Die Augen des Computers

Bislang war der Mensch der Maschine bei der Erkennung von Gesichtern haushoch überlegen. Neue Algorithmen könnten dies nun ändern, wie die Ergebnisse der letzten "Face Recognition Grand Challenge" zeigen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Mark Williams
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Die "Face Recognition Grand Challenge" (FRGC), gesponsert vom US-Nationalinstitut für Standards und Technologie NIST ist eine Leistungsschau in Sachen maschineller Gesichtserkennung. In den Wettbewerbsteilen "Iris Challenge Evaluation" (ICE) und "Face Recognition Vendor Test" (FRVT) treten die besten Algorithmen alle 12 Monate gegeneinander an. Die Ergebnisse des letzten Jahres liegen nun vor – und sie können als Triumph für die junge Branche gelten. Laut NIST haben sich die Erkennungsleistungen seit 2002 um das Zehnfache gesteigert, seit 1995 gar um das Hundertfache. Die Technik entwickelt sich rasant. Und, wohl am spektakulärsten: Die besten Algorithmen können in einzelnen Tests bereits die menschliche Gesichtserkennungsleistung schlagen, eine Tatsache, die man vor wenigen Jahren kaum für möglich gehalten hätte.

Jonathan Phillips, der den Wettbewerb auf Seiten des NIST leitet, gibt sich dementsprechend zufrieden: Ziel des FRGC sei stets gewesen, die Erkennungsleistung Jahr für Jahr zu vervielfachen – und das sei bislang gut gelungen. Die Fehlerrate sinkt laut dem Experten vor allem deshalb, weil die Algorithmen inzwischen gelernt haben, mit besonders hoch auflösenden Bildern und Dreidimensionalität umzugehen.

Für den Wettbewerb wurden in diesem Jahr mehrere hochauflösende Gesichtsbilder, 3D-Scans und Iris-Aufnahmen der gleichen Personengruppe eingesetzt. Beim FRVT 2006 wurde erstmals auch die Leistung von sechs 3D-Algorithmen getestet, beim ICE 2006 insgesamt zehn Algorithmen für Iris-Aufnahmen. "Die 3D-Erkennung hat sich erst in den letzten Jahren durchgesetzt, weil entsprechende Sensoren noch nicht lange auf dem Markt sind", erläutert Phillips. Dank der 3D-Technik werde es nun aber möglich, direkt Informationen über die Gesichtsform zu sammeln, die die Datenbasis erhöhten.

Dank Dreidimensionalität lassen sich auch eindeutige Merkmale auf der Gesichtsoberfläche in die Erkennung einbeziehen – etwa die Form der Augenhöhlen und die von Nase und Kinn. Solche Gewebs- und Knochenstrukturen stechen deutlich hervor und ändern sich auch im späteren Leben kaum. Veränderungen bei der Beleuchtung hatten bislang negative Auswirkungen auf die Erkennung von Standbildern. "Die Form des Gesichtes ist davon aber nicht betroffen", meint Phillips. Das bedeute: Die 3D-Technik funktioniert sogar bei sehr dunklen Szenen.

Ralph Gross, Forscher am Carnegie Mellon Robotics Institute, betont, dass der neue Ansatz auch mit verschiedenen Blickwinkeln umgehen könne – sogar im Profil ist eine Person noch erkennbar. "Die Gesichtserkennung funktioniert bei Frontalaufnahmen und Winkeln von bis zu 20 Grad inzwischen ziemlich gut. Sobald sich jemand in Richtung Profil wegdreht, gibt es aber Probleme." Der Grund dafür: Bislang konzentrierten sich die Entwickler vor allem auf Anwendungsfälle, bei denen Gesichtsscanner zur Zugangskontrolle zum Einsatz kamen – unter optimalen Lichtbedingungen. Nun müsse sich die Forschung eben auch mit anderen Anwendungsbereichen beschäftigen, meint Gross.

Hilfreich sind auch höhere Auflösungen. Dadurch werden detaillierte Analysen der Hauttextur möglich. Dabei kann ein Hautbereich, ein so genannter "Haut-Fingerabdruck", aufgenommen werden, um ihn dann in kleinere Blöcke zu zerlegen, die sich mathematisch gut analysieren lassen – etwa die Abstände zwischen Gesichtslinien und Poren. "So lassen sich sogar eineiige Zwillinge unterscheiden, was mit normaler Gesichtserkennungssoftware niemals funktioniert", erläutert Gross. Die Hauttextur-Analyse steigere die Erkennungsleistung um weitere 20 bis 25 Prozent.

Und wie kann der Computer den Menschen überholen? Die Antwort: "Menschen erkennen bekannte Gesichter hervorragend. Unbekannte dagegen weniger gut", sagt NIST-Mann Phillips. Da die meisten Gesichtserkennungssysteme Menschen entweder helfen oder sie ersetzen sollen, verglich man beim FRGC die Leistungen von Menschen und Software direkt. Bei einer möglichst geringen Fehltrefferrate ergab sich, dass sechs von sieben maschinellen Verfahren so gut wie oder sogar besser als der Mensch waren. Zu den Gewinnern zählten Neven Vision, Viisage, Cognitec, Identix, das Samsung Advanced Institute for Technology sowie die Tsinghua University. Die meisten Teilnehmer legten allerdings bislang ihre Algorithmen nicht offen: "Das ist schade, weil wir sie dann nicht direkt vergleichen können", meint Phillips.