Fortschritt Marke Eigenbau

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Der deutsche Designer Markus Kayser will auf ähnlich einfache Weise gebrauchsfertige Glasschüsseln herstellen. Sein "Solar Sinter" erhitzt Saharasand bis kurz vor dem Schmelzpunkt. Anstelle eines Laserstrahls nutzt er Sonnenlicht, das er mit einem Sonnenkollektor auffängt und mit einer Linse bündelt. Auch der Motor ist solarbetrieben. Das Gerät hat er bereits in der ägyptischen Sahara ausprobiert.

Skeptiker wie Jörg Peters, Entwicklungsökonom am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, warnen vor zu viel Technikgläubigkeit: "In Afrika mangelt es an grundlegenden Dingen wie Bildung und funktionierenden Institutionen. Dafür gibt es keine einfache technische Lösung."

Wissenschaftler des amerikanischen Think Tanks Atlantic Council sind dagegen überzeugt, dass additive Fertigungsverfahren die Wirtschaft in Entwicklungsländern tatsächlich revolutionieren können. Große Lagerhallen und Transportmöglichkeiten würden seltener gebraucht, Güter häufiger vor Ort produziert: "Entwicklungsländer könnten ihre Abhängigkeit von teuren Importen verringern", schreiben sie in einer Analyse von 2011. Der US-Designer Jeremy Faludi sieht das ähnlich: "Das größte Versprechen des 3D-Drucks für Entwicklungsländer ist, dass er Kleinunternehmen stärken kann, indem er die Hürden für die Produktion senkt." Die Technik erlaube Start-ups, kostengünstig Prototypen herzustellen, damit Investoren zu überzeugen und später auf Serienfertigung umzustellen.

Allerdings müssen die Firmengründer dazu erst einmal an einen 3D-Drucker herankommen, und das ist gerade in Afrika noch schwierig. Einen Ausweg bietet das holländisch-amerikanische Portal "3D Hubs". Dort können sich Besitzer von 3D-Druckern registrieren – großenteils Technik-Enthusiasten, Designer, Ingenieure oder Künstler. Sie stellen ihre Geräte zur Verfügung, wenn sie die Maschinen selbst nicht brauchen. Wer etwas ausdrucken möchte, zahlt eine Gebühr, 3D Hubs kassiert eine Provision. Mehr als 26000 Geräte in 150 Ländern sind bereits registriert, darunter zehn in Kenia und mehr als 140 in Südafrika.

Mit dieser Art von "Drucker-Sharing" ließe sich eine weitere Hürde überwinden: Viele Menschen in Entwicklungsländern haben zu Hause weder Strom noch Internet. Sie könnten aber einen Drucker im nächstgrößeren Ort nutzen. Nach ähnlichem Prinzip funktioniert schon jetzt das mobile Telefonieren. Handys werden oft an zentralen Stationen aufgeladen, die Bewohner "teilen" sich einen Generator. Im Jahr 2012 hatten laut Weltbank bereits fast 650 Millionen Afrikaner einen Handyvertrag. Flächendeckende Telefonnetze gab es auf dem Kontinent indes nie. "Leapfrogging" nennen es Entwicklungsökonomen, wenn Länder eine technologische Stufe überspringen. Wird Afrika die klassische Industrialisierung auslassen und dank 3D-Drucker eine eigene industrielle Revolution erleben?

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sich die Technologie schnell verbreitet. Afrika-Kenner berichten übereinstimmend von einer starken "Maker- und Reparaturkultur". Ganz ohne Bauteile aus Übersee kommen die neuen Fabrikanten jedoch nicht aus. "Die Drucker selbst und die Computer, mit denen sie bedient werden, brauchen komplizierte Elektronik", betont Designer Jeremy Faludi. Sogenannte RepRap-Drucker könnten zwar einen Teil ihrer Komponenten selbst herstellen, aber nicht alle. Oft ist es schwierig, die nötigen Bauteile durch den Zoll zu bekommen. Hinzu kommt, dass die Kunststoffe, aus denen die Drucker Dinge formen, noch recht teuer sind.

Hierbei könnte die Not jedoch zu einer Lösung führen, die auch noch umweltfreundlich ist: Druck-Filamente aus Müll zu gewinnen, etwa aus Plastikflaschen. Der Arbeitsaufwand dürfte sich insbesondere in Afrika lohnen, weil dort die Werkstückkosten deutlich höher sind als die Lohnkosten. Wissenschaftler der Michigan State University und der Michigan Technological University jedenfalls halten das für ein lukratives Geschäftsmodell. In einem Aufsatz von 2014 schreiben sie, neu produziertes Filament sei bis zu 200-mal teurer als Rohplastik. Müll zu sammeln und zu verkaufen sei für viele Menschen in Großstädten wie Manila oder Daressalam die einzige Einkommensquelle, allein in der Region Delhi seien geschätzte 150 000 Müllsammler unterwegs.

Statt die Abfälle für einen Hungerlohn zu verkaufen, könnten die Sammler sie zerschneiden, waschen und schreddern, so die Wissenschaftler. Im nächsten Schritt werden die Kunststoffteile in einen Recyclebot gespeist – eine autonome Maschine, die etwa Farbpigmente oder andere Zusatzstoffe hinzufügt, damit der Rohstoff die gewünschten Eigenschaften bekommt. So könnte eine neue, geschlossene Wertschöpfungskette entstehen.

An Ideen mangelt es der 3D-Szene jedenfalls nicht. Tom Baden, der Tübinger Neurowissenschaftler, sammelt bereits Sponsorengeld für weitere Workshops in Afrika. Er ist sich sicher: "3D-Drucker sind eine große Chance für unterfinanzierte Labore." Und damit für ganze Regionen in Afrika: "Ein Land kann man nicht nur von unten aufbauen, sondern man muss den besten Leuten Möglichkeiten geben weiterzukommen." (bsc)