Event Horizon Telescope: Was der erste direkte Nachweis eines Schwarzen Lochs bedeutet

Seite 3: Ein Blick auf die Pforten der Hölle

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Eigentlich hatte man mit einem Bild von Sagittarius A* gerechnet, aber die Daten des Primärziels der Beobachtungskampagne waren nicht gut genug, und das um das relativ kleine Schwarze Loch kreisende Plasma habe während der mehrtägigen Beobachtung wie ein unruhiges Kleinkind in seinem Stuhl hin und her gewackelt, veranschaulichte es Heino Falcke, der die Ergebnisse in Brüssel präsentierte. Sagittarius A* wolle man sich daher in der Zukunft widmen.

So konzentrierte man sich stattdessen auf ein Bild des Schwarzen Lochs in M87, in Anlehnung an Sgr A* auf den vorläufigen Namen M87* getauft. Zwar ist es rund 2000-mal weiter entfernt als Sgr A*, 500 Milliarden Milliarden Kilometer, wie Falcke betonte, aber auch 1600-fach massereicher und größer und damit von vergleichbarem Winkeldurchmesser. M87* verhielt sich während der Aufnahme ruhig und behäbig, 4 an verschiedenen Tagen von ihm aufgenommene Bilder unterschieden sich nur minimal.

Links das am 6. April 2017 aufgenommene Bild von M87*, in der Mitte eine Simulation auf der Basis eines magneto-hydrodynamischen Modells unter Berücksichtigung der Allgemeinen Relativitätstheorie (general relativistic magnetohydrodynamic model GRMHD) und rechts eine auf die Auflösung des EHT von 20 µas weichgezeichnete Version des Bildes in der Mitte. Die Übereinstimmung von Beobachtung und Theorie ist überzeugend.

(Bild: The Event Horizon Telescope Collaboration, ESO.)

Auf dem präsentierten Bild, das Falcke als einen "Blick auf die Pforten der Hölle" bezeichnete, ist eine ringförmige Struktur zu erkennen, die eine kreisförmige Verdunklung einrahmt, häufig als Schatten des Schwarzen Lochs bezeichnet. Es ist nicht etwa der Ereignishorizont selbst, sondern das Innere des Photonenrings, eine 2,5-mal größere Zone, in der das Licht stark abgelenkt wird (starke Gravitationslinsenwirkung) und somit nicht auf geradlinigem Weg von der dahinter liegenden Akkretionsscheibe zu uns gelangen kann. Der Ring könne der innere Teil der Akkretionsscheibe oder die Basis des Jets sein, erläutert Falcke. Er durchmisst etwa 42 µas.

Bei dem abgebildeten "Licht" handelt es sich vor allem um Synchrotronstrahlung, die von im Kreis beschleunigten Elektronen im heißen kreisenden Plasma abgestrahlt wird. Die Aufhellung auf der Unterseite des Rings deutet auf eine Rotation im Uhrzeigersinn aus unserer Perspektive hin und wird durch den Dopplereffekt verursacht, der nicht nur auf der sich in unsere Richtung drehenden Seite die Wellenlänge verkürzt, sondern auch die Intensität der Strahlung erhöht. Ob sich da die Akkretionsscheibe selbst dreht oder das rotierende Schwarze Loch die Raumzeit mitzieht und somit dem Licht einen zusätzlichen Kick verpasst, können die Forscher noch nicht mit Bestimmtheit sagen.

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Die Auflösung des Bildes ist doch sehr begrenzt im Vergleich zur Größe des Objekts, und die für verschiedene Situationen vorab produzierten Zehntausende von Simulationen sahen sich größtenteils sehr ähnlich, weil die Lichtablenkung im Schwerefeld alle anderen Effekte dominierte. Das reale Bild gleicht diesen auf der Basis der Allgemeinen Relativitätstheorie erstellten Simulationen aufs Haar, eine Abweichung von der Vorhersage durch neue Physik hat sich leider noch nicht gezeigt. Albert hat mal wieder Recht behalten.

Die Vermessung der 100 Milliarden Kilometer durchmessenden dunklen Silhouette ergab eine Masse von 6,5 Milliarden Sonnenmassen, in Übereinstimmung mit der Masse, die zuvor aus den Umlaufgeschwindigkeiten von Fixsternen ermittelt worden war. Diese gewaltige Masse ist hier also auf einen dunklen Raum in der Größenordnung unseres Sonnensystems zusammengepfercht, sodass Bosonensterne als alternative Erklärung ausgeschlossen werden können. Ein Wurmloch komme ebenfalls nicht infrage. Damit haben die Forscher den bisher stärksten Beleg für die Existenz von Schwarzen Löchern vorgelegt.

Dieses Bild sei aber erst der Anfang. Man werde zum Beispiel noch Daten über die Polarisation der Radiostrahlung auswerten und somit auf die Magnetfelder rückschließen können, die maßgeblich für die Entstehung des Teilchen-Jets sein sollen. Man möchte Animationen erstellen, die Veränderungen der Akkretionsscheibe sichtbar machen. Die Beobachtungen mit dem EHT gehen indes weiter und es wächst: im vergangenen Jahr schloss sich ein Teleskop in den französischen Alpen dem Verbund an und eines auf Grönland soll noch folgen. Sogar von Teleskopen im Weltraum ist die Rede, um noch größere Basislinien zu ermöglichen und noch kleinere Schwarze Löcher in anderen Galaxien aufzulösen.

Mehrfach nahmen die in Brüssel Vortragenden Bezug auf eine Äußerung von Michael Kramer, amtierender Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn, dass das gezeigte Bild eine Zäsur sein, die eine Zeit trenne, bevor die Menschheit ein Schwarzes Loch erblickt hat, von einer Zeit danach. Wir befinden uns gerade am Beginn eines Zeitalters, in dem Schwarze Löcher durch direkte Beobachtung erforscht werden können und Einsteins Relativitätstheorie an einer der denkbar extremsten Umgebungen mit der Wirklichkeit abgeglichen werden kann. (mho)