Für die Technik von morgen: Von Quantenpunkten zu Quantentechnologien

Seite 2: Exzitonen in Quantenpunkten

Inhaltsverzeichnis

Für jegliche quantitative Modellierung elektronischer und exzitonischer Eigenschaften von Quantenpunkten ist es essenziell, deren Form und Zusammensetzung auf atomarer Ebene zu kennen. Eine Kombination von Draufsicht- und Querschnitts-Transmissionslektronenmikroskopie zusammen mit Rastertunnelmikroskopie stellt diese Daten zur Verfügung. So enthüllte die Querschnitts-Rastertunnelspektroskopie beispielsweise, dass die Konzentration von Indium in (InGa)As-Quantenpunkten von unten nach oben zunimmt.

Basierend auf diesen Mikroskopie-Daten berechneten wir das Verspannungsfeld eingebetteter Quantenpunkte mittels Kontinuumstheorie. Die piezoelektrischen Potentiale inklusive quadratischer Effekte lassen sich daraus ableiten (Abb. 2). Unsere erste physikalisch durchsichtige quantitative Berechnung der elektronischen Struktur der Quantenpunkte beruhte auf einem numerischen Bandstrukturmodell (8-Band-k∙p-Theorie) unter Berücksichtigung der piezoelektrischen Effekte. Die wichtigsten Ergebnisse gelten universell für alle III-V-Quantenpunkte gewachsen auf (001)-Substraten:

  • Die Zustandsdichten und elektronischen Niveaus sind durch Delta-Funktionen zu beschreiben.
  • Jeder Zustand ist zweifach entartet, ist also nur mit zwei Ladungsträgern zu besetzen (Spinentartung).
  • Es gibt keine Zustände „freier“ Ladungsträger mit einer impulsabhängigen Dispersion der Energie, wie in ein- bis dreidimensionalen Strukturen.
  • Bei Besetzung mit mehr als einem Ladungsträger sind diese über die Coulomb-Wechselwirkung korreliert, die von der Größe des Quantenpunkts abhängt. Diese Abhängigkeit kann daher zu positiver oder negativer Bindungsenergie des Biexzitons, positiver oder negativer Austauschaufspaltung führen. Diesen Effekt gibt es in der Atomphysik nicht.
  • Mit Elektronen und Löchern besetzte Quantenpunkte besitzen ein eingebautes Dipolmoment, da die Schwerpunkte der Elektronen und Lochwellenfunktionen nicht identisch sind.
  • Analog zur Berechnung der Wellenfunktionen in Übergittern sind diese auch für vertikal gekoppelte Quantenpunkte möglich. Das für viele Bauelemente wichtige Verhältnis zwischen transversal elektrischer (TE) zu transversal magnetischer (TM) Polarisation ist als Funktion des Abstands der aktiven Schichten einstellbar.

Abb. 2 Die piezoelektrischen Isopotentialoberflächen für ± 50 meV (blau bzw. rot) einer vierseitigen (InGa)As/GaAs-Quantenpyramide zeigen deutlich die Reduktion auf zweizählige Symmetrie.

Coulomb-Wechselwirkung, anisotrope Austauschwechselwirkung und Korrelation beeinflussen stark und abhängig von Form, Größe und Materialverteilung die Vielteilchenzustände, also beispielsweise Exzitonen und Biexzitonen. Die Austauschwechselwirkung hebt die vierfache Entartung des exzitonischen Grundzustands auf und führt zu einer Aufspaltung in je zwei optisch aktive und inaktive Zustände. Die oben erwähnte Erniedrigung der Symmetrie des Quantenpunkts sorgt nun dafür, dass sich der exzitonische Grundzustand weiter aufspaltet (Abb. 3). Bemerkenswerterweise werden automatisch polarisierte Photonen emittiert, und die Polarisation wird nach der Rekombination des ersten Elektron-Loch-Paares eines exzitonischen Moleküls auf die Rekombination des Exzitons vererbt. Damit stellt die Rekombination eines Exzitons oder Moleküls in einem einzelnen Quantenpunkt eine natürliche Quelle von Quantenbits (Qubits) dar. Diese Polarisation der Emission eines einzelnen Quantenpunkts haben wir mittels Kathodo- oder Mikrophotolumineszenz-Spektroskopie von einzelnen Quantenpunkten in Kombination mit Schattenmasken demonstriert (Abb. 4). Bei der Kathodolumineszenz übernimmt ein stark fokussierter Elektronenstrahl bei geringen Beschleunigungsspannungen in einem modifizierten Rasterelektronenmikroskop die Rolle der Anregung.

Abb. 3 Rekombinationskaskade des Biexzitons und des Exzitons eines InAs/GaAs-Quantenpunkts ohne (links) und mit (rechts) piezoelektrischen Effekten. EFS ist die Feinstrukturaufspaltung, x und y zeigen die Richtung der linearen Polarisation an.

Die Kombination grundlegender Prinzipien der Quantenmechanik mit moderner Informationstheorie erlaubt es, inhärent sichere Verschlüsselungssysteme für die Datenübertragung zu entwickeln. Einer der ersten und bekanntesten Vorschläge dafür ist das BB84-Protokoll von Bennet und Brassard. Die „Quantum Information Science and Technology Road Map“ oder die im März 2020 von der IEEE verabschiedete „International Roadmap for Devices and Systems“ verlangen die Entwicklung kostengünstiger praktischer Quellen einzelner Qubits und verschränkter Photonen, um BB84 und spätere Protokolle zu realisieren.

Abb. 4 Das Lumineszenz-Spektrum eines Exzitons in einem einzelnen (InGa)As/GaAs-Quantenpunkt zeigt nur einen scharfen Peak (links), der im rechten Teil samt Polarisation vergrößert dargestellt ist.

Bettet man einen einzelnen Quantenpunkt in eine p-i-n-Struktur ähnlich eines modifizierten oberflächenemittierenden Lasers ein, so resultiert eine Quelle von „Qubits on demand“ mit Raten im Gbit/sBereich.

Kontrolliertes Wachstum mittels MBE oder MOCVD von (InGa)/GaAs-Quantenpunkten sehr geringer Dichten von etwa 108 cm–2 haben wir sowohl unter als auch über Oxidaperturen realisiert. Dabei gelang es, derartige Quantenpunktschichten in p-i-n-Strukturen mit Distributed-Bragg-Reflektor-Spiegeln einzubetten und damit elektrisch gepumpte resonante Mikrokavitäten herzustellen (Abb. 5). Infolge des Purcell-Effekts erhöht sich bei diesen die Rate der Emission. Diese ist zudem gerichtet und besitzt eine hohe Quantenausbeute. Derartige Bauelemente haben wir mittels eines elektrischen Pulsgenerators bei einer Pulsdauer von 350 ps und einer Wiederholrate von 1 GHz betrieben (Abb. 6). Der Wert der Autokorrelationsfunktion g(2) (0) = 0,05 bewies, dass ein Emitter von einzelnen Qubits vorliegt.

Abb. 5 Der Querschnitt eines elektrisch getriebenen Qubit-Emitters mit einem Bragg-Spiegel zeigt die Lage des Quantenpunkts oberhalb der Oxidapertur sowie den Stromfluss.

Quantenkommunikation über größere Distanzen erfordert „Quantenrepeater“, die auf verschränkten Photonen basieren können. Ein vielversprechender Vorschlag zu ihrer Realisierung beruht auf der Biexziton-Exziton-Rekombinationskaskade. Hierfür sollte die Feinstrukturaufspaltung Null sein. Das ist möglich, da dieser Wert über die Größe des Quantenpunkts einstellbar ist. Externe Felder können hierzu ebenso beitragen. Eine möglicherweise einfachere Alternative stellt das Wachstum der Quantenpunkte auf einem (111)-orientierten Substrat dar. Die dort nun dreifache Symmetrie der Quantenpunktzustände erniedrigt sich durch piezoelektrische Effekte nicht weiter. Die exzitonischen Zustände bleiben also entartet. Ein kristallographisch äquivalenter Ansatz beruht auf Wurtzit-Strukturen wie GaN/AlN-Quantenpunkten. Diese besitzen wesentlich größere Lokalisationsenergien der Ladungsträger und Exzitonen. Damit sind sie thermisch stabiler. Dies könnte hochfrequente Qubit-Emission bei Raumtemperatur ermöglichen. Ein bei 300 K funktionierendes, darauf basierendes Modul würde nicht mehr als ein heute gebräuchliches LED-Modul kosten. Bis dahin ist jedoch noch einiges an Forschung notwendig.

Abb. 6 Optische Antwort eines Einzelphotonenemitters auf ein elektrisches 1-GHz-Signal mit Pulsbreiten von 350 ps zusammen mit einer Simulation einer Antwort unter der Annahme von 400-ps-Pulsen (a). Hanbury-Brown-Twiss-Korrelationsmessungen zeigen ein klares Antibunching (b). Die rote Kurve stellt die Simulation eines perfekten Einzelphotonenemitters unter Berücksichtigung der limitierten Zeitauflösung des Aufbaus von 0,7 ps dar.