Energie vom Mond

Experimente im Labor legen nahe, dass künftige Kernfusions-Reaktoren tatsächlich mit Helium-3 vom Mond betrieben werden könnten. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter weg.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Mark Williams
Inhaltsverzeichnis

Zu Beginn dieses Jahrhunderts hätte wohl niemand vorhersehen können, dass sich bis 2007 ein zweiter Wettlauf zum Mond entwickeln würde. Dennoch deuten viele Zeichen darauf hin, dass dies nun tatsächlich der Fall ist. Und: Im heutigen Rennen der Weltraummächte spielen nicht nur die USA und die ehemalige Sowjetunion eine Rolle, sondern gleich eine ganze Anzahl globaler Leistungsträger inklusive China und Indien.

Noch überraschender ist, dass einer der Gründe für das neu aufgeflammte Interesse an dem Erdtrabanten wohl auch Pläne sind, Helium-3 von der Mondoberfläche zu fördern. Der Stoff gilt als möglicherweise idealer Treibstoff für Kernfusionsreaktoren, kommt auf der Erde aber fast nicht vor.

Die "Vision for Space Exploration" der NASA sieht die US-Astronauten 2020 wieder auf dem Mond – plus einer permanenten Basis bis 2024. Obwohl die amerikanische Weltraumbehörde Pläne zum Abbau von Helium-3 weder bestätigen noch dementieren mag, sitzen bei ihr doch Personen in Schlüsselpositionen, die ein solches Vorhaben befürworten. Die Russen sind da schon offener: Sie erklären, dass die Förderung von He3 der Hauptgrund für eventuelle Mondprogramme des Landes sei. Die Raketenfirma Energia nimmt den Mund im guten, alten Sowjetstil bereits wieder recht voll: Sie will zwischen 2015 und 2020 eine ständige russische Mondbasis aufbauen.

Auch die Chinesen glauben offensichtlich, dass Helium-3 vom Mond Kernfusionskraftwerke auf der Erde ermöglichen könnte. Im Herbst will die Volksrepublik einen Satelliten um den Mond schicken und dort bis 2011 ein unbemanntes Raumfahrzeug landen lassen.

In Indien gibt man sich ebenfalls sehr engagiert. Ex-Präsident A.P.J. Kalam und Premierminister Manmohan Singh gaben im vergangenen Frühjahr wichtige Reden zur Weltraumpolitik des Landes. Indien wolle gigantische Sonnenkollektoren im Orbit und auf dem Mond errichten, kündigten sie an. Außerdem plane die größte Demokratie der Welt den Abbau von He3 von der Mondoberfläche. Die indische Sonde Chandrayaan-1 soll nächstes Jahr abheben, 2010 oder 2011 mit Chandrayaan-2 ein Rover zum Mond geschickt werden. Die indische Weltraumbehörde ISRO sagt, sie sei bereit.

Ähnliche He3-Ideen sind auch aus Japan und Europa zu hören – mit ähnlichem Zeitplan. Auch hier laufen Gespräche über die Möglichkeit des Abbaus auf dem Mond, um Kernfusionsreaktoren auf der Erde zu betreiben.

Aber ist He3 vom Mond tatsächlich eine praktische Lösung für die Energiesorgen auf der Erde? Einsatzbereite Kernfusionsreaktoren werden erst in den nächsten 50 Jahren erwartet – wobei diese Vorhersage bereits erstmals anno 1958 auf der Konferenz zur friedlichen Nutzung der Kernenergie in Brüssel gemacht wurde. Wenn der Start erfolgreicher Kernfusionsreaktoren also ständig 50 Jahre in der Zukunft liegen soll, warum sollte Helium-3 die Technologie plötzlich durchführbarer machen?

Befürworter von He3-basierten Fusionstechnologien weisen gerne auf die Tatsache hin, dass aktuelle Forschungsansätze wie das Großprojekt ITER einen Deuterium-Tritium-Brennstoffzyklus nutzen, was als problematisch gilt. Deuterium und Tritium sind beide Wasserstoffisotope. Wenn diese in superheißem Plasma einer Kernfusion unterzogen werden, kommen zwei Kerne zusammen, um einen Helium-Kern zu bilden, der aus zwei Protonen und zwei Neutronen besteht. Außerdem entsteht ein hochenergetisches Neutron – eine Deuterium-Tritium-Fusion gibt 80 Prozent ihrer Energie in dieser Form ab, die äußerst zerstörerisch gegenüber allem sein kann, auf das sie trifft – inklusive dem Reaktorbehälter. Die Reaktorstrukturen schwächen sich dadurch schnell ab und müssen bald ersetzt werden – weil Tritium zudem hochradioaktiv ist, ergibt sich ein weiteres großes Containment-Problem. Welche Materialien man für ein solches Kernfusionskraftwerk also auch einsetzt – sie müssten enorm stabil sein. Und selbst wenn dieses Ziel erreicht ist, hat man es nach dem Ende der Betriebsdauer mit enorm viel Atommüll zu tun.