Ein tieferer Blick auf Bushs Weltraum-Rede

Die Weltraumoffensive des US-Präsidenten hat mehr mit Robotern als mit Astronauten zu tun.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Richard A. Muller
Inhaltsverzeichnis

Viele Leute glauben, dass US-Präsident George W. Bush am 14. Januar ein neues Weltraumprogramm verkündet hat, das wieder Menschen auf den Mond und nicht viel später auch auf den Mars schicken wird. Har er nicht: Bush kündigte das Ende des Space Shuttle und eine Verringerung des Engagements der Vereinigten Staaten bei der internationalen Raumstation ISS an. Für die nähere Zukunft schlug er ein erweitertes unbemanntes Raumfahrtprogramm an, bei dem die Planeten und das Sonnensystem die Hauptziele sind. Ich weiß, das haben die meisten Leute nicht aus den Schlagzeilen der Zeitungen herausgelesen. Also schauen wir uns doch einmal genau an, was Bush in seiner Weltraum-Rede sagte. Dabei wollen wir besonders auf die Starttermine der Missionen achten.

Der Präsident nutzte einen Großteil seiner Rede, um die großen Errungenschaften der Weltraumfahrt zu beschreiben. Dafür kamen praktische Beispiele: Unbemannte Satelliten sagen das Wetter voraus, stellen Kommunikationsverbindungen her und geben uns über das Global Positioning System (GPS) Ortsdaten durch. Aber Bushs Hauptaugenmerk lag auf den wissenschaftlichen Leistungen der NASA, darunter auch der fortschreitenden Erforschung des Universums. Die Apollo-Missionen zum Mond erwähnte er nur nebenbei.

Er sprach von Bildern, die von Teleskopen aufgenommen werden und vom Wissen, das uns Roboterfahrzeuge wie der Mars-Rover Spirit vermitteln. Seine Betonung von unbemannten Missions war überraschend und bedeutsam. Denn Bush hat recht: Das unbemannte Weltraumprogramm ist die ruhmreichste Leistung, die die NASA in den letzten drei Jahrzehnten absolviert hat. Dieser Aspekt der Raumforschung scheint auch die Öffentlichkeit am meisten zu faszinieren. Das "Astronomy Picture of the Day" der NASA fasziniert Schulkinder wie Erwachsene, viele laden sich diese Bilder als Bildschirmschoner herunter. Dagegen sind Geschichten von Astronauten, die seit Monaten in der Raumstation herumfliegen, offenbar so langweilig, dass sie es noch nicht einmal auf die letzte Seite der Zeitung schaffen, geschweige denn in die TV-Nachrichten.

Genauso wichtig wie die Aussagen waren die Auslassungen in Bushs Weltraum-Rede. Er sagte nichts über Produktion im Weltraum - mit der Möglichkeit runderer Kugellager oder reinerer Chips. Er sprach nicht von Weltraumfahrten, die so billig sind, dass sie zur Normalität werden. Diese alten aber hoffnungslosen Ziele, die einst die Grundlage des Space Shuttle-Programmes darstellten, wurden von Bush liegengelassen, und dafür bin ich dankbar. Sie waren nie realistisch, machten nie wirtschaftlich Sinn und störten legitime Wissenschafts- und Forschungsprogramme nur.

Die größten Leistungen, die Präsident Bush aufzählte, hatten nichts mit bemannter Raumfahrt zu tun. Natürlich wurde das Hubble-Teleskop vom Shuttle in den Weltraum gebracht und gewartet. Aber die meisten Wissenschaftler nehmen heute an, dass das Hubble-Projekt noch mehr für seine Kosten gebracht hätte, wenn es außerhalb des Programms zur bemannten Raumfahrt entwickelt und ausgeführt worden wäre. Hubble vom Shuttle reparieren und erneuern zu lassen, ist wohl teurer, als einen neuen Satelliten nach oben zu schießen - auch deshalb, weil man Hubble absichern musste, damit Astronauten überhaupt in seiner Nähe arbeiten können.

Das Militär hat Spionageteleskope schon seit Jahrzehnten in die Umlaufbahn geschossen, ohne dass es menschlicher Servicetechniker bedarf. Und wie groß sind die? Die Optik sagt uns, dass die Auflösung eines Teleskops vom Durchmesser seines Spiegels abhängt. Wenn man den Taschenrechner herausholt, ergibt sich, dass man einen drei Meter großen Spiegel braucht, um Autokennzeichen aus einer Höhe von 500 Kilometern lesen zu können. Der Spiegel von Hubble ist 2,4 Meter breit.

Präsident Bush gab bekannt, dass das Shuttle noch bis 2010 fliegen wird - nur noch sechs weitere Jahre. Er beendet das Shuttle-Programm. In seinen letzten Jahren soll das Shuttle hauptsächlich dazu dienen, die ISS zu komplettieren - "zu beenden, was wir angefangen haben".

Würde das irgendjemand als enthusiastisches "Ja" zu der Raumstation lesen? Wie werden die 15 internationalen Partner das Wort "beenden" (finish) interpretieren? Der einzige sinnvolle Zweck der ISS, den Bush in seiner Rede erwähnte, war das biologische Studium der menschlichen Leistungsfähigkeit in der Schwerelosigkeit. Andere wissenschaftliche Erkenntnisse nannte er nicht. Und damit hatte er recht. Die meisten Wissenschaftler, die Raum-Experimente durchführen, präferieren Satelliten, die frei von menschlicher Verschmutzung und Störgeräuschen sind. Außerdem kostet es immer wieder viel Geld, die Geräte so zu gestalten, dass Menschen sie gefahrlos bedienen können.