Für die Technik von morgen: Von Quantenpunkten zu Quantentechnologien

Seite 4: Datenübertragung mittels Quantenpunktlaser

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Aufgrund der Selbstähnlichkeit besitzen Quantenpunkte identische Symmetrieeigenschaften, ohne aber selbst identisch zu sein. Die Emission eines 1 mm langen und 100 µm breiten Kantenemitters mit 1011 Quantenpunkten pro Quadratzentimeter in der aktiven Zone basiert auf der Emission von hundert Millionen unterschiedlichen Quantenpunkten, von denen jeder auf einer minimal anderen Wellenlänge emittiert. Die Überlagerung dieser Emissionen führt zu einer Gauß-förmigen Einhüllenden mit einer Halbwertsbreite von 30 bis 100 meV, die in Grenzen durch Änderung der Wachstumsbedingungen zu kontrollieren ist.

Die spektrale Halbwertsbreite und die Breite eines emittierten Pulses auf der Zeitskala sind mittels einer Fourier-Transformation miteinander korreliert. Je größer die spektrale Halbwertsbreite, desto geringer ist die Pulsbreite. Die Kopplung der Phasen der longitudinalen Moden eines Lasers erlaubt somit Pulse, deren Dauer und Wiederholrate weit jenseits der intrinsischen Bandbreite eines direkt modulierten Lasers liegen. Die Möglichkeit, Pulse einer Breite von einigen hundert Femtosekunden mittels passiver Modenkopplung im Telekom-O- oder -C-Band zu erzeugen, resultiert aus der Gauß-Verbreiterung. Mithilfe der Überlagerung der Emission lassen sich zudem viele ultraschnelle Pulse unterschiedlicher Wellenlänge in Halbleiter-Verstärkern (Wellenlängen-Multiplexen) ohne Übersprechen gleichzeitig verstärken.

Modengekoppelte Halbleiterlaser, die optische (als auch elektrische) Pulsfolgen emittieren, entwickeln sich zurzeit zum Rückgrat optischer Nachrichtentechnik mit hoher Bitrate. Sie kommen als optische Uhren zum Einsatz, zur Erzeugung von Frequenzkämmen und in Kombination mit Modulatoren als Transmitter für optische Zeitmultiplexsysteme. Bei letzteren werden Frequenzkämme einander phasenverschoben überlagert. Passive moden gekoppelte Halbleiterlaser sind kostengünstig herstellbar, da sie neben dem Laser mit dem sättigbaren Absorber nur ein zusätzliches Element im Resonator besitzen. Beide benötigen eine Gleichstromversorgung von wenigen Volt. Der Absorber ermöglicht einen Selbststart der Pulsemission ohne externe Radiofrequenzquelle.

Wir haben gezeigt, dass sich derartige Quantenpunkt-basierte modengekoppelte Halbleiterlaser, die bei 1,3 µm emittieren, innerhalb von Pikosekunden bei ausreichender Sperrspannung erholen. Solche Laser erlauben es mit einer 160-GHz-Pulsfolge, Datenraten von 160 Gb/s zu übertragen (Abb. 9). Bei modengekoppelten Halbleiterlasern variiert die Eintreffzeit aufeinander folgender Pulse (zeitlicher Jitter) aufgrund spontaner Fluktuationen der Photonendichte, was zu verstärkter spontaner Emission führt. Dieser Jitter begrenzt die nutzbare Frequenz bzw. Bandbreite. Im Vergleich zu Quantengrabenlasern ist der Jitter bei modengekoppelten Quantenpunktlasern jedoch wesentlich geringer.

Abb. 9 Dieser Pulskamm eines modengekoppelten Quantenpunktlasers mit Chirp-Kompensation bei 160 GHz wurde aus einem 80-GHz-Kamm mittels Zeitmultiplexen erzeugt. Die schwarze Kurve zeigt die Autokorrelationsmessung. Der entfaltete Kamm ist blau gepunktet.

Unabhängig von der Emission entwickelt sich im Spektrum eines modengekoppelten Quantenpunktlasers mit zunehmendem Strom ein immer breiteres hutartiges Ensemble von Longitudinalmoden, die sich in ihrer Spitzenleistung um weniger als 3 dB unterscheiden. Der Grund hierfür liegt darin, dass Quantenpunkte nur maximal zwei Ladungsträger pro Niveau speichern können und daher bei Injektion von Ladungsträgern schnell sättigen (Abb. 10).

Abb. 10 Die longitudinalen Moden eines InAs/GaAs-Quantenpunktlasers sind hutartig verteilt, wenn der Grundzustand der Quantenpunkte bei hohen Strömen in die Sättigung geht. Bei geringeren Strömen resultiert eine Gauß-artige Modenverteilung.

Separiert man die 40 einzelnen Moden mittels schmalbandiger Filter und moduliert diese mit schnellen Modulatoren, ermöglichen Quantenpunktbasierte Bauelemente Übertragungsraten von etwa 6,4 Terabit/s. Mehrere Arbeitsgruppen weltweit arbeiten derzeit an deren Demonstration und dem Einsatz in Netzen jeglicher Reichweite. Der Bedarf nach höheren Datenraten steigt durch die Nutzung neuer Dienste wie Netflix oder Bitcoin exponentiell an. Mittels Quantenpunktlaser lassen sich somit vorhandene Netzinfrastrukturen besser nutzen. Dies verringert gleichzeitig die Kosten sowie den Energieaufwand für die Lichtquellen.

Die elektronischen und optischen Eigenschaften von Halbleiter-Quantenpunkten lassen sich quantitativ modellieren, wie hier beschrieben wurde. Die Modellierung beruht auf der detaillierten strukturellen Charakterisierung mit atomarer Auflösung. Die im Vergleich zu klassischen Festkörperstrukturen „seltsamen“ Eigenschaften sind durch die Quantennatur bestimmt und experimentell verifiziert. Beispielhaft wurden neuartige Quantenbauelemente vorgestellt, die auf einem, wenigen oder Millionen von Quantenpunkten beruhen. Die Herstellung solcher Bauelemente mittels epitaktischer Quantentechnologien gelingt für Modellsysteme. Deren riesiges Anwendungspotenzial ist jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft und inspiriert weiterhin die weltweite Forschung.

Danksagung: Einer großen Zahl engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die immer wieder mit eigenen Ideen zum Fortschritt dieser neuen Forschungsrichtung beitrugen und über für unsere Gesellschaft nützliche Anwendungen nachdachten, sei herzlich gedankt. Ohne ihr Engagement wären die hier vorgestellten Ergebnisse nicht zustande gekommen. Durch ihre finanzielle Unterstützung haben die DFG über mehrere SFBs, das BMBF unter anderem mittels des VIPProgramms, die EU mittels EFRE, der Berliner Senat, die Leitung der TU Berlin, die Aixtron AG und in der Anfangsphase die Volkswagenstiftung mit der Finanzierung der Kooperation mit Russland die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Dafür bin ich dankbar.

Dieter Bimberg. "Von Quantenpunkten zu Quantentechnologien“ Physik Journal. 2020. 8/9. 39 ff. Copyright Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Reproduced with permission.

(mho)