Die X-Akten der Astronomie: Moduliert da etwa jemand Galaxienkerne?

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Betrachten wir zunächst, was Borra da eigentlich gemessen hat. Vorweg: es gibt keine technische Möglichkeit, mit einer Zeitauflösung von Picosekunden die optische Strahlung so lichtschwacher Objekte wie ferner Galaxien direkt zu messen. Borra verwendete einen ganz anderen Kniff, für den er nichts anderes benötigte als die lang belichtete fotografische Aufnahme des Spektrums einer Galaxie.

Ein Spektrum ist die Zerlegung des Lichts in verschiedene Wellenlängen, also Farben. Regentropfen leisten dies beim Sonnenlicht und erzeugen einen bunten Regenbogen, wenn die Sonne darauf scheint. Das Prinzip dahinter ist die Lichtbrechung beim schrägen Einfall des Sonnenlichts auf die Wasseroberfläche, die für verschiedene Lichtwellenlängen verschieden stark ausfällt. Weil Regentropfen unbeständig sind und die Wolken, aus denen sie fallen, meist den Blick auf den Sternenhimmel verdecken, schicken Astronomen das Sternenlicht lieber durch ein Glasprisma, welches zuverlässig das gleiche leistet.

Der Sloan Digital Sky Survey (SDSS) ist ein Beobachtungsprogramm, im Rahmen dessen seit 2000 vier Millionen Spektren von Galaxien und Sternen aufgenommen wurden. Dazu werden Aluminiumplatten in den Fokus der 2,5 m durchmessenden Teleskope Apache Point in New Mexico (USA) und Irénée du Pont in Las Campanas (Chile) montiert, in die man exakt an den Positionen der zu untersuchenden Objekt Löcher gebohrt hat. In diese werden Glasfasern gesteckt, die das Licht auffangen und über Prismen, optische Spalte und Linsen zu den CCD-Sensoren leiten, mit denen die Spektren aufgenommen werden.

Schaut man sich das Spektrum einer Galaxie an, sieht man ein Gemisch von Sternspektren. Diese zeigen gemeinhin dunkle Absorptionslinien, vor allem denen des Wasserstoffs, aus dem sie zu 90 Prozent Volumenanteil bestehen. Transparentes neutrales Gas in den Sternatmosphären absorbiert Licht des tiefer liegenden heißen Plasmas nur bei spezifischen Farben, die von den diskreten Energieniveaus diktiert werden, auf die im Atom gebundene Elektronen quantenmechanisch beschränkt sind. Denn jede Farbe entspricht einer spezifischen Energie der Photonen. Photonen genau dieser Farben regen die Elektronen an, auf höhere Energieniveaus zu springen, um kurz danach wieder spontan auf ein niedrigeres Niveau zu fallen und ein Photon einer entsprechenden Farbe auszusenden – allerdings dann in eine andere, zufällige Richtung.

Deswegen fehlt das Licht der absorbierten Farben in der Durchsicht durch die Sternatmosphäre, es wird in andere Richtungen zerstreut. Und dementsprechend zeigen Galaxien vor allem dunkle Linien des Wasserstoffs in ihren Spektren. Durch die berühmte kosmologische Rotverschiebung ist die Position der Linien bei fernen Galaxien zunehmend in Richtung längerer Wellenlängen verschoben. Aus dem Hubble-Lemaître-Gesetz folgt die ungefähre Entfernung der Galaxie. So vermisst der SDSS die Entfernung von Millionen von Galaxien, um einen Überblick über die räumliche Struktur des Universums zu erhalten.

Zurück zu Borra, der gänzlich anderes mit den Spektren vor hatte. Mathematisch-physikalisch gesehen ist das Spektrum die sogenannten Fourier-Transformierte eines Lichtstroms. Licht besteht aus Lichtwellen, jede Welle ist eine periodische Schwingung einer bestimmten Wellenlänge und Amplitude (Pegel), und das Spektrum ist die Kombination aller Lichtwellenlängen, nebeneinander aufgetragen, wobei die Helligkeit einer jeden Farbe dem Quadrat der Amplitude der jeweiligen Wellenlänge entspricht. Wenn man das elektrische Feld des von einer Galaxie aufgefangenen Lichts über die Zeit auftragen könnte, erhielte man aus der Überlagerung der verschiedenen Wellenfunktionen eine mit der Zeit variierende, auf- und abschwingende periodische Kurve.

Die sogenannte "Fourier-Transformation" ist nun eine mathematische Operation, die angewendet auf eine periodisch variierende Funktion eines hinreichend langen Intervalls ein Spektrum ausspuckt, also eine Auflistung aller enthaltenen Wellenlängen. Man spricht von einer Transformation aus dem Zeitbereich (die Abtastwerte folgen ja zeitlich aufeinander) in den Frequenzbereich (Wellenlänge und Frequenz sind zwei gleichwertige, austauschbare Maße für die Farbe des Lichts). Deren Berechnung überlässt man am besten einem Computer. Um ein Signal im Computer zu verarbeiten, muss man es abtasten, das heißt in einem gewissen Zeitraster den aktuellen Pegel auslesen und in einen Zahlenwert umwandeln, mit dem man rechnen kann.

Die diskrete Fourier-Transformation ist nicht etwa besonders verschwiegen, sondern errechnet aus einer Folge einzelner (= "diskreter") Abtastwerte eine Liste diskreter Wellenlängen mit ihren Amplituden. Je länger das Intervall, desto feiner aufgelöst sind die Wellenlängen, und man könnte bei hinreichender Auflösung in einem Lichtsignal eines Sterns oder einer Galaxie die Absorptionslinien als Lücken bei bestimmten Wellenlängen extrahieren. Das Licht schwingt dafür allerdings viel zu schnell, man kann es nicht mit der nötigen Auflösung von Milliardstel Sekunden aufzeichnen und abtasten.

Interessanterweise kann man die diskrete Fourier-Transformation auch umgekehrt ausführen: man kann aus einem Spektrum der Frequenzen eines von Periodendauern (Periodogramm) rekonstruieren. Diese Methode nennt Borra "spektrale Fourier-Transformation" (SFT) und er hat sie auf Galaxienspektren angewendet. Seine Hypothese: wenn das Licht eines aktiven Galaxienkerns mit einer bestimmten Frequenz moduliert ist, also in regelmäßiger Folge in der Amplitude oder Wellenlänge variiert, dann sollte im Spektrum diese Frequenz auffindbar sein.

Jedoch würde sie zwischen all den anderen Frequenzen im messbedingten Rauschen des Spektrums nicht erkennbar sein, insbesondere nicht, wenn die Modulation die Wellenlänge beträfe und nicht die Amplitude. Zurück transformiert in den Zeitbereich sollte sie sich jedoch als Periodendauer zeigen.

Ein in den Zeitbereich transformiertes Spektrum einer Galaxie (Periodogramm). Der Wert N (Abtast-Zahl) gibt die Vielfachen der durch die Transformation entstehenden Grundeinheit an, hier 2,1 * 10-15 Sekunden. Die scharfe Spitze bei N=54 entspricht 1,13 * 10-13 Sekunden. Sie überragt das mittlere Rauschen um den Faktor 6,5.

(Bild: Ermanno F. Borra)

So extrahierte er 2,5 Millionen Spektren von 900.000 Galaxien – viele waren mehrfach aufgenommen worden – aus dem Sloan Digital Sky Survey und generierte daraus ihre Periodogramme. Bei 223 von ihnen fand er eine einzelne heraus stechende Periode, die mindestens um den Faktor 6,5 die Amplitude aller anderen Perioden im Spektrum überragte. Nach seiner Analyse war es trotz der großen Zahl von Spektren statistisch auszuschließen, dass diese große Amplitude auf eine zufällige, besonders große Schwankung des Rauschens zurück zu führen sein könnte.

Die fernste Galaxie hatte eine Rotverschiebung von 0,25 entsprechend einer Entfernung von 3,3 Milliarden Lichtjahren; dabei zeigte sich, dass die Periodendauer mit der Rotverschiebung der Galaxien wuchs, ein Effekt, den man nur erwarten würde, wenn die Periode wirklich von der Galaxie produziert würde und nicht etwa im beobachtenden Instrument oder durch die Berechnungen. Für die Mehrzahl der Galaxien war keine Periodizität feststellbar. Auch das sprach für einen realen Effekt. Die Rotverschiebung herausgerechnet betrug die Periode ungefähr 10-13 Sekunden, das sind 0,1 Picosekunden.

Perioden-Spitzen N zahlreicher Galaxien über der Rotverschiebung (Entfernung) aufgetragen. Eine Rotverschiebung von 0,25 entspricht einer Entfernung von 3,3 Milliarden Lichtjahren. Mit zunehmender Entfernung nehmen die Werte von N zu – daraus folgert Borra, dass die Werte den Quellen und nicht der Analyse oder den Aufnahmeinstrumenten zuzuordnen sind. Die Abstufung der Werte entsteht dadurch, dass stets nur ganzzahlige N bei der diskreten Fourier-Transformation erzeugt werden, es gibt keine Zwischenwerte. Man sieht hier zwei Reihen von N-Werten: eine, die bei Rotverschiebung 0 den Wert 52 (1,09 * 10-13 s) hat und eine tiefer liegende, die bei 0 gegen den Wert 49 strebt (1,03 * 10-13 s). Es kommen also nur zwei Periodenlängen vor.

(Bild: Ermanno F. Borra)