Jahr konnten in Deutschland 96.000 Stellen für IT-Fachkräfte nicht besetzten werden. Der Grund: Es mangelt massiv an IT-Fachpersonal. Diese Aussage stützt sich auf eine repräsentative Befragung des High-Tech-Verbands Bitkom unter rund 850 Unternehmen aller Branchen. Seit der ersten Erhebung vor zehn Jahren war die Anzahl vakanter Jobs nur einmal höher: im Vor-Corona-Jahr 2019 lag die IT-Fachkräftelücke bei 124.000 Personen.

Dieser Wert dürfte bald wieder erreicht und wahrscheinlich überschritten werden. Denn langfristig betrachtet ist es ein Trend, dass immer mehr IT-Stellen nicht besetzt werden können: in den letzten zehn Jahren haben sich die Vakanzen verdreifacht. Zwei Drittel der vom Bitkom Befragten erwarten, dass sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen wird. Der Grund dafür ist die stark voranschreitende Digitalisierung der gesamten Gesellschaft. Corona hat diesen Prozess mit Homeoffice deutlich beschleunigt. Ein Ende der Personalnot an IT-Fachkräften ist nicht bzusehen.

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Im Gegenteil, denn der Mangel könnte sich sogar verschlimmern. Der Stifterverband und McKinsey kommen in einer gemeinsamen Studie zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2026 in Deutschland bis zu 780.000 Technologie-Expertinnen und -Experten fehlen könnten. Vor allem die Nachfrage nach Datenanalysten und Spezialistinnen für Künstliche Intelligenz sollen enorm zunehmen. Die Boston Consulting Group geht 2030 von rund 1,1 Millionen fehlenden IT-Fachkräfte aus. Neue digitale Geschäftsmodelle, die Digitalisierung der Verwaltung oder die steigende Homeoffice-Nutzung treiben den Bedarf an IT-Arbeitskräften hoch. Trifft diese Prognose zu, würde sich die IT-Fachkräftelücke im Vergleich zu heute verzehnfachen.

Die Konsequenzen daraus: Unternehmen können nicht wachsen, Projekte bleiben liegen und die unbesetzten Stellen kosten den Firmen sehr viel Geld. Die Vakanzkosten, das sind die Kosten, die ein Unternehmen aufbringen muss, bis die Stelle wieder besetzt ist, liegen in Deutschland für einen IT-Job bei 37.301 Euro für die Besetzung einer einzigen Stelle. Dies ist nach dem Gesundheitssektor der zweithöchste Wert nach Berufen. Diese Erkenntnisse stammen von der Online-Stellenbörse Stepstone. Laut der Bundesagentur für Arbeit dauerte es im Mai dieses Jahres 134 Tage, bis eine offene Stelle mit neuem Personal besetzt war. Bei diesen Beträgen und dieser langen Dauer wird leicht klar, weshalb die Firmen ihre Positionen rasch besetzten wollen.

Mengenmäßig hat die Besetzung von IT-Stellen in der Vergangenheit hervorragend geklappt. Denn in den letzten 20 Jahren gab es einen Anstieg von 400.000 IT-Arbeitnehmern auf rund 1 Million. Der IT-Arbeitsmarkt ist eine herausragende Erfolgsgeschichte. Es wurde auch einiges dafür getan, damit es soweit kommen konnte. Gute Beispiele dafür: Ende der 1990er Jahre sind vier duale IT-Ausbildungsberufe eingeführt worden. Inzwischen wurden rund 300.000 junge Menschen darin ausgebildet. Die Anzahl der Studierenden in Informatik hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf rund 135.000 verdoppelt. Dennoch kam es zum IT-Fachkräftemangel. Wie konnte das passieren?

Bei der Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Jahr rund 19.000 offene IT-Stellen gemeldet. Eine Meldepflicht besteht nicht. Dem gegenüber stehen die 96.000 vakanten Positionen laut Bitkom. "Diese Zahl halte ich für einen realistischen Wert, vor allem weil IT-Fachkräfte sich häufig schon für einen neuen Job bewerben, wenn sie noch beschäftigt sind", sagt Britta Matthes, Leiterin der Forschungsgruppe Berufe in der Transformation am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB. Für diese Forschungseinrichtung zählen IT-Jobs zu den Engpassberufen. Das sind Berufe, in denen nachweislich ein Mangel an Fachkräften besteht. "Eine solche Feststellung beruht auf festgeschriebenen Kriterien und einer sehr strengen statistischen Definition", sagt Matthes. Dazu zählen unter anderem Vakanzzeiten, Renteneintritte und Entwicklung bei den Beschäftigtenzahlen.

Bei der Auswertung der IT-Stellengebote machte Matthes eine interessante Entdeckung: "Alle 5 bis 7 Jahre steigen die Angebote deutlich an." Dies könnte an den Zeiträumen liegen, in denen Technologiesprünge stattfinden wie Big Data oder Künstliche Intelligenz. Dafür suchen die Unternehmen Mitarbeiter mit den neuen Kompetenzen. Nach den Sprüngen sinken die Stellenangebote leicht, insgesamt steigen sie stetig auf ein höheres Niveau.

Die Arbeitslosenzahlen schwanken stark. Aktuell sind rund 30.000 IT-Fachkräfte arbeitslos gemeldet. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von etwa 3 Prozent. Das bedeutet Vollbeschäftigung. Mit den Arbeitslosen lässt sich der Fachkräftemangel nicht lösen. Das Problem beginnt viel früher: in der Schule und Ausbildung.

"IT-Kompetenzen werden nicht an allen Schulen und in allen Berufen vermittelt", sagt Matthes. Noch haben längst nicht alle Bundesländer Informatik als Schulfach eingeführt und dort, wo das Fach bereits im Stundenplan steht, fehlen die Fachlehrer.

Ähnliches gilt für die Berufsausbildung: "IT-Wissen sollte in jeder Ausbildung vermittelt werden, weil es heutzutage kaum einen Beruf mehr gibt, der ohne IT funktioniert", sagt Matthes. IT hält sie für eine Querschnittskompetenz, die jede und jeder beherrschen sollte. Matthes plädiert für Berufsausbildungen mit hybridem Fachwissen. In diesen werden spezielle Fachkompetenzen mit IT-Fertigkeiten verknüpft. Bei der beruflichen Ausbildung gibt es Verbesserungspotenzial.

Allerdings suchen die Unternehmen vor allem Hochschulabsolventen und weniger Fachkräfte. Das liegt laut einem Gutachten des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung KOFA an der besonderen Qualifikationsstruktur in den IT-Berufen: Etwa 86 Prozent haben eine Tätigkeit, die einen Hochschulabschluss oder eine qualifizierte Weiterbildung voraussetzt, in nur 14 Prozent aller Tätigkeiten wird eine duale Ausbildung erwartet. Das Kompetenzzentrum gehört zum Institut der Deutschen Wirtschaft. Dort leitet Axel Plünnecke das Kompetenzfeld Bildung, Zuwanderung und Innovation. Auch er sieht die hauptsächliche Ursache die IT-Fachkräftemangels im Schulsystem: "Informatik hätte als Schulfach schon vor 20 Jahren und in allen Bundesländern eingeführt und in möglichst vielen Jahrgängen unterrichtet werden können." Diese Chance ist vertan und damit wurde fast eine Technologie verschlafen, die heute unser Leben bestimmt.

Im nächsten Teil unserer Serie über den Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte: IT-Fachkräftemangel International

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