Fassaden vom Fließband

Erstmals in Deutschland wurde ein Gebäude durch vorgefertigte Fassaden- und Dachelemente energetisch saniert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 32 Kommentare lesen

(Bild: DENA)

Lesezeit: 4 Min.

Morgens noch Altbau, abends schon Energieeffizienzhaus – so schnell kann eine Sanierung mit vorgefertigten Elementen gehen. Das Prinzip wurde 2013 in den Niederlanden entwickelt, nennt sich „Energiesprong“ und wurde dort mittlerweile tausendfach umgesetzt.

Anfang März wurde auch in Deutschland das erste Pilotprojekt zum seriellen Sanieren fertiggestellt. Es handelt sich um einen Wohnblock aus den 1930er Jahren am Rande von Hameln. Die zwölf Wohnungen standen fünf Jahre leer, der Schwamm hatte sich ausgebreitet. Nach einer gründlichen Innensanierung begann Ende 2019 die Installation vorgefertigter Fassadenelementen aus Lärchenholz. Fenster, Lüftung, Stromkabel, Glasfaserdämmstoff und Beschichtungen waren darin bereits integriert. Gebaut wurden die Elemente in Brandenburg. Sie sind jeweils 7 x 2,85 Meter groß, 36 Zentimeter dick und können per Lastwagen transportiert werden. Auch die Dachelemente wurde vorgefertigt.

500 Sensoren steuern die Wärmepumpe und die Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Insgesamt erfüllt das Gebäude nun den KfW55-Standard. Eine Photovoltaikanlage erzeugt zudem über das Jahr hinweg so viel Energie, wie Heizung, Warmwasser und Strom benötigen – der Netto-Energieverbrauch ist rechnerisch also Null.

Mittlerweile sind fast alle Wohnungen vermietet. Die Kaltmiete ist mit 5,80 Euro pro Quadratmeter 0,60 Euro teurer als bei den benachbarten unsanierten Wohnungen gleicher Bauart. Die Warmmiete soll in etwa gleich hoch sein.

Die Deutsche Energieagentur (dena), die das Projekt koordiniert, schätzt allein das Potenzial für kleinere bis mittlere Mehrfamilienhäuser der 50er bis 70er Jahre in Deutschland auf rund 300.000 Gebäude. Allerdings können sich auch Reihenhäuser im Detail um ein paar Zentimeter unterscheiden. Es sei jedoch ein „Missverständnis, dass der Energiesprong-Ansatz nur funktioniert, wenn ein großes Volumen von Häusern genau gleich aussieht“, heißt es in einem Whitepaper. Jedes Haus werde einzeln mit Laserscannern vermessen, um maßgefertigten Module in einer flexiblen Herstellern zu können.

In den Niederlanden konnten die Sanierungskosten auf diese Weise in wenigen Jahren um 40 Prozent gesenkt werden – und die Sanierungsdauer von Einfamilienreihenhäusern in einigen Fällen von zwei Wochen auf einen Tag. Mitunter können die Bewohner sogar in ihren Wohnungen bleiben und zuschauen, wie eine neue Fassaden vorgehängt und ein neues Dach übergestülpt wird.

Das Projekt in Hameln lief nicht ganz so geschmeidig. Aus den geplanten drei Monaten Sanierung wurden zwölf. „Die Bausubstanz war schlechter als angenommen, Fassadenteile haben nicht genau gepasst, und es gab diverse andere Kinderkrankheiten“, sagt Christina Stahl, die das Projekt bei der dena betreut. Die Erfahrungen aus den Niederlanden habe man nur bedingt auf Deutschland übertragen können: „In den Niederlanden gibt es viele kleine vermietete Einfamilienhäuser, hierzulande eher Mehrfamilienhäuser.“ Zudem sei der rechtliche Rahmen anders, zum Beispiel beim Eigenverbrauch von Solarstrom.

Wegen solcher Anlaufschwierigkeiten sei die serielle Sanierung derzeit noch teurer als eine herkömmliche, sagt Stahl. Abgefedert werde dies im Moment durch Förderungen. Im Laufe des Jahres wolle das Bundeswirtschaftsministerium, so Stahl, die Förderung weiter ausweiten – auf die Entwicklung von Produkten für die serielle Sanierung.

Auf Dauer sollen sich das Verfahren aber aus eigener Kraft durchsetzen. Doch ohne hohe Stückzahlen keine sinkende Kosten, ohne sinkende Kosten keine hohen Stückzahlen. Der Flaschenhals liege dabei, so Stahl, weniger in der Nachfrage als im Angebot: „Es gibt ein hohes politisches Interesse an einer günstigen Sanierung. Bis 2050 soll der gesamte Gebäudebestand klimaneutral sein. Bei vielen Wohnungsunternehmen gibt es einen hohen Handlungsdruck.“ Die Herausforderung bestehe vor allem darin, dass es zu wenig Bauunternehmen gebe, die sich ein neues Geschäftsfeld aufbauen wollen. „Der Baubranche geht es relativ gut, die haben keinen so großen Druck“, sagt Stahl.

Das nächste Projekt steht in Herford bereits am Start: Ein Studentenwohnheim von 1957 mit 24 Wohnungen, das während der Sommersemesterferien saniert werden soll. Die Akteure sind andere als in Herford, aber man stehe miteinander im Austausch, um aus den Erfahrungen in Hameln zu lernen, sagt Christina Stahl.

(grh)