Friede, Freude und freie Eierkuchen-Rezepte, Teil 3

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Wer sich der Welt des Worts besonders verbunden fühlt, kann aber auch freies, journalistisches Schreiben praktizieren. Jenseits von den Milliarden von Blogs gibt es verschiedene redaktionell betreute Journalismus-Sites, die Freiwillige zu journalistischer Arbeit ermuntern. Der Unterschied zu einem simplen Blog ist vor allen Dingen die redaktionelle Betreuung und die Verpflichtung zur Einhaltung gängiger Presse-Codices: wahrheitsgemäße Berichterstattung, klarer Hinweis darauf, dass das Gegenüber mit einem Journalisten spricht, korrektes Zitieren, Quellensorgfalt – also die Einhaltung der im Journalismus üblichen Grundregeln. Der Fokus dieser Medien ist ausgesprochen international ausgerichtet und kann, zumindest was die Menge der Nachrichten betrifft, mit praktisch jeder durchschnittlichen Tageszeitung konkurrieren.

Wer also frei lesen oder frei schreiben möchte, wird zum Beispiel beim Projekt Global Voices des Berkman Centers der Harvard Law School fündig, das aus allen Teilen der Welt berichtet. Besonders interessant: Interviewsequenzen und einige Zitate sind jeweils in der Orginalsprache und übersetzt ins Englische geschrieben – das erleichtert vom Standpunkt des Lesers aus gesehen die Beurteilung der politischen Nuancen einer Interviewpassage.

Wer sich für Video-Berichterstattung aus der südpazifischen Region interessiert, kann sich bei EngageMedia umschauen. Ein vergleichbares EU-weites Projekt gibt es übrigens genauso wenig wie eine von Freiwilligen gemachte EU-weite Tages- oder Wochenzeitung – was sehr schade ist, denn was liest man sonst schon über slowenische Innenpolitik oder aktuelle Kulturveranstaltungen in Griechenland?

Alles in allem kann man heute mit freien Inhalten kulturell zumindest überleben – wenn man mit Wasser und Brot zufrieden ist. Auch wenn es viele gute Ideen im Internet gibt und mehr und mehr Werkschaffende unter einer freien Lizenz veröffentlichen: Nach Qualität und Niveau muss man oft ein bisschen tiefer graben.

Aber ganz allgemein rührt sich eben doch einiges in der traditionellen Lizenzwelt. Der Widerstand von Werkschaffenden und Wissenschaftlern auf der einen und Nutzern und Konsumenten auf der anderen Seite gegen immer restriktivere Copyright-Regeln nimmt zu; und wer noch denkt, er habe es mit den anarchischen Langhaar-Game-Crackern mit Terabyte-weise Britney-MP3s auf der Festplatte zu tun, liegt falsch: Die zunehmende zivile Bockigkeit reicht bis in die intellektuellen Sphären von einem Projekt wie UbuWeb, in dem sich Werke der Avantgarde wie Kurzfilme von Marcel Duchamps oder MP3s mit Musikstücken von Eric Satie finden. UbuWeb folgt dabei einer Politik, Kulturgüter zu veröffentlichen, die nicht mehr verfügbar oder "absurdly priced or insanely hard to procure" sind.

GreyLodge: Absurde Nischen der Popkultur

Ein ähnliches Projekt ist die eher popkulturell ausgerichtete Grey Lodge, die einige absurde Nischen bedient und gleich Torrents für viele Filme zur Verfügung stellt. Hier finden sich Perlen wie Kurzfilme von David Lynch aus den 70ern oder Lesungen von Charles Bukowski. Illegal? Vermutlich. Legitim? Kann man diskutieren. Alternative? Viele Werke und Ideen gehen sonst schlicht verloren oder stauben in ein paar Bibliotheken oder Mediatheken vor sich hin. Davon hat die Welt nicht viel, und und es hilft der allgemeinen Bildung nicht, wenn die halbe Kultur einer Gesellschaft unzugänglich in irgendwelchen Keller verstaubt.

Nicht zuletzt deshalb greift bei Privatleuten wie Wissenschaftlern, Künstlern und Autoren die Idee des freien Zugangs immer mehr um sich. Einschränkungen setzen die meisten Werkschaffenden beim Einräumen von Rechten auf Veränderung des Werks und/oder seine kommerzielle Nutzung – etwas, was Open-Source-Software unter der GPL oder BSD License grundsätzlich zulässt und ausdrücklich wünscht. Aber ein Text, ein Bild, ein Musikstück ist halt etwas anderes als ein Stück C++-Code, wo schon der Compiler allzu stümperhafte "Verbesserungen" verhindert.

So ist bei Wissenschaftlern durchaus einsichtig, wieso die Creative-Commons-Variante Attribution No Derivatives gewählt wird, die keine Änderung der Inhalte erlaubt: Daten oder Ergebnisse sollen natürlich so stehen bleiben, wie der Wissenschaftler sie gefunden hat. Und da Künstler, Autoren und Grafiker nicht gerade zu den Spitzenverdienern der Gesellschaft gehören, wählen sie gerne die non-commercial-Variante der CC, auch wenn – insbesondere bei Fotos oder Musik – abgeleitete Werke durchaus gestattet sind.

Bemerkenswert ist, in welchem kurzen Zeitraum sich die Haltung zum Werk und die Verbreitung der freien Lizenzen durchgesetzt hat. Projekte wie Magnatune (siehe Teil 1 der Serie) sollte man im Auge behalten, versuchen diese doch mit freien Inhalten möglichst fair und ausbalanciert zwischen Vertrieb und Werkschaffendem Geld zu verdienen. Wenn diese Spielart Erfolg hat, wenn sich mehr und mehr die Open-Access-Idee in der Wissenschaft (siehe Teil 2) durchsetzt und mehr und Hobbyisten ihr Wissen und Können frei weitergeben, dürften sich im Laufe der nächsten zehn Jahre sicherlich auch kreative neue Verdienstmöglichkeiten damit entwickeln. (odi) (odi)