Der Superbaum, der das Klima retten soll

Ein Start-up aus dem Silicon Valley will Bäume so behandeln, dass sie mehr Kohlenstoff binden und die Atmosphäre abkühlen. Große Klimalösung oder Hype?

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(Bild: Ana Miminoshvili)

Lesezeit: 34 Min.
Von
  • Boyce Upholt
Inhaltsverzeichnis

Vor dreiundfünfzig Millionen Jahren war es auf der Erde viel wärmer als heute. Selbst im Arktischen Ozean herrschten milde Temperaturen – eine fast tropische Umgebung, die an Florida erinnerte, mit sich wiegenden Palmen und umherstreifenden Krokodilen. Dann wandelte sich die Welt. Die Kohlenstoffmenge in der Atmosphäre sank drastisch, und die Dinge begannen sich auf die heutigen Bedingungen abzukühlen, was bedeutet, dass Gletscher weit über die Pole hinaus bestehen bleiben können.

Was die Ursache für diese Veränderung war, blieb jahrzehntelang unklar. Schließlich bohrten Wissenschaftler im arktischen Schlamm und entdeckten einen möglichen Hinweis: eine bis zu 20 Meter dicke Schicht versteinerter Süßwasserfarne. Die Fundstelle deutet darauf hin, dass der arktische Ozean zeitweise von riesigen Matten kleinblättriger, aquatischer Azolla-Farnen bedeckt gewesen sein könnte. Azolla-Farne gehören zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen des Planeten. Die Wissenschaftler stellten daher die Theorie auf, dass solche Farne, wenn sie den Ozean bedecken, riesige Mengen an CO₂ verbraucht haben könnten, was dazu beitrug, die Atmosphäre von Treibhausgasen zu befreien und damit den Planeten abzukühlen.

Patrick Mellor, Paläobiologe und Chief Technology Officer des Start-ups Living Carbon, zieht aus der Geschichte über diese winzigen Farne eine Lehre: Die Photosynthese könne die Welt retten. Bestimmte Bedingungen scheinen den Azollas damals geholfen zu haben. Die Anordnung der Kontinentalplatten zu jener Zeit bedeutete, dass der Arktische Ozean größtenteils eingeschlossen war. Wie ein riesiger See, so dass sich eine dünne Schicht süßen Flusswassers auf ihm ansammeln konnte, was die Bedingungen schuf, die die Farne benötigten. Und wenn eine Generation von Farnen starb, lagerten sie sich in salzhaltigerem Wasser ab, das den Zerfall hemmte und Mikroben davon abhielt, den in den Farnen gespeicherten Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre freizusetzen.

Laut Mellor können wir aber nun nicht Millionen von Jahren warten, bis die richtigen Bedingungen wiederkehren. Wenn wir wollen, dass die Pflanzen wieder das Klima retten, müssen wir sie dazu anspornen. "Wie können wir ein anthropogenes "Azolla-Ereignis" herbeiführen?", fragt er. Mellor und seine Firma wollten das angehen. Bei Living Carbon versucht Mellor, Bäume zu entwickeln, die schneller wachsen und mehr Kohlenstoff binden als ihre natürlichen Artgenossen – und außerdem der Fäulnis widerstehen und den Kohlenstoff aus der Atmosphäre fernhalten.

Im Februar, weniger als vier Jahre nach seiner Gründung, sorgte das Unternehmen für erste Schlagzeilen, als es seine ersten "photosyntheseverstärkten" Pappelbäume in einem Streifen von Flachlandwäldern in Georgia pflanzte. Das war zweifellos ein Durchbruch: Es ist der erste Wald in den Vereinigten Staaten, in dem gentechnisch veränderte Bäume stehen.

Aber es gibt noch vieles, was wir über die Technik nicht wissen. Wie werden sich diese Bäume auf den Rest des Waldes auswirken? Wie weit werden sich ihre Gene verbreiten? Hat das Auswirkungen auf die Natur? Und wie gut sind sie wirklich dazu imstande, der Atmosphäre mehr Kohlenstoff zu entziehen?

Living Carbon hat bereits CO₂-Emissionsgutschriften für seinen neuen Wald an Endkunden verkauft, die einen Teil ihrer eigenen Treibhausgasemissionen gegen Bezahlung ausgleichen wollen. Das Unternehmen arbeitet mit größeren Firmen zusammen, denen es in den kommenden Jahren einen solchen Handel anbieten will. Wissenschaftler, die sich mit der Gesundheit der Wälder und der Photosynthese von Bäumen befassen, bezweifeln allerdings, dass die Bäume wirklich so viel Kohlenstoff absorbieren können, wie behauptet wird.

Selbst Steve Strauss, ein bekannter Baumgenetiker der Oregon State University, der kurzzeitig im wissenschaftlichen Beirat von Living Carbon saß und Feldversuche für das Unternehmen durchführt, sagte in den Tagen vor der ersten Pflanzung, dass die Bäume möglicherweise nicht so gut wachsen werden wie natürliche Pappeln. "Ich bin da etwas zwiegespalten", meint er. Mit anderen Worten: Er wirft Living Carbon vor, etwas zu optimistisch bei Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung zu agieren. Es sei unklar, ob die Idee funktioniert.

Bei der Photosynthese ziehen die Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre und nutzen die Energie des Sonnenlichts, um es in Zucker umzuwandeln. Einen Teil des Zuckers verbrennen sie zur Energiegewinnung, einen anderen Teil verwenden sie zum Aufbau weiterer Pflanzenmasse – sie werden zu einem Kohlenstoffspeicher.

Eine Forschergruppe an der University of Illinois Urbana-Champaign hat diesen Prozess beschleunigt und ihre Ergebnisse Anfang 2019 veröffentlicht. Sie lösten ein Problem mit RuBisCO, einem Enzym, das viele Pflanzen zur Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre verwenden. Manchmal verbindet sich das Enzym versehentlich mit Sauerstoff, ein Fehler, der zu einer Art Toxin wird. Wenn die Pflanze dieses Material verarbeitet, muss sie einen Teil ihres Zuckers verbrennen, wodurch Kohlenstoff wieder an die Atmosphäre abgegeben wird. Ein Viertel oder mehr des von den Pflanzen aufgenommenen Kohlenstoffs kann durch diesen Prozess, die so genannte Photorespiration, verloren werden.

Die Forscher fügten Gene in Tabakpflanzen ein, die ihnen halfen, das problematische Material in mehr Zucker umzuwandeln. Diese genetisch veränderten Pflanzen waren um 25 Prozent größer als die Kontrollpflanzen. Dieser Durchbruch wäre eine gute Nachricht für die Naturlandschaften der Welt: Wenn dieser genetische Weg zu produktiveren Pflanzen führt, benötigen wir weniger Ackerland und müssen weniger Wälder und Grasland roden, die sonst abgeholzt werden müssten, um die Menschen zu versorgen. Was die Fähigkeit der Pflanzen anbelangt, langfristig Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen, so ist der Trick aber nicht sehr hilfreich. Denn jedes Jahr wird ein Großteil des Kohlenstoffs in der Biomasse der Nutzpflanzen wieder in die Atmosphäre abgegeben, sei es durch Mikroben, Pilze oder den Menschen selbst.

Dennoch erregte das Forschungsergebnis die Aufmerksamkeit von Maddie Hall, einer Veteranin mehrerer Silicon-Valley-Start-ups, die daran interessiert war, ihr eigenes CO₂-Abscheidungsprojekt zu starten. Hall wandte sich an Donald Ort, den Biologen, der das Projekt geleitet hatte, und erfuhr, dass die gleichen Verbesserungen auch bei Bäumen funktionieren könnten, die lange genug im Boden bleiben, um als potenzielle Klimalösung zu dienen.

Ende 2019 legte Hall den Namen für ihr Start-up fest: Living Carbon. Kurze Zeit später traf sie Mellor auf einer Klimakonferenz. Mellor war damals Stipendiat des Foresight Institute, einer Denkfabrik, die sich mit ehrgeizigen Zukunftstechnologien beschäftigt, und hatte sich für Pflanzen wie Pycnandra acuminata interessiert. Dieser Baum, der auf den südpazifischen Inseln Neukaledoniens beheimatet ist, entzieht dem Boden große Mengen an Nickel. Das ist wahrscheinlich eine Abwehrmaßnahme gegen Insekten, aber da Nickel natürliche antimykotische Eigenschaften hat, ist das entstehende Holz weniger anfällig für Fäulnis. Mellor dachte sich: Warum nicht das richtige Gen in weitere Arten übertragen, um ein Azolla-Event zu entwickeln?

Als Mellor und Hall sich trafen, erkannten sie, dass sich ihre Projekte ergänzten: Wenn man die Gene zusammenbringt, erhält man einen echten Superbaum, der schneller wächst und in der Lage ist, Kohlenstoff dauerhaft zu speichern. Hall nutzte verschiedene Kontakte im Silicon Valley, um 15 Millionen US-Dollar Startkapital zu sammeln. Das Unternehmen war geboren.

In gewisser Weise war das Ziel von Living Carbon einfach, zumindest was die Photosynthese betraf: Man nahm bekannte genetische Pathways und brachte sie in neue Arten ein – ein Prozess, der seit fast 40 Jahren mit Pflanzen durchgeführt wird. "Das Ganze wird oft mystifiziert, aber eigentlich handelt es sich nur um eine simple Reihe von Labortechniken", sagt Mellor.

Da weder Mellor noch Hall über umfangreiche Erfahrungen mit solchen genetischen Transformationen verfügten, zogen sie externe Wissenschaftler hinzu, um einen Teil der Arbeiten durchzuführen. Das Unternehmen konzentrierte sich darauf, den von Ort entwickelten Weg der verstärkten Photosynthese in Bäumen nachzubilden – und zwar bei zwei Arten: Pappeln, die wegen ihres gut untersuchten Genoms bei Forschern beliebt sind, plus Loblolly-Kiefern, eine weit verbreitete Holzart. Bis 2020 wurden die optimierten Bäume in einem "Grow Room", einem umgebauten Tonstudio in San Francisco, gepflanzt. Die verbesserten Pappeln zeigten schnell Ergebnisse, die noch vielversprechender waren als die Tabakpflanzen von Ort. Anfang 2022 veröffentlichte das Team von Living Carbon ein Paper auf dem Preprint-Server bioRxiv, in dem es heißt, dass der leistungsstärkste Baum nach fünf Monaten 53 Prozent mehr oberirdische Biomasse aufwies als die Kontrollgruppe. (Eine von Fachleuten überprüfte Version des Papiers erschien im April in der Zeitschrift Forests.)

Pflanzengenetische Forschung kann ein langwieriges wissenschaftliches Unterfangen sein. Was im Gewächshaus, wo die Bedingungen sorgfältig kontrolliert werden können, funktioniert, ist im Freiland, wo die Licht- und Nährstoffmengen, die eine Pflanze erhält, variieren, möglicherweise nicht ausreichend. Der Standardschritt nach einem erfolgreichen Gewächshausversuch ist ein Feldversuch, der es den Wissenschaftlern ermöglicht, zu beobachten, wie sich gentechnisch veränderte Pflanzen im Freien bewähren, ohne sie wirklich in die Natur freizusetzen.

Die Vorschriften des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) für solche Feldversuche zielen darauf ab, den "Gendrift" zu minimieren, bei dem sich die neuen Gene in der Umwelt ausbreiten könnten. Die Genehmigungsschritte verlangen, dass solche Biotech-Bäume weit entfernt von Arten gepflanzt werden, mit denen sie sich potenziell vermehren könnten. In einigen Fällen schreiben die Regeln vor, dass alle Blüten entfernt werden müssen. Nach der Studie müssen die Forscher zudem den Standort kontrollieren, um sicherzustellen, dass keine Spuren der genetisch veränderten Pflanzen zurückbleiben.

Vor der Anpflanzung von Bäumen in Georgia startete Living Carbon seine eigenen Feldversuche. Das Unternehmen stellte Forscher Strauss von der Oregon State University ein, die Living Carbon den Pappelklon zur Verfügung gestellt hatte, den es für seine Gentransferversuche verwendet hatte. Im Sommer 2021 pflanzte Strauss dann die genetisch veränderten Bäume auf einem Teil des Universitätsgeländes in Oregon.

Strauss führt solche Feldversuche schon seit Jahrzehnten durch, oft für kommerzielle Unternehmen, die versuchen, bessere Holztechnologien zu entwickeln. Es ist ein Prozess, der Geduld erfordert, sagt er: Die meisten Unternehmen wollen bis zu einer "halben Rotation" oder bis zur Mitte des Erntealters warten, bevor sie entscheiden, ob die Ergebnisse eines Feldversuchs vielversprechend genug sind, um mit einer kommerziellen Anpflanzung fortzufahren. Die Bäume von Living Carbon werden möglicherweise nie abgeerntet, was die Festlegung eines Stichtags schwierig macht. Im Februar – also weniger als zwei Jahre nach dem Feldversuch und kurz vor der ersten Anpflanzung von Living Carbon – sagte Strauss noch, es sei noch zu früh, um festzustellen, ob die Bäume des Unternehmens die gleiche Leistung wie im Gewächshaus erbringen würden. "[Das Freiland] könnte sich negativ auswirken", sagte er. "Wir wissen es nicht."

Strauss steht den US-amerikanischen Vorschriften für Feldversuche kritisch gegenüber, die er als kostspielig ansieht und die viele Wissenschaftler abschreckten. Der grundlegende Rahmen für die Vorschriften entstand in den 1980er Jahren, als die Reagan-Regierung bestehende Gesetze an neue Gentechnologien anpasste, anstatt den langwierigen Prozess einer neuen Gesetzgebung abzuwarten. Das USDA entschied sich für einen breiten Bezug auf "Pflanzenschädlinge", ein Begriff, der alles beschreibt, was eine Pflanze schädigen könnte – ob ein hungriges Tier, ein parasitäres Bakterium oder ein Unkraut, das eine Kulturpflanze verdrängen könnte.

Zu dieser Zeit wurde der Gentransfer in Pflanzen fast ausschließlich mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens durchgeführt. Diese Mikrobe greift Pflanzen an, indem sie ihre eigenen Gene einschleust, ähnlich wie ein Virus. Die Wissenschaftler fanden jedoch heraus, dass sie das Bakterium davon überzeugen konnten, die von ihnen gewünschten Codeschnipsel zu liefern. Da das Agrobacterium selbst als Pflanzenschädling gilt, beschloss das USDA, dass es befugt ist, die US-zwischenstaatliche Inverkehrbringung und die Freisetzung von Pflanzen, deren Gene durch die Mikrobe verändert wurden, zu regulieren. Dies bedeutete eine erstaunlich umfassende Regulierung von gentechnisch veränderten Pflanzen.

1987, nur ein Jahr nach der Festlegung dieser USDA-Politik, verkündete ein Team von Cornell-Forschern den erfolgreichen Einsatz eines Verfahrens, das als "Gene Gun" – oder auch "Biologistik" – bekannt wurde und bei dem DNA-Stücke buchstäblich in eine Pflanzenzelle geschossen werden, getragen von Hochgeschwindigkeitspartikeln. Es war kein Pflanzenschädling mehr beteiligt. Damit wurde eine Lücke im System geschaffen, eine Möglichkeit, gentechnisch veränderte Pflanzen zu erzeugen, die von den geltenden Gesetzen nicht abgedeckt waren. Seitdem sind mehr als 100 gentechnisch veränderte Pflanzen, meist umgearbeitete Nutzpflanzen, der behördlichen Kontrolle durch das USDA entzogen, da es keine Grundlage der Regulierung mehr gibt.

Agrobacterium ist nach wie vor eine gängige Methode des Gentransfers, und auf diese Weise hat Living Carbon die in der Studie beschriebenen Bäume auch produziert. Mellor wusste jedoch, dass die Markteinführung von Bäumen, die regulatorisch als "potenzielle Pflanzenschädlinge" angesehen werden, ein langer und deprimierender Weg sein könnte. Viele Versuche, die Einholung öffentlicher Stellungnahmen – "das würde Jahre dauern und wir überleben das nicht", sagt er.

Als Living Carbon erkannte, dass seine Bäume vielversprechend sein könnten, nutzte das Unternehmen also das Schlupfloch und schuf neue Versionen seiner verbesserten Bäume mit Hilfe der Biologistik. In förmlichen Schreiben an das USDA erläuterte das Unternehmen sein Vorgehen; die Behörde antwortete, dass die daraus resultierenden Bäume nicht den Vorschriften unterliegen, da sie weder einem Pflanzenschädling ausgesetzt waren noch Gene von diesem enthalten.

Allerdings sind auch andere Bundesbehörden für die Biotechnologie zuständig. Die US-Umweltschutzbehörde EPA reguliert Biotech-Pflanzen, die ihre eigenen Pestizide produzieren, die Food and Drug Administration prüft alles, was Menschen konsumieren könnten. Die Bäume von Living Carbon fallen in keine dieser Kategorien, so dass sie ohne weitere formale Studien gepflanzt werden könnten.

Ein Jahr, nachdem Living Carbon seine Ergebnisse aus dem Gewächshaus bekannt gegeben hatte – laut Strauss noch bevor die Daten aus dem Feldversuch irgendeine Bedeutung hatten –, schickte das Unternehmen ein Team nach Georgia, um die erste Charge von Setzlingen außerhalb streng kontrollierter Feldversuche zu pflanzen. Mellor wies darauf hin, dass dies ein weiterer Studienstandort sein würde, an dem die Möglichkeiten der Bäume gemessen werden, um die Geschwindigkeit der Biomasseakkumulation abzuschätzen. Und: Das Unternehmen könnte bereits während der Überprüfung der Wirksamkeit seiner Bäume damit beginnen, Kohlenstoff zu binden.

Experimente mit gentechnisch veränderten Bäumen haben in der Vergangenheit eine starke Reaktion von Gentechnikgegnern hervorgerufen. Im Jahr 2001 wurden bereits rund 800 Exemplare, die in Strauss' Versuchsfeldern an der Oregon State University wuchsen, gefällt oder anderweitig verstümmelt.

Im Jahr 2015 stürmten Umweltschutzaktivisten den Hauptsitz des Unternehmens ArborGen in South Carolina, als bekannt wurde, dass die Biotechfirma eine Loblolly-Kiefer mit "erhöhter Holzdichte" entwickelt hatte. (Das Unternehmen hatte dasselbe Schlupfloch wie Living Carbon ausgenutzt; ArborGen erklärte, die Kiefer sei nie kommerziell angepflanzt worden.) Allerdings: Auch nachdem die New York Times im Februar über die erste Anpflanzung von Living Carbon berichtet hatte, gab es keine nennenswerten Proteste mehr.

Ein Grund dafür könnte sein, dass das Risiko nicht abschätzbar ist. Mehrere Waldökologen, mit denen im Rahmen dieser Recherche gesprochen wurde, wiesen darauf hin, dass Bäume, die wesentlich schneller wachsen als andere Arten, ihre Konkurrenten verdrängen könnten, wodurch der "Superbaum" von Living Carbon zu einer Art Unkraut werden könnte. Keiner dieser Wissenschaftler schien allerdings besonders besorgt zu sein, dass dies wirklich passiert.

"Ich denke, es wäre schwierig, absichtlich einen Baum zu schaffen, der wie ein Unkraut ist und in einen Wald eindringen und ihn 'übernehmen' könnte", sagt Sean McMahon, Waldökologe am Smithsonian Tropical Research Institute. "Ich denke, dass es quasi unmöglich wäre, dies aus Versehen zu tun." Er mache sich wirklich keine Sorgen über einen solchen Gentech-Baum, der die Welt erobert. Vandalismus sei eher ein Problem.

Er wies darauf hin, dass die Holzindustrie schon seit Jahrzehnten mit Wissenschaftlern zusammenarbeitet – in der Hoffnung, schnell wachsende Bäume zu entwickeln. "Es handelt sich um eine Milliarden-Dollar-Industrie. Wenn man Bäume in fünf Jahren zur Ernte bringen könnte, würde man das tun", sagte er. Aber dabei muss man immer Kompromisse machen. So kann ein schneller wachsender Baum beispielsweise anfälliger für Schädlinge sein.

Der andere Grund für Nichtreaktion durch Umweltaktivisten könnte der Klimawandel sein: In einer Welt, der Verwüstung droht, sind die Menschen vielleicht eher bereit, Risiken zu tolerieren. Keolu Fox, Genetiker an der Universität von Kalifornien in San Diego, ist Co-Direktor der wissenschaftlichen Abteilung von "Lab to Land", einer gemeinnützigen Organisation, die das Potenzial der Biotechnologie zur Beschleunigung von Naturschutzzielen in bedrohten Zonen, insbesondere in Kalifornien, untersucht. "Wir sprechen jetzt über die Veränderung von Naturland – das ist eine Verzweiflungstat", sagt Fox. Er hält diese Verzweiflung angesichts der Klimakrise für angemessen, auch wenn er vom Ansatz von Living Carbon nicht ganz überzeugt ist.

Mellor meint, dass Gendrift kein Problem darstellen sollte: Living Carbon pflanzt nur weibliche Bäume, so dass die Pappeln keine Pollen produzieren. Das hindert wild wachsende männliche Bäume aber nicht daran, die transgenen Pappeln zu befruchten, obwohl der Umfang des daraus resultierenden Gendrift wahrscheinlich gering ist und leicht eingedämmt werden kann, so Living Carbon. Zumal das Unternehmen seine Bäume nicht in der Nähe von Arten anpflanzt, die sie befruchten könnten.

Aber Mellor sagt trotzdem, er konzentriere sich lieber auf andere Themen. Ja, einige Unternehmen, wie Monsanto, hätten transgene Pflanzen auf ausbeuterische Weise eingesetzt, aber das bedeute nicht, dass transgene Technologien per se schlecht seien. Diese geforderte "Reinheit" der Pflanzen sei ein "alberner Standard". "Wenn wir versuchen, Pflanzen genetisch reinzuhalten, verpassen wir die Chance für notwendige Innovationen."

Die Pappeln von Living Carbon scheinen schneller zu wachsen und Dürreperioden besser zu überstehen als ihre natürlichen Gegenstücke, sagt Mellor. Der Rest ihrer Gene stimmt überein. "Ist es also ein Problem, wenn diese Pappel die alte Version verdrängt?", fragt er. "Und was für ein Problem ist das? Das ist jetzt die Frage."

Im Jahr 2019, noch vor der Gründung von Living Carbon, kündigte das Landwirtschaftsministerium seine Absicht an, seine Vorschriften für transgene Pflanzen zu aktualisieren. Die neuen Regeln traten im August 2020 in Kraft, kurz nachdem Living Carbon eine Ausnahmegenehmigung für seine Bäume beantragt hatte; die wurde geprüft, und die Bäume fielen schließlich unter die alten Regeln.

Jede weitere Biotechnologie, die das Unternehmen entwickelt, wird nach dem neuen Ansatz des Regulierers analysiert werden müssen, der sich darauf konzentriert, welche Merkmale in die Pflanzen eingebracht werden – und nicht darauf, wie sie dorthin gelangen. Es gibt immer noch Möglichkeiten, die grundsätzliche Prüfung zu umgehen: Produkte, deren genetische Veränderung durch konventionelle Züchtung erreicht werden könnte, unterliegen beispielsweise nicht der Regulierung. Das ist ein Schlupfloch, das manche Experten für problematisch halten. Nach Angaben von USDA-Sprechern scheint die Kerntechnologie von Living Carbon – schnell wachsende Bäume, die durch das Einfügen von Genen erzeugt werden – jedoch nicht für solche Ausnahmen in Frage zu kommen. Wenn Living Carbon seine Bäume auch nur geringfügig ändern will, muss das neue Produkt wohl geprüft werden.

Der erste Schritt des USDA besteht darin, festzustellen, ob es einen plausiblen Weg zu einem erhöhten Risiko gibt, dass die Neupflanze zur Schädlingsverbreitung dient. Wenn dies der Fall ist, benötigt das Unternehmen eine Genehmigung für den Transport oder die Anpflanzung solcher Bäume, bis das USDA eine vollständige behördliche Prüfung durchführen kann.

Da die Behörde einen Baum mit erhöhter Photosynthese noch nicht geprüft hat, lehnten es die Beamten ab, sich zu der Frage zu äußern, ob diese Eigenschaft ein Schädlingsrisiko darstellen könnte. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, könnten bei dem Verfahren andere Risiken übersehen werden: In einem Bericht der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine aus dem Jahr 2019 wird darauf hingewiesen, dass das Schädlingsrisiko ein eng gefasster Maßstab ist, der nicht alle potenziellen Bedrohungen für die Waldgesundheit erfasst.

Auch bietet das USDA-Verfahren keine Form von Gütesiegel, das darauf hindeutet, dass die Bäume tatsächlich funktionieren. "Eines der Dinge, die mich beunruhigen, ist, dass [Living Carbon] sich nur auf die Kohlenstoffaufnahme konzentriert", sagt Marjorie Lundgren, eine Forscherin an der Lancaster University in Großbritannien, die Baumarten mit natürlichen Anpassungen untersucht hat, die zu einer erhöhten photosynthetischen Effizienz führen. Sie weist darauf hin, dass Bäume nicht nur Kohlenstoff und Sonnenlicht benötigen, um zu wachsen, sondern auch Wasser und Stickstoff. "Der Grund für ihre hohe Wachstumsrate ist, dass man sie im Labor einfach total gut babysitten kann – man kann ihnen viel Wasser und Dünger geben und alles, was sie brauchen", sagt sie. "Wenn man keine solchen Ressourcen einsetzt, was Zeit und Geld kostet und auch nicht gut für die Umwelt ist, wird man nicht die gleichen Ergebnisse erzielen."

Das Paper von Living Carbon räumt dies ein und nennt Stickstoff als potenzielles Problem und stellt fest, dass die Art und Weise, wie die Bäume den Kohlenstoff transportieren, zu einem begrenzenden Faktor werden könnte. Der zusätzliche Zucker, der durch die vom Unternehmen so genannte verstärkte Photosynthese erzeugt wird, muss an die richtigen Stellen transportiert werden, etwas, wozu Bäume normalerweise nicht in der Lage sind.

Die endgültige Peer-Review-Fassung der Studie wurde dann auch geändert, um darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse aus dem Gewächshaus mit Feldversuchen verglichen werden müssen. Im April – dem Monat, in dem die Arbeit veröffentlicht wurde – schickte Forscher Strauss der Firma Living Carbon einen Jahresbericht mit interessanten Neuigkeiten: Er hatte statistisch signifikante Unterschiede in der Höhe und der Trockentoleranz zwischen den Bäumen von Living Carbon und den Kontrollbäumen festgestellt. Er fand auch "nahezu" signifikante Unterschiede in Volumen und Durchmesser bei einigen Linien der manipulierten Bäume.

Living Carbon scheint sich des allgemeinen Misstrauens der Öffentlichkeit gegenüber Gentechnologien bewusst zu sein. CEO Hall erklärte, das Unternehmen wolle nicht "das Monsanto der Bäume" sein und ist als Public Benefit Company eingetragen. Dadurch kann es ethisch zweifelhafte Projekte ablehnen, ohne befürchten zu müssen, von den Aktionären wegen eines solchen Gewinnverzichts verklagt zu werden.

Das Unternehmen wirbt zudem damit, dass es sich auf die "Wiederherstellung von Flächen konzentriert, die vorgeschädigt sind oder keine ausreichende Leistung mehr erbringen". Auf seiner Website betont das Unternehmen gegenüber potenziellen Käufern von Emissionsgutschriften zudem, dass die Baumpflanzungsprojekte "der Wiederherstellung von Ökosystemen" dienen.

Eine Hoffnung ist etwa, dass die metallanreichernden Bäume von Mellor in der Lage sein werden, die Böden stillgelegter Bergbaustandorte wiederherzustellen. Brenda Jo McManama, eine Aktivistin des Indigenous Environmental Network, lebt inmitten solcher Landschaften in West Virginia. Sie kämpft selbst seit fast einem Jahrzehnt gegen gentechnisch veränderte Bäume in ihrem Gebiet und ist nach wie vor gegen die Technologie, aber sie versteht ihre Anziehungskraft. Ein Hauptproblem: All das bleibe experimentell.

McManama weist auch darauf hin, dass Landbesitzer das Holz der Bäume von Living Carbon ernten dürfen. Das sei kein Problem für das Klima – Holz speichert immer noch Kohlenstoff – aber es untergräbt die Idee, dass es hier um Ökosysteme geht. "Unterschwellig heißt es: Ja, das wird eine Baumplantage sein", sagt sie. Der erste Standort in Georgia beispielsweise gehört Vince Stanley, dessen Familie Zehntausende von Hektar Holz in der Region anbauen. Stanley erklärte gegenüber der New York Times, der Reiz der neuartigen Bäume liege darin, dass er sie früher ernten könne als herkömmliche.

Living Carbon bestreitet, dass es "Plantagen" anlegt, was per Definition Monokulturen bedeuten würde. Es hat 12 verschiedene Arten auf Stanleys Land gepflanzt. Das Unternehmen gab an, dass es an Partnerschaften mit Holzunternehmen "interessiert" sei; wie Hall feststellte, besitzen die zehn größten derartigen Unternehmen in den USA jeweils mindestens eine Million Hektar Land. Der Stanley-Standort in Georgia ist jedoch derzeit das einzige Projekt, das technisch als sogenannte verbesserte Forstwirtschaft eingestuft wird. (Und selbst dort, so stellt das Unternehmen fest, regenerierte sich der bestehende Wald aufgrund der feuchten Bedingungen nur sehr langsam.)

Living Carbon finanziert seine Anpflanzungen – und erzielt seine Gewinne – derzeit durch den Verkauf von Gutschriften für den zusätzlichen Kohlenstoff, den die Bäume aufnehmen. Derzeit bietet das Unternehmen "Vorabkäufe" an, bei denen sich Unternehmen verpflichten, künftige "Carbon Credits" zu kaufen und einen kleinen Teil der Gebühr im Voraus zu bezahlen, damit Living Carbon lange genug überleben kann, um Ergebnisse zu erzielen.

Das Unternehmen hat festgestellt, dass die Käufer eher an Projekten mit ökologischem Nutzen interessiert sind, weshalb das erste Projekt in Georgia ein Ausreißer sei. Eine weitere Pflanzung wurde in Ohio vorgenommen; diese und alle derzeit geplanten Pflanzungen befinden sich nicht in der Nähe von Sägewerken oder in aktiven Holzeinschlagsgebieten. Das Unternehmen geht also nicht davon aus, dass diese Bäume geerntet werden.

Wo auch immer gepflanzt wird – ob auf einem alten Bergbaufeld oder in einem holzproduzierenden Wald –, zahlt Living Carbon dem Landbesitzer eine jährliche Gebühr pro Hektar und übernimmt die Kosten für die Vorbereitung des Standorts und die Pflanzung. Am Ende des Vertrags, nach 30 oder 40 Jahren, kann der Landbesitzer mit den Bäumen machen, was er will. Wenn die Bäume so gut wachsen wie erhofft, geht Living Carbon davon aus, dass sie aufgrund ihrer Größe selbst auf Waldflächen zu "langlebigen Holzprodukten" wie Bauholz verarbeitet werden, anstatt nur zu Zellstoff oder Papier geschreddert zu werden.

Bis vor kurzem verkaufte Living Carbon auch Emissionszertifikate in kleinem Umfang an einzelne Verbraucher. Mellor wies im Februar auf Patch hin, ein Softwareunternehmen mit einer Verkaufsplattform für Emissionsgutschriften. Das Projekt in Georgia wurde dort als "biotechnologisch unterstützte Aufforstung" vermarktet. Die Zertifikate wurden im Rahmen eines monatlichen Abonnements zu einem Preis von 40 Dollar pro entfernter Tonne CO₂ angeboten.

Auf die Frage, wie das Unternehmen diesen Preis angesichts des Fehlens solider Daten über die CO₂-Entfernungsleistung der Bäume berechnete, räumte Mellor etwas ein, was bislang noch unbekannt war: 95 Prozent der Setzlinge am Standort Georgia waren gar nicht photosyntheseverbessert. Die gentechnisch veränderten Pappeln wurden in randomisierten Versuchsfeldern gepflanzt, mit Kontrollen zum Vergleich. Sie tragen nur einen kleinen Teil zu den prognostizierten CO₂-Einsparungen des Standorts bei. Trotz der Werbung zahlten die Kunden also in Wirklichkeit für ein herkömmliches Aufforstungsprojekt mit einem kleinen Experiment darin.

Ein Sprecher von Living Carbon stellt klar, dass diese Bepflanzung von den Standards des American Carbon Registry diktiert worden sei, der Organisation, die die daraus resultierenden Gutschriften unabhängig zertifiziert hat, und dass spätere Bepflanzungen einen höheren Anteil der neuen Bäume enthalten. Durch die Zusammenarbeit mit einem anderen CO₂-Register hofft Living Carbon, dass die Anpflanzungen im Jahr 2024 einen Anteil von 50 Prozent photosynthetisch verbesserter Bäume aufweisen werden.

Die Tatsache, dass für den Standort in Georgia überhaupt Kohlenstoffgutschriften angeboten werden können, erinnert daran, dass reguläre Bäume ohne neue Gene bereits eine praktikable Technologie für den CO₂-Abbau darstellen. "Es gibt 80.000 Baumarten auf der Welt. Vielleicht muss man sie nicht mit Nickel beschicken und sie mit CRISPR verändern", sagte McMahon vom Smithsonian Tropical Research Institute. "Vielleicht sollte man einfach die Arten finden, die tatsächlich schnell wachsen [und] Kohlenstoff lange speichern." Oder man könnte Vorschriften zum Schutz der bestehenden Wälder erlassen, was dem Klima mehr helfen könnte als die massive Einführung von Hightech-Bäumen.

Grayson Badgley, Ökologe bei der gemeinnützigen Organisation CarbonPlan, merkt an, dass die Kosten für die Zertifikate auf Patch für ein Aufforstungsprojekt recht hoch seien. CarbonPlan untersucht die Wirksamkeit verschiedener Strategien zur Beseitigung von Kohlendioxid, was angesichts der Tatsache, dass die Emissionshandelsmärkte für Missbrauch anfällig sind, eine notwendige Maßnahme darstellt. Mehrere kürzlich durchgeführte Untersuchungen haben gezeigt, dass Ausgleichsprojekte ihren Nutzen dramatisch aufblähen können. Eine wichtige Regulierungsgruppe, der "Integrity Council for the Voluntary Carbon Market" (Integritätsrat für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt), hat vor kurzem ein neues Regelwerk angekündigt, und Verra, eine gemeinnützige US-Organisation, die Kompensationsprojekte zertifiziert, plant ebenfalls, ihr altes Konzept für Forstwirtschaftsprojekte auslaufen zu lassen.

Angesichts des zunehmend zweifelhaften Rufs des Emissionshandels findet Badgley die mangelnde Transparenz von Living Carbon beunruhigend. "Die Menschen sollten genau wissen, was sie kaufen, wenn sie ihre Kreditkartennummer eingeben", sagt er.

Living Carbon hat nach eigenen Angaben Ende 2022 mit dem Ausstieg aus dem Direktverkauf an Verbraucher begonnen, und die letzte Transaktion wurde Ende Februar getätigt, nicht lange nach der Pflanzung in Georgia. (Insgesamt finanzierten Abonnenten 600 Bäume - ein kleiner Teil der 8.900 transgenen Bäume, die Living Carbon bis Ende Mai gepflanzt hatte). Ein im Rahmen dieser Recherche Anfang Februar erworbenes Zertifikat, das bis zum 1. März gehalten wurde, enthielt weder Einzelheiten über die Zusammensetzung der Pflanzung in Georgia noch eine Mitteilung über das Ende des Programms. Und bereits im Februar, bevor Strauss seine Daten lieferte, wurde mit Feldversuchsergebnissen geworben, die sogar noch beeindruckender waren als die Ergebnisse im Grow Room. Nach einer Anfrage nach einer Quelle für diese Daten entfernte Living Carbon die Information plötzlich aus dem Web.

Das Unternehmen sagt, dass es gegenüber den Großabnehmern, die den Kern seiner Geschäftsstrategie ausmachen, vollkommen transparent sei. Ansonsten wurden fehlende Informationen als "Wachstumsschmerzen" eines jungen Unternehmens beschrieben, das noch an seinem Geschäftsmodell schraubt und immer noch lernt.

Living Carbon wies auch darauf hin, dass viele der Probleme mit forstwirtschaftlichen Zertifikaten von Projekten herrühren, die die Wälder vor der Abholzung schützen sollen. Solche Produkte werden auf der Grundlage einer kontrafaktischen Betrachtung vergeben: Wie viele Bäume würden ohne den Schutz zerstört werden? Es ist unmöglich, dies genau zu wissen. Wie viel zusätzlichen Kohlenstoff die Bäume von Living Carbon absorbieren, lässt sich laut dem Unternehmen hingegen sehr viel genauer messen. Und wenn die Bäume nicht funktionieren, kann Living Carbon die versprochenen Zertifikate eben nicht liefern und erhält auch kein Geld dafür. "Das Risiko, dass [die Bäume] am Ende nicht die erwartete Menge an Kohlenstoff liefern, liegt bei uns – nicht beim Klima", so ein Sprecher des Unternehmens.

Living Carbon hat noch größere Pläne in Arbeit – die wahrscheinlich vom US-Landwirtschaftsministerium geprüft werden müssen. Mellor hofft, dass die photosynthetisch verbesserten Loblolly-Kiefern innerhalb von zwei Jahren einsatzbereit sein werden, was weitere Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Holzunternehmen eröffnen würde.

Mit finanzieller Unterstützung des US-Energieministeriums werden derzeit Experimente mit metallanreichernden Bäumen durchgeführt. Letztes Jahr startete das Unternehmen ein längerfristiges Projekt, das darauf abzielt, Algen so zu verändern, dass sie Sporopollenin produzieren, ein Biopolymer, das Sporen und Pollen umhüllt und 100-mal länger haltbar ist als andere biologische Materialien – vielleicht sogar noch länger, sagt das Unternehmen. Dies könnte eine sichere, langfristige Möglichkeit der CO₂-Speicherung schaffen.

Living Carbon ist auf diesem Gebiet nicht allein. Lab to Land, eine gemeinnützige Organisation, die sich mit kalifornischen Ökosystemen befasst, überlegt, wie der Emissionshandel die Nachfrage nach tief wurzelnden Gräsern, die Kohlenstoff speichern, ankurbeln könnten. Aber Lab to Land bewegt sich damit viel langsamer als Living Carbon – es ist noch mindestens ein Jahrzehnt von der Einführung jeglicher Biotechnologie entfernt, wie einer der wissenschaftlichen Co-Direktoren sagt. Zunächst wird auch ein Ethikrat gegründet.

Ein Sprecher von Living Carbon meint, dass "jeder Wissenschaftler in gewisser Weise ein Bioethiker ist" und dass das Unternehmen mit stets sorgfältig moralisch arbeite. Als Start-up-Unternehmen kann sich Living Carbon aber auch kein Zaudern leisten, es muss zum Gewinn kommen – und Hall sagt, dass sich auch der Planet kein Zaudern leisten kann.

Um das Problem des Klimawandels zu lösen, müssten wir jetzt damit beginnen, mögliche Technologien auszuprobieren, glaubt die Firma. Sie sieht die aktuellen Anpflanzungen als weitere Studien, die dem Unternehmen und der Welt helfen könnten, die Technik zu verstehen.

Trotz der neuen Daten bleibt Forscher Steve Strauss zurückhaltend, was die langfristigen Aussichten der Bäume angeht. Living Carbon hat für die Feldversuche in Oregon nur so viel Geld zur Verfügung gestellt, dass sie knapp über die aktuelle Vegetationsperiode hinausgehen; Strauss gab an, dass er, wäre es sein Unternehmen, "mehr Zeit haben möchte".

Dennoch sieht Strauss einen Durchbruch – wenn auch einen, der weniger wissenschaftlich als sozial ist. Es sei ein erster Schritt über die Grenzen von Feldtests hinaus. Als langjähriger Befürworter der Gentechnik ist er der Meinung, dass die Erforschung biotechnischer Lösungen gegen den Klimawandel schon viel zu lange ins Stocken geraten ist.

Die Klimakrise verschärft sich immer mehr. Jetzt dränge hier jemand nach vorn. "Vielleicht ist das nicht die ideale Lösung", sagte er in einem ersten Gespräch im Februar. "Und vielleicht wird dieses eine Produkt zu schnell und zu stark vorangetrieben. Aber ich bin schon sehr froh, dass so etwas passiert." (bsc)