Energie vom Mond

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Helium-3-Befürworter führen deshalb an, dass der Stoff nicht radioaktiv ist und diese Probleme so umgeht. Ernsthafte Kritiker argumentieren allerdings, dass eine solche Kernfusion gar nicht möglich ist: In der August-Ausgabe des Journals "Physics World" nahm der theoretische Physiker Frank Close von der Oxford University in einem Beitrag die Argumente der "Helium-Fans" auseinander, um sie dann größtenteils ins Reich der Fantasie zu verbannen.

Close spricht etwa davon, dass in einem Tokamak, einer Maschine, die ein Donut-förmiges Magnetfeld aufbaut, um supererhitztes Plasma für die Fusion zu erhalten, Deuterium bis zu 100 Mal langsamer mit Helium-3 reagiert als mit Tritium. Im Plasma, das im Tokamak gefangen ist, mischten sich alle Kerne im Brennstoff. Am Wahrscheinlichsten sei daher, dass zwei Deuterium-Kerne schnell fusionierten und einen Tritium-Kern und ein Proton produzierten. Das Tritium wiederum fusioniere wahrscheinlich mit dem Deuterium und ergäbe dann ein Helium-4-Atom und ein Neutron. Kurz gefasst, so Close: Selbst wenn man Helium-3 vom Mond hole und auf die Erde bringe, werde ein Standard-Tokamak damit noch immer eine Deuterium-Tritium-Fusion erzeugen.

Zweitens glaube er nicht daran, dass zwei Helium-3-Kerne dazu gebracht werden könnten, zu fusionieren, um Deuterium, ein Alpha-Partikel (also einen Heliumkern) und Energie zu erzeugen. Diese Reaktion laufe sogar noch langsamer ab als die Deuterium-Tritium-Fusion und der Brennstoff müsse dazu auf unfassbar hohe Temperaturen gebracht werden – laut manchen Berechnungen sechs Mal so heiß wie das Innere der Sonne, so Close. Kein Tokamak der Welt könne das. Sein Fazit: "Die Helium-3-vom-Mond-Geschichte ist Humbug."

Heißt das also, dass ein He3-basierter Kernfusionsreaktor unmöglich ist? Close hat durchaus recht mit seiner Bemerkung, dass sowohl Deuterium-Helium-3-Fusionsreaktionen als auch eine reine Helium-3-Fusion in einem Tokamak-basierten Reaktor nicht praktikabel sind. Doch es gibt Alternativen. Gerald Kulcinski, Professor für Kerntechnik an der University of Wisconsin-Madison, will einen Helium-3-Fusionsreaktor bereits mit einem Budget unterhalten können, dass den unteren sechsstelligen Bereich kaum überschreitet.

Kulcinskis Reaktor, der im Fusion Technology Institute der University of Wisconsin steht, ist allerdings sehr klein. Wenn er läuft, enthält er ein kugelförmiges Plasma mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern, der pro Sekunde konstanter Fusionsleistung 200 Millionen Reaktionen produzieren kann. Um ein Milliwatt Energie zu produzieren, benötigt dieser Reaktor daher ein Kilowatt Energiezufuhr. Close' Antwort auf den Prototypen ist deshalb kaum überraschend: "Wenn eine funktionierende Fusion mit einer darstellbaren Netto-Energieausbeute erfolgt, werde ich und mit mir die weltweite Kernfusionsforscher-Gemeinde davon Notiz nehmen."

Diese Kritik lässt sich aber auch auf den ITER und die Tokamak-basierten Reaktorversuche beziehen – auch diese schreiben noch keine "schwarzen Zahlen", produzieren also weniger Energie als sie verbrauchen. Für Kulcinski hat sein Versuch dennoch eine große Bedeutung: "Wir führen sowohl Deuterium-He3- als auch He3-He3-Reaktionen durch. Die Deuterium-He3-Fusionsreaktion läuft hier bei uns jeden Tag, sie ist uns also sehr gut bekannt. Wir versuchen uns nun auch an He3-He3-Reaktionen, weil diese ein enormes Potenzial haben, sollten wir sie kontrollieren können."

Der Reaktor am Fusion Technology Institute nutzt dazu eine Technologie namens elektrostatischer Trägheitseinschluss (kurz IEC). "Würden wir einen Tokamak für Deuterium-Helium-3 verwenden, müsste der größer sein als das ITER-Equipment, das schon jetzt kaum noch darstellbar ist. Unser Gerät ist so groß wie eine Tischplatte", sagt Kulcinski stolz. Er erhalte während der Deuterium-He3-Reaktion Neutronen durch eine Nebenreaktion mit Deuterium. Nichtsdestotrotz komme es bei solchen Seitenreaktionen mit zwei Deuterium-Kernfusionen auch zu einem Tritium-Kern plus Proton – mit einer so hohen Energie, dass das Einschlusssystem nicht mehr funktioniere und sie entkomme. "Das heißt in letzter Konsequenz, dass die Radioaktivität in unserem Deuterium-He3-System nur zwei Prozent der Radioaktivität eines Deuterium-Tritium-Systems beträgt."