Eine kleine Geschichte des Risikos

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Mit DEC, einer legendären Firma aus der Frühzeit des Computerzeitalters, begab sich Doriot in eine Marktlandschaft, die der heutigen ähnelt. Doriot hinterließ aber auch in anderen Bereichen seine Spuren – etwa als früher Verfechter der Globalisierung, indem er mit INSEAD in Frankreich ein europäisches Pendant zur Harvard Business School schuf. Sein Haupterbe bleiben aber seine 25 Jahre als Chef der ersten organisierten Risikokapitalfirma. Das Geld dafür kam von institutionellen Investoren und der Öffentlichkeit.

Parallel zum DEC-Investment, das alles verändern sollte, begannen andere Männer, Doriots Pfade zu betreten. Arthur Rock, ein Student Doriots, der Harvard 1951 abschloss, finanzierte den Abgang der "acht Verräter", die 1957 Shockley Semiconductor verließen, um Fairchild Semiconductor zu gründen. Schließlich gab er Robert Noyce und Gordon Moore das Geld, um Fairchild zu verlassen. Sie starteten Intel.

Andere Doriot-Schüler waren mindestens genauso aktiv: Laurance Rockefeller gründete Venrock, das seither 400 Firmen von Intel bis Apple (mit)finanzierte; Don Valentine gründete wiederum Sequoia, das Atari, Apple, Oracle, Cisco, Google und YouTube viel Geld zum Wachsen gab.

Das Buch "Creative Capital" ist deshalb keine vergilbte Erinnerung an eine verschwundene Wirtschaftsära. Auch enthält es keinen Hinweis darauf, dass es systematischere odere risikoärmere Methoden gab oder gibt, Technologie-Gründungen zu finanzieren. Was Doriot damals tat, hat sich bis heute kaum verändert – soviel erfährt man aus Antes Werk. Allerdings zeigt er auch, wie die Struktur des Risikokapitalgeschäfts entstand. Ende der Sechzigerjahre suchte Doriot einen Nachfolger für ARD und wollte einen seiner früheren Studenten haben.

Thomas Perkins, der sich einen Namen als Verwaltungschef der Forschungsabteilung von Hewlett-Packard gemacht hatte, sollte es eigentlich sein. Perkins fand allerdings schnell einige höfliche Gründe, Doriots Angebot abzulehnen. Doch sein wirkliches Motiv, wie er gegenüber Ante offen zugab, lag woanders. "Es gab aufgrund der Struktur von ARD keine Möglichkeit, sehr viel Geld zu verdienen." Doriot musste mit bürokratischen Hürden klar kommen, die nicht verstanden, wie anders eine Risikokapitalfirma gegenüber herkömmlichen Investmentfirmen aufgestellt werden musste. ARD litt, weil es als börsennotiertes Unternehmen arbeitete und seine Mitarbeiter keine Aktienoptionen für die im Portfolio enthaltenen Firmen erhalten konnten. Doriot bat die US-Börsenaufsicht immer wieder, das zu ändern – er stieß auf taube Ohren.

Die Realität für ARD ab 1959 sah dann auch so aus, dass das Konzept der Börsennotierung von einer anderen Geschäftsform, der "Limited Partnership", überholt wurde. Diese Idee, die in den wilden Tagen des Ölbooms in Texas entstanden war, wurde von immer mehr Risikokapitalfirmen übernommen. Ante zitiert einen früheren ARD-Manager, der berichtete, dass nach einem Börsengang einer Firma aus dem Portfolio deren Boss zwar "von 0 auf 10 Millionen Dollar Reichtum" schoss, er selbst aber nur 2000 Dollar im Monat mehr erhielt. Eine Limited Partnership bescherte ihren General Partner-Mitgliedern dagegen nicht nur Teile der Managementgebühren, sondern ließ sie auch an Kursgewinnen partizipieren.

Profite ließen sich außerdem auch ohne Unternehmenssteuer an die Investoren weiterreichen, während die Limited Partner-Mitglieder, also die Geldgeber, sich aus dem Management heraushalten mussten. Kein Wunder also, dass auch Perkins dabei half, 1972 die heute noch bedeutende Risikokapitalfirma Kleiner Perkins Caufield Byers als Limited Partnership zu gründen. Doriot gab sich etwas später schließlich gegenüber der US-Börsenaufsicht geschlagen und musste feststellen, dass ARD in seiner aktuellen Form nicht mehr wettbewerbsfähig war. Er verfolgte also den Zusammengang mit Textron.

Ähnliche Misstöne gibt es noch heute zwischen Regierung und der Risikokapitalindustrie. Nach dem großen Crash der Dot-Com- und Telekommunikationsaktien in der "New Economy" beschloss Washington den so genanntes Sarbanes Oxley Act und sorgte dafür, dass Aktienoptionen anders verbucht werden mussten. Trotz der Vorhersagen vieler Technologie-Manager und Risikokapitalisten, dass diese scharfe Regulierung Innovationen hemme, wurde sie durchgedrückt. "Sarbanes-Oxley hatte eine abschreckende Wirkung für Technologie-Gründungen, was die Kosten für einen Börsengang anbetrifft", sagt John Doerr von Kleiner Perkins.

Doch wie muss man Doriot und sein "Baby" ARD rückblickend bewerten? David Hsu, Professor für Management an der Wharton School of Business der University of Pennsylvania meint, dass das Projekt zwar unter organisatorischen Schwächen litt, das Risikokapitalgeschäft aber trotzdem für immer prägte. Das hat Hsu auch in einer Untersuchung zusammengefasst, deren Co-Autor er war. "Als Doriot die Firma an Textron verkaufte, war Risikokapital ein Teil der Wirtschaft geworden." ARD beendete also seine Existenz, hatte seine historische Mission aber erfüllt. (bsc)