Erster Test: Ubuntu 12.10
Bei Ubuntu 12.10 Quantal Quetzal hat Canonical viele Details aus Ubuntu 12.04 LTS verbessert, mit der automatischen Webshop-Suche bei Amazon aber auch für heftige Diskussionen gesorgt. Wir haben einen ersten Blick auf das neue Ubuntu geworfen.
Mit Ubuntu 12.10 hat Canonical das erste reguläre Release seit Veröffentlichung der Long-Term-Support-Version 12.04 LTS vorgestellt. Anders als beim ersten Post-LTS-Release traditionell üblich weist Ubuntu 12.10 Desktop keine revolutionären technischen Neuerungen auf, es ist vielmehr ein in vielen Details weiter entwickelter und verbesserter Ableger der LTS-Version vom April 2012.
Eine wichtige Änderung, die beide Ubuntu-Varianten betrifft, gibt es bei den Installationsmedien: Das ISO-Image von Ubuntu 12.10 hat die 700-MByte-Grenze endgültig gesprengt und lässt sich daher nicht mehr von einer CD installieren. Das erleichtert den Entwicklern die Arbeit erheblich, die bislang einen harten Kampf um jedes nicht unmittelbar benötigte Paket im Installationssystem ausfechten mussten, damit das Image noch auf eine CD passt. Die Auswirkungen für die Praxis sind überschaubar – statt auf eine CD brennt man Ubuntu 12.10 nun einfach auf eine DVD oder bootet das System gleich von einem USB-Stick, was zudem erheblich schneller geht. Sofern man das neue Ubuntu nicht auf einem Uralt-Notebook aus dem Jahr 2000 installieren möchte, das weder von USB bootet noch ein DVD-ROM-Laufwerk besitzt, gibt es mit Ubuntu 12.10 keine Schwierigkeiten.
Das gilt auch für ältere Rechner aus der Single-Core-Ära, die noch keine PAE-Erweiterung besitzen: Distributor Canonical verwendet bei der Version 12.10 standardmäßig wieder den Non-PAE-Kernel, der auch auf solch alten Rechnern bootet. Für Ubuntu 12.04 LTS gibt es bislang keine offiziellen Installations-Images ohne PAE-Unterstützung.
Wer aktuell Ubuntu 12.04 LTS verwendet, bekommt Ubuntu 12.10 übrigens nicht als Update von der Software-Aktualisierung vorgeschlagen. Möchten Sie dennoch updaten, booten Sie entweder Ubuntu 12.10 und lassen das Update vom Installationsassistenten durchführen oder stellen in den Einstellungen der Software-Aktualisierung von Ubuntu 12.04 die Benachrichtigung über neue Versionen von "Für Langzeitunterstützungsversionen" auf "Für jede neue Version" um.
Installation
Der Assistent Ubiquity ist auch für die Neuinstallation von Ubuntu zuständig. Neu ist, dass Ubiquity ab Ubuntu 12.10 auch LVMs und verschlüsselte Installationen beherrscht. Damit wurde das Alternate-CD-Image überflüssig. Bestehende Windows-Partitionen erkennt Ubiquity automatisch, wenn auch nicht immer korrekt – so wurde ein Windows 7 konsequent als Windows 8 erkannt, was auf den Betrieb aber keine negativen Auswirkungen hat.
Wie bei Ubuntu seit langem üblich, beginnt die Festplatteninstallation des Systems unmittelbar nach der Partitionierung, während der Assistent noch diverse Benutzerdaten abfragt. Neu ist dabei die Auswahl eines Bildes für den Standard-Benutzer: Verfügt der Rechner über eine von Ubuntu unterstützte Webcam, aktiviert Ubiquity sie, sodass man sein Bild gleich während der Installation dem Account zuordnen kann. Alternativ gibt es eine Auswahl verschiedener freier Motive.
Mit Unity auf Einkaufstour
Der Standard-Desktop von Ubuntu 12.10 ist Unity 6.6, an der grundlegenden Bedienung hat sich gegenüber den vorangegangenen Ubuntu-Versionen nichts geändert. Unity lehnt sich optisch weiterhin an Mac OS an, unterscheidet sich aber im Detail: So befindet sich das Zahnradsymbol, über das man die Systemeinstellungen aufrufen, Updates einspielen oder den Rechner herunterfahren kann, auf der rechten Seite der Leiste am oberen Bildrand (Panel) – der Apfel bei Mac OS X ist hingegen auf der linken Seite. Die übrigen Bedienelemente, etwa eine Uhr, hinter der sich der Kalender verbirgt, ein Netzwerk-Icon mit dem aktuellen Verbindungsstatus und verschiedenen Konfigurationsmöglichkeiten, finden sich genau wie bei Mac OS X im rechten Bereich des Panels.
Der linke Teil der Leiste ist den Menüs der Anwendungen vorbehalten. Inzwischen unterstützen alle Standard-Anwendungen diese globalen Menüs, bei Ubuntu 12.04 LTS war die Integration der Anwendungen noch nicht so weit fortgeschritten. Auch der Desktop verfügt über ein eigenes Menü, allerdings sucht man hier vergeblich nach Anwendungen – diese werden bei Unity über den Launcher gestartet. Im Gegensatz zu Apples Dock bei Mac OS X, das eine vergleichbare Funktion hat und an einem beliebigen Bildrand platziert werden kann, befindet sich der Launcher bei Unity unverrückbar am linken Bildschirmrand. Da die Bildschirme heutzutage meist breiter als hoch sind, ist die Positionierung am linken Bildrand praktisch – so bleibt in der Höhe mehr Platz für die Fenster von Anwendungen. Um auch in der Breite noch mehr Platz zu haben, etwa auf den ohnehin kleinen Displays von Netbooks, kann der Launcher auch versenkt werden.
In der Version 6.6 von Unity kann der Launcher nicht mehr nur Programme aufnehmen, sondern auch URLs von Websites, sogenannte Web-Apps. Als Beispiele sind Amazons Webshop und der Ubuntu One Music Store standardmäßig im Launcher enthalten. Die wohl auffälligste Neuerung findet man jedoch im Dash, das über das Ubuntu-Icon oben im Launcher geöffnet wird. Die Suchfunktion im Dash zeigt bei Ubuntu 12.10 nicht mehr nur Programme und Dateien passend zum Suchbegriff an, sondern leitet die Anfrage zusätzlich an Amazon weiter und blendet ebenfalls Treffer aus dem Webshop ein. Gibt man zum Beispiel "Term" als Suchbegriff ein, um das Terminal zu öffnen, schlägt die Dash-Suche unter anderem den Kauf diverser Bücher und Musik-CDs vor – was den meisten Anwendern kaum weiterhelfen dürfte.
Verantwortlich für die integrierte Webshop-Suche ist die Unity Shopping Lens. Mark Shuttleworth verteidigte die Einführung damit, dass das Dash der optimale Platz für eine allumfassende Suchfunktion sei und man künftig auch die Shops anderer Händler integrieren wolle – Amazons Shop sei lediglich als erster ausgewählt worden, weil das Unternehmen dafür bezahle.
Um die neue Funktion abschalten zu können, haben die Ubuntu-Entwickler in den Systemeinstellungen ein neues Registerblatt unter "Privatsphäre" eingeführt. Alternativ deinstalliert man das Paket unity-lens-shopping über die Paketverwaltung.
Wer sich weiterhin nicht mit Unity anfreunden kann, hat die Auswahl zwischen mehreren von Ubuntu abgeleiteten Distributionen – etwa Kubuntu mit KDE Plasma 4.9, Xubuntu mit XFCE 4.10 und das neue Ubuntu Gnome Remix mit Gnome 3.6 und der Gnome Shell.
Wie üblich wurden für das neue Release neben Unity auch viele andere Programme sowie der Kernel aktualisiert. Der Ubuntu-Kernel basiert zum Beispiel auf der Version 3.5.4, Firefox und Thunderbird liegen in Version 16.0.1 bei und das Standard-Office-Paket LibreOffice wurde auf Version 3.6.2.2 aktualisiert. Weitere Programme lassen sich über das Ubuntu Software-Center nachinstallieren, dessen Aussehen und Bedienung den App-Stores von Apple und Android nachempfunden ist.
Fazit
Bei Ubuntu 12.10 hat Canonical viele Details aus der Vorgängerversion 12.04 LTS verbessert und erweitert, grundlegende Umwälzungen gab es untypischerweise nicht. Untypisch deshalb, weil größere Neuerungen normalerweise beim ersten Post-LTS-Release eingeführt werden, um den Entwicklern drei reguläre Releases Zeit zu geben, sie ausreifen zu lassen, bevor sie im April 2014 in das nächste LTS-Release übernommen werden. Allerdings wurde der heutige Standard-Desktop Unity auch nicht mit Ubuntu 10.10, sondern erst mit dem zweiten Post-LTS-Release 11.04 integriert.
Wer bereits Ubuntu 12.04 LTS einsetzt, sollte überlegen, ob er die Detailverbesserungen wirklich gegen einen kürzeren Support-Zeitraum tauschen möchte – Ubuntu 12.10 wird nur bis zum Erscheinen von Ubuntu 14.04 LTS unterstützt, die Version 12.04 LTS hingegen mindestens bis Ubuntu 17.04. (mid) (mid)