Ein tieferer Blick auf Bushs Weltraum-Rede

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Der Ersatz für das Space Shuttle, das so genannte "Crew Exploration Vehicle", wird "nicht später als 2014" nutzbar sein, sagte Bush. Es könnte also vier Jahre lang - von 2010 bis 2014 - so sein, dass die USA gar nicht zur ISS fliegen können. Ist das die große Chance für Russland, das Geschäft mit dem Transport von Menschen und Ladung zur ISS zu übernehmen? Oder ist das ein Signal für die anderen 15 Teilnehmer der Mission, sich von dem Projekt loszusagen und ihre Verluste zu minimieren? Ich würde sagen, dass das Crew Exploration Vehicle, wenn es einmal fertig ist, nicht mehr zur ISS aufbrechen wird, weil die dann schon lange verlassen wurde.

Vor der Columbia-Katastrophe sollte das Hubble-Weltraum-Teleskop 2005 von einem Shuttle-Team repariert und erweitert werden. Nun fragt sich die NASA aber, ob eine solche Mission das Risiko wert ist, das sie für die Astronauten bedeutet. Stattdessen überlegt die NASA, für 300 Millionen Dollar einen Roboter-Schlepper zu entwickeln, der sich an das Teleskop anheftet und es in den Ozean stürzen lässt, damit die Rückkehr von Hubble auf die Erde Menschen keinen Schaden zufügt. Der Gedanke, Hubble zu zerstören, macht viele Wissenschaftler sehr wütend. Das ist nicht ohne Ironie, zeigt der Streit doch, dass die NASA es geschafft hat, die Wissenschaftler von etwas abhängig zu machen, das sie eigentlich nie wollten. Nicht die Mars-Mission ist eine Gefahr für Hubble, es ist das Ende des Shuttle. Dieses sollte man herbeiführen, finde ich, egal ob wir zum Mars wollen oder nicht.

Erstens sind die 300 Millionen Dollar, die man für das sichere Ende von Hubble bräuchte, wohl das meiste Geld, dass man je zum Schutz von Menschenleben eingesetzt hätte. Bloß eine Million Dollar, die man in die Rettungsdiensteinfrastruktur in den USA investiert, würden wesentlich mehr Leben retten. Besser wäre noch, armen Regionen Medikamente zu kaufen. Zweitens wurde Hubble nicht aus Geldspargründen so gebaut, dass Menschen das Teleskop warten konnten, sondern weil man eine wissenschaftliche Ausrede für das Shuttle brauchte. Es ist wahrscheinlich billiger, ein Astronauten-freies System der nächsten Generation aufzubauen, als Hubble weiter vom Shuttle betreuen zu lassen. Drittes ist ein Trip zu Hubble gefährlicher als zur ISS, weil es keine Chance gibt, (die bei der Columbia-Katastrophe so prekären) Schutzkacheln zu reparieren, die beim Start beschädigt wurden.

Beide Missionen setzen das Leben von Astronauten aufs Spiel, und die Entscheidung wird nicht einfach. Wenn sich die Entscheidung aber zwischen einem gefährlichen Ausflug zur ISS ohne wissenschaftliche Ergebnisse und einem noch gefährlicheren zum Hubble-Teleskop mit enormem wissenschaftlichen Gewinn abspielt, werden die USA sich wohl für Hubble entscheiden. Ich lese die Bush-Rede so, dass das einzige Ergebnis, bei dem es sich lohnt, das Leben von Menschen zu gefährden, Wissensgewinnung und Forschung sind - und da ist Hubble nicht zu schlagen.

Bushs Rede wurde vielfach als Plan charakterisiert, Astronauten zum Mond und zum Mars zu schicken. Aber das Ziel, den Mond zu erreichen, liegt im Jahr 2020 und der Mars käme 2030. Das ist kein Plan und auch kein Programm, das ist ein Langzeittraum.

Schauen wir einmal, was tatsächlich bis zum Ende des Jahrzehnts laut dem Bush-Plan passiert. Das Shuttle-Programm wird eingestellt, die ISS sich selbst überlassen. Nur ein Ziel, das Bush ankündigte, würde innerhalb seiner Präsidentschaft erreichbar sein: "Nicht später als 2008 werden wir eine Serie von Roboter-Missionen zur Mondoberfläche durchführen, um ihn zu erforschen und spätere menschliche Missionen vorzubereiten. Die Roboter-Missionen bereiten unseren Weg, sind unsere Vorhut ins Ungewisse. Sonden, Landemodule und andere Fahrzeuge dieser Art bleiben äußerst wertvoll, schicken uns spektakuläre Bilder und riesige Datenmengen zurück zur Erde."

Präsident Bush hat Recht. Das Space Shuttle und die ISS verdienen ihr Ende. Der wahre Kern seines Vorschlags ist die Eliminierung dieser Programme und ihr Ersatz durch Roboter-Forschung. Wir werden uns umsehen, bevor wir einen Schritt in den Raum wagen. Wir schicken Teleskope für fotografische Aufnahmen, Infrarot-, Ultraviolett-, Mikrowellen-, Röntgen- und Gamma-Strahlen in den Erdorbit. Dann schicken wir Roboter, die das erforschen werden, was Roboter erforschen können. Die Wissenschaft soll uns führen, anstatt dem vermeintlichen menschlichen Bedürfnis zu folgen, die Erdoberfläche zu verlassen.

Einige Leute werden sagen, ich bin zu optimistisch und ich lese zuviel zwischen den Zeilen. Ich glaube aber eher, dass ich die Schlagzeilen über Mars- und Mond-Missionen ignoriere, um die tatsächlichen Zeilen zu lesen. Präsident Bush gab uns einen großen Plan. Das sollten wir erkennen und weitertreiben. Wir müssen vorsichtig sein, dass Politiker und Bürokraten diese wunderbare Vision der Roboter-Raumfahrt nicht zweckentfremden und sie zu einem lustlosen Programm degradieren, das nur Astronauten an Orte schickt, an denen Teleskope und Sonden einen sichereren, schnelleren, besseren und billigeren Job erledigen würden.

Von Richard Muller; Übersetzung: Ben Schwan.

-- Richard A. Muller ist Physik-Professor an der University of California in Berkeley. Dort hält er die Vorlesung "Physics for Future Presidents"; außerdem ist Muller seit 1972 Berater für die nationale Sicherheit der USA (sma)