Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte: Lösungsansätze gegen den IT-Fachkräftemangel

Zuwanderung und Aus- bzw. Weiterbildung gelten als Abhilfen gegen den Fachkräftemangel, bereiten aber Probleme. Teil 3 unserer Serie über den IT-Arbeitsmarkt.

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(Bild: New Africa / Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Während der IT-Fachkräftemangel in Deutschland weiter zunimmt, wird vor allen auf politischer Ebene heftig über Gegenmaßnahmen gestritten. Arbeitsmarkt-Fachleute sind sich aber über die wichtigsten Maßnahmen einig, dazu zälen etwa qualifizierte Migration und Weiterbildung von Beschäftigten und Arbeitslosen, die gewisse Grundvoraussetzungen mitbringen. Alle Ansätze bringen aber ihre eigenen Probleme mit sich - so ist Fachkräftemangel ein globales Problem, Abhilfe durch Migration stößt daher auf Schwierigkeiten.

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Homeoffice trägt nicht zur Lösung des Problems bei, ist aber eine Arbeitsform, die in IT-Jobs ihren Ursprung hat. Corona hat dessen Verbreitung beschleunigt. IT-Unternehmen haben ihre Erfahrungen mit Homeoffice gemacht, nun beginnen sie damit die Arbeitsform der Zukunft zu regulieren und kalibrieren. Die beruflichen Perspektiven werden für IT-Fachkräfte noch viel besser, als sie heute schon sind. IT-Personal ist bereits auf dem besten Weg in sorgenfreie Jahrzehnte.

Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte
Meeting in einer Firma

(Bild: Gorodenkoff / Shutterstock.com)

In einer fünfteiligen Serie beschäftigen wir uns mit der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte und der Zukunft für IT-Jobs. Demografie und Digitalisierung sind die Garanten dafür, dass IT-Fachkräften über Jahrzehnte hinweg zu den begehrtesten Arbeitskräften gehören. Aus rosigen werden goldene Zeiten.

Fachkräfte aus dem Ausland sollen die Not im Inland lindern helfen. Eine Lösung dafür ist schon über 50 Jahre alt. Seit 1968 dürfen die Bürger Europas ihren Arbeitsplatz frei wählen. Vor zehn Jahren wurde die Europäische Blue Card eingeführt, die es Akademikern aus Nicht-EU-Staaten erlaubt, in einem EU-Land zu arbeiten.

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Und vor zwei Jahren ist in Deutschland das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten. Es soll IT-Fachkräfte aus Drittstaaten anlocken, dafür wurden sogar Sonderregelungen für diesen Personenkreis aus Nicht EU-Ländern geschaffen. Fachkräfte im Sinne des Gesetzes brauchen einen Hochschulabschluss oder eine Berufsausbildung. Weil es in den meisten anderen Ländern keine Ausbildung im klassischen Sinn gibt, darf diese Gruppe allein mit praktischer Berufserfahrung einreisen.

Die Einreise ist an Bedingungen geknüpft: die Bewerber müssen Sprachkenntnisse nachweisen, brauchen mindestens drei Jahre Berufserfahrung und sie müssen einen Job in Deutschland haben, in dem sie Minimum 51.000 Euro brutto im Jahr verdienen. "Das sind hohe Hürden beim Anwerben von IT-Spezialisten", sagt Ehsan Vallizadeh, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.

Dass bis zum Jahresende 2021 nur 241 Visa für IT-Fachkräfte vergeben wurden lag an der Ausnahmesituation Corona. "Internationale Reisen waren zwei Jahr lang nicht möglich, deshalb werden wir wohl erst im nächsten Jahr sehen, ob positive Zuwanderungseffekte durch diese Sonderregelung entstehen", sagt Vallizadeh. Aus seiner Sicht hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz richtige und wichtige Rahmenbedingungen für die Zuwanderung gesetzt.

Die Blue-Card liegt weit unter den Erwartungen, der Familiennachzug ist für die Erwerbsmigration wesentlich bedeutender als die Karte. Deutlich mehr Menschen kommen durch die Freizügigkeit der Arbeitsplatzwahl in Europa nach Deutschland. "Unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den IT-Berufen ist jeder sechste aus dem europäischen Ausland", sagt Vallizadeh. In Summe sind das 150.000 ausländische IT-Fachkräfte.

Aktuell gibt es in Deutschland rund 47 Millionen Erwerbstätige. Um das Beschäftigtenniveau konstant zu halten, sollten jährlich rund 400.000 Migrantinnen und Migranten nach Deutschland kommen. Im Wettbewerb um IT-Fachkräfte konkurriert Deutschland allerdings mit vielen anderen Ländern. "Das muss uns bewusst sein, damit wir darauf reagieren, indem wir unser Land für ausländische Fachkräfte attraktiv gestalten", sagt Vallizadeh. Bislang sei es das nicht, weil bürokratische Hürden eine Einreise für Nicht-EU-Migranten unnötig erschweren, wie die Sonderregelung im Fachkräfteeinwanderungsgesetz zeigen.

Auch in den Unternehmen müssen Voraussetzungen für Migranten geschaffen werden, damit sie gerne nach Deutschland kommen. "Dazu zählen interkulturelle Kompetenzen der Führungskräfte und eine Unternehmenskultur, die offen ist für Diversität", sagt Vallizadeh.

Befragungen zeigten, dass viele der Flüchtlinge, die ab 2015 und damit vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland gekommen sind, arbeiten wollen, aber zunächst aufgrund teilweise lange dauernden Asylverfahren nicht dürfen. Oder sie unterliegen aus aufenthaltsrechtlichen Gründen, etwa für Geduldete, erheblichen Einschränkungen und Unsicherheiten bei der Job- oder Ausbildungsplatzsuche. Das Beispiel der Geflüchteten macht deutlich, dass wir die Potenziale der ausländischen Fachkräfte noch nicht hinreichend ausschöpfen.

Das Bundeskabinett hat Anfang Juli ein erstes Paket zur Reform der Migration beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht die Einführung eines sogenannten Chancen-Aufenthaltsrechts vor. Danach sollen gut integrierte Ausländer, die in Deutschland lediglich geduldet sind, leichter ein Bleiberecht bekommen können.

Für Deutschland als attraktives Zielland von Migranten sprechen seine wirtschaftliche Stärke und Stabilität. Damit kann Deutschland im Wettbewerb um IT-Fachkräfte aus aller Welt punkten. Gerade in den nächsten Jahren gehen mit den Babyboomern Millionen Menschen in Rente, dadurch könnte die Erwerbstätigkeit stark sinken. Migranten könnten die Ausscheidenden ersetzen.

Auch Oliver Falck, Leiter des Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien am ifo Institut sieht in der qualifizierten Zuwanderung von Fachkräften eine Möglichkeit, den Mangel an IT-Experten abzumildern. "Wir müssen die Sache aber von mehreren Seiten aus angehen", sagt Falck. Dazu gehört, mehr Werbung für IT-Ausbildungsberufe und Studiengänge zu machen, gerade in den Gruppen, die bislang nicht ausreichend erreicht werden.

Das sind vor allem junge Frauen. Nach Informationen des Statistischen Bundesamts ist in den letzten zehn Jahren der Frauenanteil im Informatikstudium in den Erstsemestern auf 20 Prozent gestiegen. Eine Ausbildung zur IT-Fachkraft absolvieren auch überwiegend Männer. In beiden Fällen könnte der Frauenanteil deutlich höher sein.

Falck rät auch dazu, die Suche nach IT-Fachkräften weiter zu fassen und Menschen aufzuspüren, die Kompetenzen und Fähigkeiten besitzen, die in Richtung IT weiterentwickelt werden können. Unter den Ingenieuren etwa gibt es Fachrichtungen, die derzeit weniger stark nachgefragt werden als andere, etwa Vermessungs- und Elektroingenieure. "Diese Ingenieure haben aus ihrem Studium grundlegendes IT-Wissen und hohe analytische Kompetenzen, die in Richtung IT weiterentwickelt werden können", sagt Falck.

Dasselbe gelte für Psychologen, die im Studium intensiv Statistik lernen. Oder für Politikwissenschaftler, die teilweise ausgiebige Data-Science-Anwender sind. "Der Fehler ist häufig, dass die meisten Unternehmen nach Berufen und nicht nach Kompetenzen suchen", sagt Falck. Damit schmälern sie die Chancen auf die Einstellung einer geeigneten Person – auch wenn sie dafür qualifiziert werden muss.

Für Holdampf-Wendel vom Bitkom sind Coding-Schools und Boot-Camps Alternativen zu formalen Abschlüssen, um sich in kurzer Zeit IT-Know-how anzueignen als Voraussetzung für einen Quereinstieg in die Branche.

Jörg Albold hält Umschulung für einen der besten Ansätze gegen den IT-Fachkräftemangel. "Digitalisierung schafft zwar Arbeitsplätze, vernichtet aber auch welche. Anstatt betroffene Beschäftigte zu entlassen, sollten sie für die Jobs der Zukunft qualifiziert werden", sagt der Chef-Headhunter für IT-Berufe im Beratungshaus Kienbaum. Weiterbildung ist ohnehin sinnvoller als Kündigung, wenn Fachkräftemangel herrscht.

Die eine, alleinige Lösung für das IT-Fachkräfteproblem gibt es nicht. Letztendlich kann nur ein Mix aus mehreren, erfolgsversprechenden Ansätzen dabei helfen, die Lücke an IT-Experten möglichst klein zu halten. Ganz schließen lässt sie sich höchstwahrscheinlich nicht. Diese Aussage ist deshalb vage, weil unvorhersehbare Ereignisse eintreten können, die eine Situation völlig ändern.

Im nächsten Teil unserer Serie über den Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte: New Work - Homeoffice als neue Arbeitsform

(jk)