Die Ernte-Roboter kommen

Seite 2: Jedes Gemüse eine neue Herausforderung

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Auch bei anderen Gemüsen stehen die Landwirte vor diesem Problem – so etwa bei Salatgurken. Eine Lösung könnte aus dem niederländischen Eindhoven kommen. Beltech, ein Spezialist für maschinelles Sehen und Robotik, hat mit seinem Schwesterunternehmen Crux Agribotics einen Ernteroboter für Gewächshäuser entwickelt. Unterm Plastikdach lassen sich Roboter leichter einsetzen: Dort ist der Boden eben und flach, die Geräte können auf Schienen oder durch Röhren fahren und benötigen kein eigenes Orientierungssystem.

Der etwa mannshohe Beltech-Roboter filmt mit seinem 3D-Kamerasystem die Pflanzen und unterscheidet zwischen Früchten, Blättern oder Stängeln. Zum Pflücken fährt ein Greifarm mit einer breiten Zange aus, packt die Gurke am Stängel und legt sie in einem automatischen Fördersystem ab. Nebenher kann der Roboter noch Daten sammeln und zum Beispiel Pilzerkrankungen feststellen. Zurzeit testen die Konstrukteure den Prototyp und suchen Investoren, um ihn für die Serienproduktion reif zu machen.

Auch bei der Apfelernte kann sich Automatisierung lohnen. Im US-Bundesstaat Washington, dem größten Apfelanbaugebiet des Landes, saugt eine autonome Maschine mit zehn Armen die süßen Früchte per Vakuum an – und ist dabei so schnell wie zehn Arbeiter. Damit wirbt jedenfalls das kalifornische Start-up Abundant Robotics, das gerade an einem Prototyp arbeitet. Inzwischen unterstützt auch Google das Unternehmen. Apfelerntemaschinen gibt es zwar schon länger. Doch oft schütteln sie die Früchte von den Bäumen, sodass sie nur noch für Saft geeignet sind. Dagegen soll der Apfelsauger das Obst sanft pflücken und unbeschädigt in großen Steigen ablegen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das israelische Unternehmen FFRobotics: Es präsentiert einen autonomen Apfelpflücker, der mit einem Kamerasystem die reifen Früchte erkennt. Dann fährt ein Greifarm mit drei Fingern aus und pflückt sie vorsichtig. Die Entwickler solcher Roboter wollen die Gunst der Stunde nutzen: Viele Erntehelfer in den USA sind Einwanderer. Dortige Anbauer befürchten, dass ihnen Präsident Donald Trump mit seiner Immigrationspolitik die Arbeitskräfte vergrault.

Ob Roboter sie noch in seiner Regierungszeit ersetzen werden, ist fraglich. Denn bislang tun sich die Ernteroboter zum Beispiel schwer, wenn sich Umweltbedingungen ändern, also etwa die Lichtverhältnisse wechseln. Zudem können sie noch immer schlecht erkennen, wann eine Frucht oder ein Gemüse tatsächlich reif ist. Bisher kommen oft optische Verfahren zum Einsatz wie 3D-Kameras, welche die Größe der Frucht messen. Das Verfahren ist jedoch ungenau.

Roboterforscher Bac schlägt als Alternative Sensoren vor, die die Fluoreszenz von Chlorophyll messen, um die Reife zu bestimmen. Eine andere Möglichkeit wären Hyperspektralkameras. Sie machen Aufnahmen der Blätter und messen dabei das ultraviolette und infrarote Licht. Bei diesen verschiedenen Wellenlängen ist die Intensität des reflektierten Lichts unterschiedlich hoch. So können die Forscher auf die biochemische Zusammensetzung der Blätter schließen, die sich ändert, wenn die Frucht reif ist. Beim Blumenkohl testen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg derzeit die Methode. Sie könnte bald in einer Maschine des Wolfsburger Agrarmaschinen-Herstellers ai-Solution Verwendung finden. Ein Prototyp ist bereits fertig und soll im nächsten Sommer getestet werden.

Ist dieses Hindernis beseitigt, wartet jedoch das nächste: Bei vielen Feldfrüchten fällt es Robotern schwer, wirklich alles abzuernten – insbesondere bei Pflanzen mit großen Blättern. Diese Erfahrung machten das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin und zwei weitere Forschungsinstitute beim EU-Projekt CATCH: Ihr Ernteroboter soll Einlegegurken im Freiland pflücken. Seine beiden Greifarme sind menschlichen Armen nachgebildet und haben mehrere Gelenke, sodass sie die verstreut wachsenden Gurken erreichen können.

Ein Kamerasystem erkennt, welche Früchte groß genug sind. Es sei schwierig, wirklich alle Gurken zu entdecken, sagt Fraunhofer-Forscher Dragoljub Surdilovic. Deshalb wolle man zusätzliche Sensoren integrieren, um auch jene Exemplare zu finden, die sich hinter Blättern verstecken. Das Ziel seien zehn bis zwölf Gurken pro Minute, in etwa so viel, wie menschliche Arbeiter schaffen. Nun sei ein Nachfolgeprojekt geplant, um in zwei bis drei Jahren einen marktreifen Roboter vorweisen zu können.

Trotz aller Hürden glaubt Bac an die Zukunft der Ernteroboter. Ein autonomer Helfer mit guter Technik zu einem akzeptablen Preis ist möglich. "Und wenn es ihn erst einmal gibt, wird er massenweise verkauft werden." Dann werden Roboter die Agrarwirtschaft in gleicher Weise prägen, wie es die Landmaschinen in den vergangenen Jahrzehnten getan haben.

Damals glichen die Landwirte ihre Getreidefelder den Traktoren und Mähdreschern an. Bald werden sie die Apfelplantagen und Gurkenpflanzungen auf die Bedürfnisse der Roboter ausrichten. Als Beispiel nennt Bac eine "Fruchtwand": Apfelbäume werden eng nebeneinander gepflanzt und so beschnitten, dass der Roboter die Früchte leichter erkennen und erreichen kann. Man könnte sogar Pflanzen gleich so züchten, dass sie robotergeeignet sind. Niederländische Züchter hätten bereits Paprika in Aussicht gestellt, dessen Früchte nicht geballt, sondern gut verteilt an der Pflanze hängen.

(bsc)