Ein ehrgeiziges CO2-Speicher-Projekt in Australien hat massive Probleme
Die Chevron-Anlage zur Klimagas-Abscheidung in der Gasindustrie verfehlt ihre Ziele drastisch. Es könnte zu Strafzahlungen kommen.
- Jan Oliver Löfken
Die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund – Carbon Capture and Storage, kurz CCS – gilt als Schlüsseltechnologie, um Kohle, Erdgas oder Erdöl etwas weniger klimaschädlich nutzen zu können. Dutzende CCS-Projekte stehen weltweit in Planung oder sammeln erste praktische Erfahrungen. Eines der größten – das Gorgon-Projekt in Westaustralien – kämpft allerdings mit massiven Problemen, wie sich nun zeigt: Selbstgesetzte Ziele werden drastisch verfehlt.
Herstellung von LNG-Flüssiggas
Bei der Verflüssigung von mit CO₂ verunreinigtem Erdgas zu leichter per Schiff transportierbarem LNG (Liquid Natural Gas) sollten eigentlich 80 Prozent des beim Prozess freigesetzten CO₂ abgetrennt und im Untergrund dauerhaft gespeichert werden. Dieses Ziel hat die federführend vom Ölkonzern Chevron zusammen mit ExxonMobil, Royal Dutch Shell und japanischen Unternehmen betriebene Anlage jedoch nicht erreicht. Energieexperte Ian Porter, Vorstand der australischen Beratungsfirma Sustainable Energy Now, schätzt laut der britischen Zeitung The Guardian, dass die Speicherung von nur 30 Prozent CO₂ gelang. Chevron hat einen detaillierten Bericht zu diesen Problemen für das laufende Jahr angekündigt.
„Es ist ein schockierendes Versagen von einem der weltgrößten Technikprojekte“, wird Porter zitiert. In der Tat sollte die LNG-Anlage innerhalb der letzten fünf Jahre rund 20 Millionen Tonnen CO₂ abtrennen und in den Sandsteinschichten in gut zwei Kilometern Tiefe unter Barrow Island verpressen sowie dauerhaft speichern. Das entspricht für jedes Jahr etwa dem CO₂-Ausstoß von einer Million Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Doch mit rund neun Millionen Tonnen jährlich emittierte die Anlage in den Jahren 2017 bis 2019 sehr viel mehr CO₂ als ursprünglich geplant. Sie belastete damit das Klima nachhaltig und avancierte zum achtgrößten CO₂-Emittenten Australiens.
Konkrete Ursachen für dieses Versagen gibt Chevron bisher nicht an. Im Gegenteil verkündete das Unternehmen Mitte Juli selbstbewusst, seit August 2019 mit fünf Millionen Tonnen gespeicherter Klimagase einen Meilenstein erreicht zu haben. Und weiterhin verfolgt Chevron, tatsächlich vier Millionen Tonnen jährlich speichern zu können, wenn „das System vollständig einsetzbar sei“. „Der Weg dahin ist nicht immer einfach. Aber die Herausforderungen, die wir meistern werden, machen es einfacher, die Emissionen mit CCS zu reduzieren“, so Mark Hatfield, Chevron-Direktor in Australien. Bis wann das klappen wird, ist heute noch nicht absehbar. Aktuell stehen bezogen auf das drei Milliarden US-Dollar teure Projekt Strafzahlungen von bis zu 100 Millionen Australischen Dollar (etwa 62 Millionen Euro) für die verfehlten CO₂-Minderungen in der Diskussion.
CCS – ein schöner Traum?
Weltweit ist der Ausbau von CCS-Anlagen insgesamt noch nicht sehr weit gediehen. Aktuell erreichen gut zwanzig Projekte eine jährliche Speicherkapazität von etwa 40 Millionen Tonnen CO₂. Die kostspielige und selbst teils energieintensive Technologie des Abscheidens hat immerhin einen hohen Entwicklungsstand erreicht. Auch die Injektion in den Untergrund oder ausgediente Lagerstätten für Erdöl und Erdgas ist technisch zu bewältigen. Allerdings fehlen noch zuverlässige Langzeitstudien, die den dauerhaften Verbleib der Klimagase – möglichst über Jahrhunderte – belegen. Auch in Deutschland wurde zwischen 2004 und 2017 eine Pilotanlage zur CO₂-Speicherung im brandenburgischen Ketzin betrieben. Dieses Projekt demonstrierte prinzipiell die Machbarkeit der CO₂-Speicherung in einem salinen Aquifer im Untergrund. „Doch seitdem wurden jedoch keine neuen Initiativen mehr entwickelt“, sagte Anfang Juni Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig gegenüber dem deutschen Science Media Center.
Doch sich nun hämisch über das Versagen der Ölindustrie in Australien zu freuen, greift auch für überzeugte Gegner der fossilen Energieträger zu kurz. Denn das für ein 1,5- oder 2-Grad-Ziel noch verfügbare CO₂-Budget wird bei den aktuellen Emissionen weit vor dem Erreichen des Netto-Null-Ziels aufgezehrt sein. So wird man an der Abscheidung von CO₂ aus Industrieprozessen oder auch direkt aus der Luft nach heutiger Lage in Zukunft kaum vorbeikommen. Allein auch, um langfristig kaum zu vermeidbare Emissionen von Klimagasen – etwa in Viehzucht, Luft- und Seeverkehr, Bau- oder Landwirtschaft – auszugleichen.
Viele Ansätze für die CO₂-Reduktion werden bereits verfolgt, sei es Aufforsten, das Anlegen von Moorgebieten oder auch das Zerkleinern von Basaltgestein als CO₂-Speicher in Staubform. Das Verpressen von CO₂ im Untergrund – quasi das klassische CCS – zählt auch zu den verfügbaren, aber noch zu verbessernden Technologien. Ein sinnvoller Weg wäre der offene Wettbewerb zwischen allen verfügbaren Methoden. Allerdings ist es auch nicht ausgeschlossen, dass bei zu rasch schwindendem CO₂-Budget alle Ansätze genutzt werden müssen. Klar ist jedoch, dass die Vermeidung von CO₂ heute sehr viel günstiger kommt, als jeder spätere Abscheidungs- und Speicherprozess.
(bsc)