Ein Jahr Ampel: Digitalisierung mit großen Schwächen

Seite 2: Faeser: Die Innenministerin ist auf Hauslinie

Inhaltsverzeichnis

(Bild: Peter Jülich, bmi.bund)

Für viele der wohl wichtigsten und umstrittensten Digitalvorhaben ist das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) zuständig. Das liegt an der Zuständigkeit für die öffentliche Sicherheit und das Verwaltungswesen insgesamt. Von Cybersicherheit über Datenschutz und OpenData bis hin zur Verwaltungsdigitalisierung, elektronischen Identitäten und der Vorratsdatenspeicherung ist das BMI ein eingespieltes Haus. In den Jahren unter den Unions-Herren Horst Seehofer, Hans-Peter Friedrich und Thomas de Maizière ging es mal digital stärker voran, mal weniger – stets aber konnten die Ministerialen darauf vertrauen, von ihren Ministern in ihrer Kompetenz nicht in Frage gestellt zu werden. Und das scheint auch mit Nancy Faeser (SPD) nach einem Jahr weiter ausgeschlossen.

Die Ministerin macht seit Amtsantritt eine eigenwillige Figur: Der Koalitionsvertrag interessiert Faeser offenkundig wenig. Ob Vorratsdatenspeicherung, Überwachungsbefugnisse, CSAM, Verschlüsselung oder Schwachstellenmanagement: Mit Faeser passiert nichts, was nicht auch unter ihren Vorgängern passiert ist. Mit Sorge sehe er, sagt Oliver Süme, Vorstand des Verbands der Internetwirtschaft (Eco), "dass sich insbesondere das Bundesinnenministerium von den im Koalitionsvertrag formulierten Zielen zur Verschlüsselung und dem Schutz der Privatsphäre verabschiedet".

Zudem handelte Faeser in der angeblichen Affäre Schönbohm vorschnell. Bis heute gibt es keine echte Begründung, warum die Ministerin den bisherigen BSI-Präsidenten abberief und für diesen über den Bundeshaushalt einen teuren Entsorgungsposten schuf, während die tatsächlich politischen Beamten, allesamt berufen von ihren Vorgängern, weiter schalten und walten wie bisher.

Kaum voran geht es mit Faeser auch bei den großen Themen, für die ihr Haus fast allein zuständig ist. Beim Onlinezugangsgesetz gab es immerhin in dieser Woche eine Runde der zuständigen Abteilungsleiter – doch auf dem Dashboard zur OZG-Umsetzung steht bei den eigentlich priorisierten Verwaltungsdienstleistungen nach dem Prinzip "Einer für alle" aus Corona-Mitteln bei den tatsächlich abgeschlossenen Projekten weiterhin die Null.

Auch wenn hier die Länder eine Mitschuld tragen: Der Verweis auf die Vorgängerregierung zieht nach einem Jahr nicht mehr. Und auch die vorhandenen Onlinemöglichkeiten sind keineswegs flächendeckend eingeführt. "Bisher ist das OZG vor allem eine Schaufensterdigitalisierung, die Bürgerinnen und Bürgern eine elektronische Antragstellung ermöglichen soll, ohne den Prozess auf Seiten der Verwaltung zu digitalisieren", meint Domscheit-Berg. "Das ist natürlich Nonsens." Sie fordert ein "OZG 2.0".

Und bei den elektronischen Identitäten wartet ein weiteres Thema auf Nancy Faeser – die selbst gesteckten Ziele der Bundesregierung sind hier so hoch wie die Erwartungen. "Wenn wir hier zügig vorankämen, hätten wir für richtig viele Digitalisierungsvorhaben einen Schlüssel in der Hand", meint FDP-Mann Funke-Kaiser. Auch Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hofft darauf, dass sich hier bald etwas tut. Doch die Schlossherrin des Schießschartenarchitekturkolosses in Nachbarschaft zum Kanzleramt hat bislang noch keinen Schlüssel aushändigen können.