Die Ernte-Roboter kommen

Die Ernte von Spargel, Gurken oder Blumenkohl ist Knochenarbeit. Es wird immer schwieriger, Feldarbeiter zu finden. Nun schicken sich erste autonome Maschinen an, den Job zu übernehmen.

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Der große Feldversuch

(Bild: Cerescon)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Eva-Maria Hommel
Inhaltsverzeichnis

Es war auf einem Familienfest in Brabant in den südlichen Niederlanden. Spargelbauer Marc Vermeer schilderte seinem Bruder Ad, einem freiberuflichen Erfinder, seine Probleme bei der Spargelernte: Die Stangen müssen gestochen werden, aber Helfer sind rar. "Kannst du nicht einmal eine Spargelerntemaschine entwickeln?" Gesagt, getan. 2014 gründeten die Brüder zusammen mit Ads Frau Thérèse van Vinken das Unternehmen Cerescon. Marc Vermeer ist inzwischen verstorben, doch Cerescon hat schon den ersten "Sparter" verkauft, einen automatischen Spargelernter. Zwei weitere Exemplare sind im Testeinsatz.

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Weißer Spargel ist ein diffiziles Gemüse: Sobald die Stangen das Tageslicht erreichen, verfärben sie sich violett und verlieren dadurch an Qualität. Die Arbeiter müssen somit gebückt die Spargeldämme abschreiten und währenddessen eine Abdeckfolie hochheben. Dann gilt es, den Spargel auszugraben, abzuschneiden, den Damm zu reparieren und wieder abzudecken.

Die personalintensive Arbeit führt zu entsprechenden Preisen an der Gemüsetheke. Noch gehört Deutschland mit rund 24.000 Hektar Fläche zu den weltweit größten Spargelproduzenten. Doch manch ein Landwirt befürchtet, dass er nicht mehr lange mit billigerer Importware konkurrieren kann. Auch bei anderen Gemüsesorten ist es kritisch: Wer will sich heute noch bäuchlings auf die Tragflächen eines sogenannten Gurkenfliegers legen und pflücken? Oder tagelang ein Blumenkohlfeld durchkämmen? Die deutschen Landwirtschaftsbetriebe beschäftigen dem Statistischen Bundesamt zufolge rund 286.000 Saisonarbeitskräfte.

TR 05/2018

Technology Review Mai 2018

Dieser Beitrag stammt aus Ausgabe 05/2018 der Technology Review. Das Heft ist ab 19.04.2018 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Etwa 95 Prozent davon sind ausländischer Herkunft, aber auch sie sind immer schwerer zu bekommen. Nach Deutschland kommen laut Informationen des Deutschen Bauernverbands seit einigen Jahren weniger Arbeitskräfte aus Polen. Rumänen füllen die Lücken, aber wenn es dort wirtschaftlich besser geht, werden auch sie fernbleiben.

Bei anderen Aufgaben haben sich Roboter bereits als wertvolle Helfer erwiesen. Autonome Maschinen ernten Felder ab oder verpacken Heuballen, Drohnen versprühen Dünger. Doch anspruchsvolle Gemüse wie Spargel oder Blumenkohl bleiben eine harte Nuss für die Konstrukteure. Denn hier darf der Roboter nur die reifen Früchte pflücken – selektive Ernte nennt man das. Manche Gemüsesorten, etwa Paprika, verstecken sich zudem hinter Blättern oder wachsen sehr eng beieinander.

Der niederländische Robotikspezialist Cornelis Wouter Bac von der Universität Wageningen hat dazu eine umfassende Studie veröffentlicht. Er untersuchte 50 Feldroboter aus den Jahren 1982 bis 2012, die auf der ganzen Welt Tomaten, Orangen, Äpfel oder Spargel ernten sollten. "Die Leistung der Ernteroboter hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht verbessert", lautet sein ernüchterndes Fazit. Sie hätten im Schnitt nur 66 Prozent der erntereifen Früchte erfolgreich geerntet. Außerdem seien fünf Prozent der Früchte und 45 Prozent der Stängel dabei beschädigt worden – das senkt den Verkaufspreis.

Für eine Frucht brauchten die Roboter im Schnitt 33 Sekunden. Dabei gelten zum Beispiel bei einer Schlangengurke nur zehn Sekunden als wirtschaftlich tragbar – das haben Forscher aus Wageningen 2002 in einer Studie ermittelt. Bei einem längeren Erntezyklus bräuchte man mehr Roboter, was sich nicht auszahlen würde. Bei einem kürzeren müssten die Roboter so effizient sein, dass die Investitionskosten zu hoch wären. Keine der untersuchten Maschinen kam am Ende tatsächlich auf den Markt. Und das, obwohl die Forschung, besonders bei Sensortechnik, Mechatronik, Rechenleistung, maschinellem Sehen und künstlicher Intelligenz, Fortschritte gemacht habe, schreibt Bac. Denn bei Robotern zählt weniger das einzelne Bauteil, sondern ihr perfektes Zusammenspiel. "Es ist sehr schwierig, einen kosteneffizienten und zuverlässigen Roboter zu bauen."

Mit den jüngsten Entwicklungen schöpft er jedoch wieder Hoffnung. Die Prototypen von Cerescon etwa hält Bac für vielversprechend. Das Unternehmen hat ein neuartiges System entwickelt, mit dem die Spargelstangen schon entdeckt werden, bevor sie die Erdoberfläche berühren. Der Sparter fährt über das Feld und bearbeitet, je nach Modell, einen bis drei Spargeldämme gleichzeitig. Dabei schieben sich entsprechend der Breite des Damms zwischen 19 und 23 Fühler durch die Erde. Jeder Fühler sendet Strom aus. Fließt der durch eine Spargelstange, kommt auf der anderen Seite ein stärkerer Strom an – denn weißer Spargel besteht hauptsächlich aus Wasser und hat deshalb eine höhere Leitfähigkeit als Erde.

Dadurch erkennt der Fühler die Position des Spargels und gibt sie an das Erntemesser weiter. Er findet auch tief liegende Stangen, die ein Erntehelfer erst zwei oder drei Tage später unter der Oberfläche entdecken würde. "Deshalb kann die Maschine in einem einzigen Durchgang den gesamten reifen Spargel ernten, für den bisher 60 bis 75 Arbeitskräfte drei Tage hintereinander eingesetzt werden mussten", so das Unternehmen. Mit dem Sparter benötigt man nur zwei Personen für die Ernte: einen Traktorfahrer und einen Operator zur Überwachung. Die Kosten ließen sich halbieren, der Kaufpreis von rund 600.000 Euro amortisiere sich in höchstens dreieinhalb Erntesaisons.

Auch die Qualität soll besser sein als beim Stechen per Hand. Denn die Fühler werden aus der Erde gezogen, noch bevor sie die Stangen berühren. Menschliche Erntekräfte hingegen müssen den Spargelkopf erst ausgraben und verursachen dadurch oft Druckstellen. "Beim Handstechen gehen etwa 30 Prozent des Spargels durch Beschädigungen verloren. Wir denken, dass wir diese Quote halbieren können", sagt Thérèse van Vinken.

Der Spargelproduzent Teboza im niederländischen Helden nahe der deutschen Grenze hat die Maschine von Cerescon im vergangenen Jahr getestet und ist zufrieden mit der Qualität. Das Unternehmen hat etwa 100 Hektar Anbaufläche, um die 25 feste Mitarbeiter und rund 400 Saisonkräfte. "Wir müssen immer weiter Richtung Osten gehen, um Arbeitskräfte zu finden", erzählt Kundenberater Michel Neefs. "Früher kamen die Polen, aber die haben inzwischen andere Jobs bekommen."