Einfach pusten: Neue Atemtests weisen COVID-19 präzise nach

Seite 2: Atemprofile zeichnen sich vor Symptombeginn ab

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Wissenschaftler haben bereits für verschiedenste schwere Leiden Geruchsprofile erstellt, beginnend mit Krebs über neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson und Entzündungskrankheiten wie Morbus Crohn bis hin zu Infektionen. Das vorrangige Ziel ist die Früherkennung, da sich die Atemprofile oft deutlich vor dem Auftreten von Symptomen messbar verändern. Das ist auch bei Infektionskrankheiten wichtig.

Paul Thomas sieht die Atemanalyse sogar als entscheidende Technologie für eine frühzeitigere Bekämpfung zukünftiger Pandemien. "Es hat fast mehr als ein Jahr gedauert, bis Tests auf breiter Bevölkerungsebene zur Verfügung standen. Das ist viel zu lang", sagt der Chemiker von der britischen Loughborough University. "Wir müssen schon in der dritten Pandemiephase der Weltgesundheitsorganisation mobilisieren, wenn man sagen kann, die neue Krankheit breitet sich von Mensch zu Mensch aus, und Testprotokolle mit KI-Hilfe bereitstehen haben", so Thomas. Sobald die Technologien stehen, ließen sich die Atemsignale für eine neue Krankheit relativ schnell herausfinden.

Sein mit europäischen Kollaborationspartnern aufgesetzter Antrag für die Entwicklung eines entsprechenden Programms hat beim Forschungsförderprogramm "Horizon Europe" der Europäischen Kommission gerade die volle Bewertungspunktzahl erreicht. "Wir müssen die gelernten Lektionen – nicht nur bei Atemluft, sondern auch bei Blut und Nasen-Rachenabstrichen – zu einer agilen wissenschaftlichen Reaktion auf eine aufkommende Pandemie zusammenführen", betont Thomas.

Dabei dürften besonders mobile Testgeräte gefragt sein. Ob auch das Gerät von InspectIR Systems hält, was es laut FDA-Zulassung verspricht, muss sich noch in der Praxis zeigen. Etliche Experten wollen es erst ausprobieren oder würden gerne die – bisher unveröffentlichten – Rohdaten veröffentlicht sehen. Für den Chemiker Paul Thomas "müsste zufriedenstellend demonstriert werden", dass die Technik eines auf Koffergröße verkleinerten und mobil eingesetzten GC-MS-Geräts auf Dauer verlässlich betrieben werden kann. Thomas hat tausende Atemanalysen mit GC-MS durchgeführt. Allein die vor den Messungen notwendige Qualitätskontrolle sei selbst bei den stabil gelagerten Labor-GC-MS-Geräten aufwendig und dauere mehrere Stunden.

Thomas setzt deshalb in Zusammenarbeit mit der G.A.S. Gesellschaft für analytische Sensorsysteme mbH in Dortmund auf eine aus seiner Sicht robustere Messtechnik, die Gaschromatografie mit Ionenmobilitätsspektrometrie (GC-IMS) kombiniert. Damit identifizierten die Partner im Rahmen zweier Studien mit 33 und 65 Patienten COVID-19-typische VOC-Muster in der Atemluft von englischen und deutschen Probanden. Erhöhte Mengen der Aldehyde Ethanal und Octanal signalisierte den Forschern Gewebeschäden infolge von Entzündungen. Erhöhte Level der Ketone Aceton und Butanon zeugten von möglichen Schäden in der Bauchspeicheldrüse, was zu anderen Corona-Forschungsergebnissen passt. Zudem wiesen verringerte Methanolmengen im Atem darauf hin, dass die Infektion methanproduzierende Bakterien im Darm dezimiert hatte.

"Es gibt keinen Zweifel, da ist ein starkes COVID-19-Signal", sagt Thomas. Der Atemtest erkannte die Infektion in den beiden Studien mit mehr als 80-prozentiger sowie 90-prozentiger Sicherheit korrekt. Eine korrekt negative Diagnose lieferte er in 75 sowie 80 Prozent der Fälle. Mithilfe der VOC-Profile konnten die Forscher die Corona-Infektion zudem von anderen Krankheiten wie Asthma und bakterieller Lungenentzündung unterscheiden. Weitere Studien in Kanada und Sri Lanka bestätigten das Geruchsprofil auch bei asymptomatischen Probanden.