Die X-Akten der Astronomie: Moduliert da etwa jemand Galaxienkerne?

Seite 3: Ich sage nicht, es sind Aliens…

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Könnte das Signal vielleicht von Absorptionslinien erzeugt werden? Wenn sich Linien im Spektrum in gleichen Abständen wiederholen, entstünde eine ähnliche Spitze im Zeitbereich wie die beobachtete. Borra sagt "nein!", denn erstens seien die aus Spektrallinien resultierenden Perioden-Spitzen bei Fixsternen viel breiter als nur eine der diskreten Wellenlängen, zweitens seien die Linien bei den Galaxien zu schwach und drittens sähen die Spektren der 223 Galaxien nicht anders aus als die der übrigen, ihr Spektrum sei im Augenschein nicht auffällig in ihren Spektrallinien. Einige von ihnen hätten Emissionslinien (das heißt, es handelt sich um Seyfert-Galaxien), andere nicht.

Auch einen Unterschied in der chemischen Zusammensetzung der Galaxien und die dadurch verursachten zusätzlichen Linien will Borra ausschließen, denn dann müssten ganze Sternpopulationen in diesen Welteninseln ungewöhnliche Mengen von Elementen produziert haben, was allenfalls für einzelne Sterne plausibel wäre.

Was könnte stattdessen eine mögliche Erklärung sein? Borra spekuliert, dass die Signale den Jets supermassereicher Schwarzer Löcher in aktiven Galaxienkernen entstammen könnten. Die kurze Periode würde auf ein räumlich stark begrenztes Volumen mit einer absurd hohen Temperatur von mehr als 1040 K rückschließen lassen (um nämlich eine entsprechende Leuchtkraft einer so winzigen Quelle zu erklären), aber die Strahlung müsse ja nicht notwendig thermisch sein, also durch eine Quelle mit hoher Temperatur verursacht; LEDs oder Laser strahlen zum Beispiel kaltes Licht ab. Bisher unbekannte, exotische Physik könne hier am Werk sein. Oder andere "offensichtliche Erklärungen", die er aber in dem Aufsatz nicht nennen mochte.

In einer anderen Arbeit aus dem Jahr zuvor (2012) hatte er die Analyse von Stern-Periodogrammen vorgeschlagen, um nach gepulsten Signalen von außerirdischen Intelligenzen zu suchen. Wenn die Paare von Pulsen mit festem Abstand gesendet würden, dann würde sich dieser zeitliche Abstand als scharfe Periodenspitze im Periodogramm zeigen.

2016 veröffentlichte er zusammen mit Eric Trottier (ebenfalls Universität Laval) einen weiteren Aufsatz in den Publications of the Astronomical Society of the Pacific (PASP), in dem er nach periodischen Modulationen in Periodogrammen von Sternen suchte. Unter 2,5 Millionen Sternspektren – wieder aus dem SDSS – identifizierten Borra und Trottier 234 Sterne mit einer auffälligen Spitze im Periodogramm bei 1,65 Picosekunden. Alle diese Sterne waren von der Spektralklasse her sonnenähnlich: von vergleichbarer Temperatur, Größe und mit ähnlichen Spektren. Nachdem sie, wie oben, Spektrallinien und Effekte der Fouriertransformation oder der Instrumente als Ursachen ausgeschlossen haben, schließen die Autoren, dass Signale extraterrestrischer Intelligenzen, die auf sich aufmerksam machen wollen, eine plausible Erklärung sein könnten. Die Sterne könnten Planeten haben, von denen die Signale, zum Beispiel als gepulste Laserstrahlen, ausgingen.

Aber ist das wirklich plausibel? 234 Intelligenzen, querbeet über den Himmel verteilt auf nicht einmal sehr fernen Sternen, die alle Pulse mit demselben Zeitabstand senden, um auf sich aufmerksam zu machen? Alle gleichzeitig existierend – kosmologisch gesehen ist die Dauer, die es den Homo Sapiens schon gibt, nur eine Sekunde im Vergleich zu einem Tag, und 99,9 Prozent dieser Zeit waren wir technisch nicht einmal in der Lage, Radiowellen auszusenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Intelligenzen in der Milchstraße gleichzeitig auf technologischem Niveau existieren, ist winzig, und für 234 ist sie nach allen praktischen Maßstäben Null. Wenn es sich bei allen Quellen jedoch um Kolonien ein- und derselben Spezies handelte, die also interstellare Raumfahrt betreiben können müsste, warum sollte sie uns von überall her Zeichen zusenden anstatt uns zu besuchen?

Und 223 Galaxien, bis zu 3,3 Milliarden Lichtjahre Entfernung, die das ebenfalls tun? Wozu? Die Kommunikation über Milliarden Lichtjahre und entsprechend lange Laufzeiten wäre komplett sinnfrei.

Vielleicht sollte man sich nicht alleine auf die Gegenargumente verlassen, die die Autoren selbst aufzählen, um sie gleich danach wieder zu entkräften. 2018 erschien eine Arbeit von Howard Isaacson, Andrew Siemion (der auch am SETI-Institut in Mountain View, Kalifornien, tätig ist) und anderen, die das Naheliegende taten, was eigentlich auch Borra hätte tun können: die Beobachtungen mit besserem Gerät an den aufgespürten Objekten wiederholen. Sie wählten drei von Borras 234 Sternen aus, darunter TYC3010-1484-1, der im Anomalienkatalog von Breakthrough Listen als Beispiel für einen Stern mit Picosekunden-Veränderlichkeit aufgeführt ist.

Sie nahmen Spektren der Sterne mit einem Spektrographen auf, der eine fast 50-fach höhere Auflösung hatte als diejenigen des SDSS, mit denen Borras Spektren aufgenommen worden waren, und wendeten Borras Methode an, aber mit einer um 2 Größenordnungen besseren Auflösung der Periodogramme. Und fanden: nichts. Natürlich, schrieben die Autoren, könnte es sein, dass die Außerirdischen gerade nicht sendeten, als die hochauflösenden Spektren aufgenommen wurden. Vielleicht seien in einigen wenigen SDSS-Spektren aber auch einfach nur kleine Störungen der Instrumente enthalten. Zum Beispiel Interferenzmuster innerhalb der Optiken, die empfindlich auf Temperaturänderungen oder Erschütterungen reagierten. Auch ein Verriss sollte höflich sein.

Periodogramm des Sterns TYC3010-102, das bei Borra und Trottier an der markierten Stelle eine Spitze zeigte, die hier fehlt. In dieser Analyse von Isaacson, Siemion et al. wurden Aufnahmen des Sterns mit einem um zwei Größenordnungen besser auflösenden Spektrographen verwendet.

(Bild: Isaacson, Siemion et al.)

Am 6. Februar 2019 erschien in PASP eine Arbeit von Michael Hippke vom Observatorium Sonneberg. Er gibt darin zu bedenken, dass die atmosphärische Turbulenz Pulse im Picosekundenbereich so stark verschmieren würde, dass man sie eigentlich vom Erdboden aus gar nicht messen können sollte. Hippke wendete ebenfalls Borras Methode an und fand tatsächlich eine Periode – im Spektrum der Sonne! Allerdings nicht in deren echtem Spektrum, sondern in einem synthetischen, welches das Sonnenspektrum absolut frei von Messrauschen mathematisch reproduzierte und welches er zu einem Spektrum mit der doppelten Auflösung der SDSS-Spektrographen verpixelte. Die Signalspitze lag genau bei derselben Periode, die Borra ermittelt hatte, aber das Spektrum war definitiv nicht periodisch moduliert.

Auch bei Galaxienspektren wurde er fündig: er bediente sich aus einem anderen Katalog (6df) ähnlicher Auflösung wie dem des SDSS und fand umso klarere Perioden-Spitzen, je mehr Galaxienspektren er einander überlagerte. Und sie zeigten auch das von Borra beobachtete Verhalten, mit der Rotverschiebung zuzunehmen. Der Grund? Die Absorptionslinien im Spektrum sind nicht zufällig angeordnet, sondern sie unterliegen selbst einem Muster, das in den Zeitbereich transformiert eine zeitliche Periodizität vortäuscht. Die Linienabstände nehmen mit der Rotverschiebung zu und somit auch die Pseudo-Periodizität. Und am Ende gehen sie auf die Linien in den Sternspektren zurück.

Michael Hippke überlagerte in seiner Arbeit von insgesamt 12.000 zufällig ausgewählten Spektren von Galaxien aus dem 6df-Galaxienkatalog jeweils Galaxien mit der gleichen Rotverschiebung und berechnete ihre Summen-Periodogramme, hier senkrecht von unten nach oben aufgetragen. Periodogramme zunehmender Rotverschiebung sind von links nach rechts aufgetragen. Zahlreiche Perioden-Spitzen lassen sich als Linienmuster identifizieren. Diese Perioden sind mithin in Galaxienspektren vollkommen normal und auf die Frequenzbezüge zwischen den Absorptionslinien im Spektrum der Galaxien zurückzuführen. Mit zeitlichen Perioden haben sie nichts zu tun.

(Bild: Hippke )

So könnte dieses Rätsel also als gelöst aus dem Katalog von Breakthrough Listen gestrichen werden. Diesmal waren es offenbar leider keine Aliens.

Quellen:

(mho)