Edit Policy: Netzneutralität gestärkt – Telekom wettert gegen den Rechtsstaat

Seite 2: Triumph des Verbraucherzentrale Bundesverband

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Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat deshalb gegen verschiedene Aspekte des Zero-Rating-Tarifs Vodafone Pass geklagt und kürzlich vor dem Europäischen Gerichtshof Recht bekommen. Der VZBV hatte unter anderem bemängelt, dass der Vodafone Pass die Nutzung der Zero Rating-Funktion über das Tethering, also das Teilen des Mobilfunkzugangs via Hotspot, unterbindet und so die freie Endgerätewahl einschränkt. Diese Frage legte ein deutsches Gericht dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vor. Dieser ging nun sogar jedoch einen Schritt weiter und schloss sich der von VZBV und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen lange vertretenen Rechtsauffassung an, dass Zero Rating insgesamt mit der Netzneutralität unvereinbar ist.

Der parallele Rechtsstreit um den Telekom-Tarif StreamOn ging darauf zurück, dass die Bundesnetzagentur die Beschränkung von Videotraffic auf eine Bandbreite 1,7 Mbit/s im Rahmen des Tarifs beanstandet hatte, nicht aber das Zero Rating-Angebot als solches. Das hat der Europäische Gerichtshof nun korrigiert und Zero Rating vollständig verboten, egal wie die Tarifoption im Einzelnen ausgestaltet ist. Die insgesamt drei zusammenhängenden Urteile gegen Vodafone Pass und Telekoms StreamOn sind also ein voller Erfolg für die Netzneutralität und die Verbraucherschutzrechte. Die nationalen Gerichte müssen nun auf Grundlage der Antworten des Europäischen Gerichtshof die abschließenden Urteile fällen, die aber im Einklang mit dem Europarecht nur auf das Verbot der beiden Tarife hinauslaufen können.

Während die Bundesnetzagentur im Rahmen der Verbändeanhörung vergangene Woche angekündigt hat, das Verbot von Zero Rating durch den Europäischen Gerichtshof selbstverständlich zu respektieren und künftig durchzusetzen, ließen die Telekommunikationsanbieter diesen Respekt für das höchste EU-Gericht vermissen. Die Telekom erklärte, der Europäische Gerichtshof liege in seinem Urteil falsch und würde versuchen, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen. Deshalb müsse über eine Prüfung durch deutsche Gerichte nachgedacht werden, ob die EU ihre Kompetenzen überschreite. Derartige Rechtsauffassungen ist man sonst nur von der polnischen Regierung gewohnt. Vodafone und Telefónica, die ebenfalls an der Anhörung teilnahmen, widersprachen den Ausführungen der Telekom nicht, auch wenn ihre Kritik an den Urteilen weniger scharf formuliert war.

Anstatt den Rechtsstaat infrage zu stellen, wären die Telecomanbieter gut beraten, Konzepte zu entwickeln, wie sie ihre Kund:innen zum absehbaren Ende der illegalen Zero Rating-Angebote entschädigen können. Denn klar ist: Wenn die Kund:innen von Telekom und Vodafone mit laufenden Verträgen das – wenn auch auf bestimmte Apps eingeschränkte – unbegrenzte Datenvolumen nicht mehr zur Verfügung steht, werden sie dadurch schlechter gestellt und erhalten ein Sonderkündigungsrecht. Abwenden können die Telekommunikationsanbieter das eigentlich nur noch, indem sie den Internettraffic, der andernfalls für StreamOn und Vodafone Pass angefallen wäre, zum frei verfügbaren Datenvolumen dieser Tarife hinzuaddieren. Dann folgen aus der Stärkung der Netzneutralität durch den Europäischen Gerichtshof ganz handfeste Vorteile für die Verbraucher:innen. Denn wer von vornherein auf ein hohes Datenvolumen für eine faire Grundgebühr zurückgreifen kann, der braucht auch kein Zero Rating.

Die Texte der Kolumne "Edit Policy" stehen unter der Lizenz CC BY 4.0.

(mho)